darum handelt, Thatsachen festzustellen, sondern Vorstellungen und Begriffe zu ordnen, zu disponiren und zu subsummiren, finden wir Linne ganz in seinem Element.
Das Fundament der Botanik, beginnt er, ist ein zwiefaches, die Eintheilung und die Benennung. Als theoretische Eintheilung betrachtet er die Aufstellung von Classen, Ordnungen, Gattungen; als practische die Aufstellung von Species und Varietäten. Jene, welche Caesalpin, Morison, Tournefort u. a. ausbil- deten, führt zur Aufstellung eines Systems; die bloße Praxis der Speciesbeschreibung könne auch von solchen geübt werden, die von der Systematik Nichts verstehen. Diese Aeußerungen Linne's sind insofern von großem Interesse, als sie gleich anderen seiner Bemerkungen beweisen, daß er die eigentliche Systematik, welche sich mit der Aufstellung und Anordnung der größeren Gruppen beschäftigt, höher stellt, als die bloße Unter- scheidung einzelner Formen; seine Nachfolger allerdings haben zum großen Theil diese Lehre des Meisters vergessen, ihnen galt das bloße Sammeln und Unterscheiden von Species schon für Systematik. -- Im Gegensatz zur bloßen synoptischen Uebersicht, die mit ihren dichotomischen Eintheilungen nur practischen Zwecken dient, steht das System selbst, welches die einander subordinirten Begriffe der Classen, Ordnungen, Genera, Species und Varietäten behandelt. Dann folgt der oft citirte Satz: Species zählen wir so viele, als verschiedene Formen im Princip (in principio) geschaffen worden sind. Früher hatte er statt in principio gesagt ab initio, es ist hier also an die Stelle des zeitlichen Anfangs ein ideeller, principieller Anfang gesetzt, was seinen philosophischen Ansichten besser entspricht. Daß es neue Species geben könne, fährt er fort, wird durch die continuirliche Generation und Propagation, sowie durch die tägliche Beobachtung und durch die Cotyledonen widerlegt. Es ist schwer begreiflich, wie die Linne'sche Schule bis tief in unser Jahrhundert herein ein Dogma festhalten konnte, welches auf solcher Logik beruhte. Daß Linne unter Species nicht gradweise, sondern principiell verschiedene Formen verstand, zeigt
Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
darum handelt, Thatſachen feſtzuſtellen, ſondern Vorſtellungen und Begriffe zu ordnen, zu disponiren und zu ſubſummiren, finden wir Linné ganz in ſeinem Element.
Das Fundament der Botanik, beginnt er, iſt ein zwiefaches, die Eintheilung und die Benennung. Als theoretiſche Eintheilung betrachtet er die Aufſtellung von Claſſen, Ordnungen, Gattungen; als practiſche die Aufſtellung von Species und Varietäten. Jene, welche Caeſalpin, Moriſon, Tournefort u. a. ausbil- deten, führt zur Aufſtellung eines Syſtems; die bloße Praxis der Speciesbeſchreibung könne auch von ſolchen geübt werden, die von der Syſtematik Nichts verſtehen. Dieſe Aeußerungen Linné's ſind inſofern von großem Intereſſe, als ſie gleich anderen ſeiner Bemerkungen beweiſen, daß er die eigentliche Syſtematik, welche ſich mit der Aufſtellung und Anordnung der größeren Gruppen beſchäftigt, höher ſtellt, als die bloße Unter- ſcheidung einzelner Formen; ſeine Nachfolger allerdings haben zum großen Theil dieſe Lehre des Meiſters vergeſſen, ihnen galt das bloße Sammeln und Unterſcheiden von Species ſchon für Syſtematik. — Im Gegenſatz zur bloßen ſynoptiſchen Ueberſicht, die mit ihren dichotomiſchen Eintheilungen nur practiſchen Zwecken dient, ſteht das Syſtem ſelbſt, welches die einander ſubordinirten Begriffe der Claſſen, Ordnungen, Genera, Species und Varietäten behandelt. Dann folgt der oft citirte Satz: Species zählen wir ſo viele, als verſchiedene Formen im Princip (in principio) geſchaffen worden ſind. Früher hatte er ſtatt in principio geſagt ab initio, es iſt hier alſo an die Stelle des zeitlichen Anfangs ein ideeller, principieller Anfang geſetzt, was ſeinen philoſophiſchen Anſichten beſſer entſpricht. Daß es neue Species geben könne, fährt er fort, wird durch die continuirliche Generation und Propagation, ſowie durch die tägliche Beobachtung und durch die Cotyledonen widerlegt. Es iſt ſchwer begreiflich, wie die Linné'ſche Schule bis tief in unſer Jahrhundert herein ein Dogma feſthalten konnte, welches auf ſolcher Logik beruhte. Daß Linné unter Species nicht gradweiſe, ſondern principiell verſchiedene Formen verſtand, zeigt
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Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
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betrachtet er die Aufſtellung von Claſſen, Ordnungen, Gattungen;
als practiſche die Aufſtellung von Species und Varietäten. Jene,
welche Caeſalpin, Moriſon, Tournefort u. a. ausbil-
deten, führt zur Aufſtellung eines Syſtems; die bloße Praxis
der Speciesbeſchreibung könne auch von ſolchen geübt werden,
die von der Syſtematik Nichts verſtehen. Dieſe Aeußerungen
Linné's ſind inſofern von großem Intereſſe, als ſie gleich
anderen ſeiner Bemerkungen beweiſen, daß er die eigentliche
Syſtematik, welche ſich mit der Aufſtellung und Anordnung der
größeren Gruppen beſchäftigt, höher ſtellt, als die bloße Unter-
ſcheidung einzelner Formen; ſeine Nachfolger allerdings haben
zum großen Theil dieſe Lehre des Meiſters vergeſſen, ihnen galt
das bloße Sammeln und Unterſcheiden von Species ſchon für
Syſtematik. — Im Gegenſatz zur bloßen ſynoptiſchen Ueberſicht,
die mit ihren dichotomiſchen Eintheilungen nur practiſchen Zwecken
dient, ſteht das Syſtem ſelbſt, welches die einander ſubordinirten
Begriffe der Claſſen, Ordnungen, Genera, Species und Varietäten
behandelt. Dann folgt der oft citirte Satz: Species zählen
wir ſo viele, als verſchiedene Formen im Princip
(in principio) geſchaffen worden ſind. Früher hatte er
ſtatt in principio geſagt ab initio, es iſt hier alſo an die
Stelle des zeitlichen Anfangs ein ideeller, principieller Anfang
geſetzt, was ſeinen philoſophiſchen Anſichten beſſer entſpricht.
Daß es neue Species geben könne, fährt er fort, wird durch
die continuirliche Generation und Propagation, ſowie durch die
tägliche Beobachtung und durch die Cotyledonen widerlegt. Es
iſt ſchwer begreiflich, wie die Linné'ſche Schule bis tief in
unſer Jahrhundert herein ein Dogma feſthalten konnte, welches
auf ſolcher Logik beruhte. Daß Linné unter Species nicht
gradweiſe, ſondern principiell verſchiedene Formen verſtand, zeigt
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/118>, abgerufen am 21.11.2024.
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