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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Einleitung.
Jahrhundert wurde dieser Theil der Botanik wieder wissenschaftlich
methodisch behandelt. Dieser äußerst langsame Fortschritt in der
geistigen Beherrschung der äußeren Pflanzenform bei fortwährender
Beschäftigung mit derselben scheint vorwiegend dadurch erklärlich,
daß das unbewaffnete Auge allzu unruhig über die Form der
Objecte hingleitet, die Aufmerksamkeit des Beobachters durch seine
flüchtigen Bewegungen stört. Ganz im Gegensatz zu der so ge-
wöhnlichen Gedankenlosigkeit bei der Betrachtung der äußeren
Form der Pflanzen finden wir schon bei den ersten Beobachtern
mit dem Mikroskop, bei Robert Hooke, Malpighi, Grew
und Leeuwenhoek im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts
das Streben, durch angestrengtes Nachdenken die mit bewaff-
netem Auge gesehenen Bilder mit dem Verstand zu bearbeiten,
sich über die wahre Natur der mikroskopischen Objecte klar
zu werden, theoretisch in das innere Wesen einzudringen.
Vergleicht man die Werke der genannten Männer mit dem,
was die systematischen Botaniker desselben Zeitraums über
die äußeren Gestaltverhältnisse der Pflanzen zu sagen wußten,
so kann Niemandem entgehen, wie sehr der geistige Gehalt der
ersteren dem der letzteren überlegen ist; am auffallendsten aber
tritt dieß hervor, wenn wir das, was Malpighi und Grew
über den Bau der Blüthe und Frucht sagten, vergleichen mit
dem, was Tournefort, Rivinus und Linne davon wußten.

Diese Steigerung auch der geistigen Fähigkeiten des Be-
obachters durch das Mikroskop wird jedoch nur durch lange Uebung
gewonnen; auch das beste Mikroskop bleibt in den Händen eines
Ungeübten ein sehr bald langweilig werdendes Spielzeug. Ein
großer Irrthum wäre auch zu glauben, daß der Fortschritt der
Pflanzenanatomie einfach von der fortschreitenden Vervollkommnung
der Mikroskope abhängig gewesen sei; unzweifelhaft ist es aller-
dings, daß mit zunehmender Stärke der Vergrößerung, Helligkeit
und Schönheit des Gesichtsfeldes auch die Wahrnehmung der
anatomischen Objecte sich klären mußte; damit allein wäre indessen
wenig gewonnen. Wie bei jeder Wissenschaft kommt es auch
bei der Untersuchung der Struktur der Pflanzen zunächst darauf

Einleitung.
Jahrhundert wurde dieſer Theil der Botanik wieder wiſſenſchaftlich
methodiſch behandelt. Dieſer äußerſt langſame Fortſchritt in der
geiſtigen Beherrſchung der äußeren Pflanzenform bei fortwährender
Beſchäftigung mit derſelben ſcheint vorwiegend dadurch erklärlich,
daß das unbewaffnete Auge allzu unruhig über die Form der
Objecte hingleitet, die Aufmerkſamkeit des Beobachters durch ſeine
flüchtigen Bewegungen ſtört. Ganz im Gegenſatz zu der ſo ge-
wöhnlichen Gedankenloſigkeit bei der Betrachtung der äußeren
Form der Pflanzen finden wir ſchon bei den erſten Beobachtern
mit dem Mikroſkop, bei Robert Hooke, Malpighi, Grew
und Leeuwenhoek im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts
das Streben, durch angeſtrengtes Nachdenken die mit bewaff-
netem Auge geſehenen Bilder mit dem Verſtand zu bearbeiten,
ſich über die wahre Natur der mikroſkopiſchen Objecte klar
zu werden, theoretiſch in das innere Weſen einzudringen.
Vergleicht man die Werke der genannten Männer mit dem,
was die ſyſtematiſchen Botaniker desſelben Zeitraums über
die äußeren Geſtaltverhältniſſe der Pflanzen zu ſagen wußten,
ſo kann Niemandem entgehen, wie ſehr der geiſtige Gehalt der
erſteren dem der letzteren überlegen iſt; am auffallendſten aber
tritt dieß hervor, wenn wir das, was Malpighi und Grew
über den Bau der Blüthe und Frucht ſagten, vergleichen mit
dem, was Tournefort, Rivinus und Linné davon wußten.

Dieſe Steigerung auch der geiſtigen Fähigkeiten des Be-
obachters durch das Mikroſkop wird jedoch nur durch lange Uebung
gewonnen; auch das beſte Mikroſkop bleibt in den Händen eines
Ungeübten ein ſehr bald langweilig werdendes Spielzeug. Ein
großer Irrthum wäre auch zu glauben, daß der Fortſchritt der
Pflanzenanatomie einfach von der fortſchreitenden Vervollkommnung
der Mikroſkope abhängig geweſen ſei; unzweifelhaft iſt es aller-
dings, daß mit zunehmender Stärke der Vergrößerung, Helligkeit
und Schönheit des Geſichtsfeldes auch die Wahrnehmung der
anatomiſchen Objecte ſich klären mußte; damit allein wäre indeſſen
wenig gewonnen. Wie bei jeder Wiſſenſchaft kommt es auch
bei der Unterſuchung der Struktur der Pflanzen zunächſt darauf

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[238/0250] Einleitung. Jahrhundert wurde dieſer Theil der Botanik wieder wiſſenſchaftlich methodiſch behandelt. Dieſer äußerſt langſame Fortſchritt in der geiſtigen Beherrſchung der äußeren Pflanzenform bei fortwährender Beſchäftigung mit derſelben ſcheint vorwiegend dadurch erklärlich, daß das unbewaffnete Auge allzu unruhig über die Form der Objecte hingleitet, die Aufmerkſamkeit des Beobachters durch ſeine flüchtigen Bewegungen ſtört. Ganz im Gegenſatz zu der ſo ge- wöhnlichen Gedankenloſigkeit bei der Betrachtung der äußeren Form der Pflanzen finden wir ſchon bei den erſten Beobachtern mit dem Mikroſkop, bei Robert Hooke, Malpighi, Grew und Leeuwenhoek im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts das Streben, durch angeſtrengtes Nachdenken die mit bewaff- netem Auge geſehenen Bilder mit dem Verſtand zu bearbeiten, ſich über die wahre Natur der mikroſkopiſchen Objecte klar zu werden, theoretiſch in das innere Weſen einzudringen. Vergleicht man die Werke der genannten Männer mit dem, was die ſyſtematiſchen Botaniker desſelben Zeitraums über die äußeren Geſtaltverhältniſſe der Pflanzen zu ſagen wußten, ſo kann Niemandem entgehen, wie ſehr der geiſtige Gehalt der erſteren dem der letzteren überlegen iſt; am auffallendſten aber tritt dieß hervor, wenn wir das, was Malpighi und Grew über den Bau der Blüthe und Frucht ſagten, vergleichen mit dem, was Tournefort, Rivinus und Linné davon wußten. Dieſe Steigerung auch der geiſtigen Fähigkeiten des Be- obachters durch das Mikroſkop wird jedoch nur durch lange Uebung gewonnen; auch das beſte Mikroſkop bleibt in den Händen eines Ungeübten ein ſehr bald langweilig werdendes Spielzeug. Ein großer Irrthum wäre auch zu glauben, daß der Fortſchritt der Pflanzenanatomie einfach von der fortſchreitenden Vervollkommnung der Mikroſkope abhängig geweſen ſei; unzweifelhaft iſt es aller- dings, daß mit zunehmender Stärke der Vergrößerung, Helligkeit und Schönheit des Geſichtsfeldes auch die Wahrnehmung der anatomiſchen Objecte ſich klären mußte; damit allein wäre indeſſen wenig gewonnen. Wie bei jeder Wiſſenſchaft kommt es auch bei der Unterſuchung der Struktur der Pflanzen zunächſt darauf

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/250>, abgerufen am 24.11.2024.