den, als er damals mit dem Worte Cambium nicht etwa die später so genannte Gewebeschicht, sondern einen sehr "ausgear- beiteten und gereinigten Saft" verstand, welcher zur Ernährung der Pflanze bestimmt, alle Membranen durchdringt; man sehe diesen Cambiumsaft da erscheinen, wo er neue Röhren und Zellen (im Sinne der Wolff'schen Theorie) hervorbringt. Die Zellen zeigen sich anfangs als sehr kleine Kügelchen, die Röhren als sehr dünne Linien; beide erweitern sich und zeigen nach und nach Poren, Spalten u. s. w. Also im Wesentlichen die Wolff'sche Lehre, welche Mirbel später bei der Keimung der Dattelpalme, mit Hülfe stärkerer Mikroskope gegen die deutschen Phytotomen weiter zu begründen suchte.
Mit mehr Nachdruck als die deutschen Phytotomen jener Zeit machte Mirbel den Gedanken geltend, daß alle Gewebe- formen der Pflanze sich ursprünglich aus jungem Zellgewebe entwickeln, ein Gedanke, den übrigens schon Sprengel ange- regt hatte und welcher für Mirbel aus der Wolff'schen Theorie von selbst folgte. Ganz wie bei C. F. Wolff findet man auch bei Mirbel neben zu rascher Beobachtung ein all- zustarkes Vorwalten theoretischer Begründung des Gesehenen; wie Wolff ist auch Mirbel allzu rasch mit weitgehenden Er- klärungen bei der Hand, wo zunächst nur fortgesetzte Beobachtung entscheiden konnte.
Treviranus unterließ es nicht, auf die Polemik Mir- bel's wenn auch spät zu antworten, indem er seinen "Beiträgen zur Pflanzenphysiologie" (Göttingen 1811) einen Aufsatz "Be- obachtungen im Betreff einiger streitigen Puncte der Pflanzen- physiologie" einverleibte, wo er die streitigen Fragepuncte nicht blos Mirbel, sondern auch Link und anderen gegenüber, ge- stützt auf neue Beobachtungen, wieder aufnahm. Es ist nicht zu leugnen, daß Treviranus in dieser kleinen Schrift abermals einige wichtige Fragen ihrem Abschluß näher brachte; nament- lich lieferte er hier einen guten Beitrag zur Kenntniß der ge- tüpfelten Gefäße, über welche er nunmehr seine Ansicht der Mirbel's näherte; auch wies er auf die blasenartige Natur
Zellhautgerüſtes der Pflanzen.
den, als er damals mit dem Worte Cambium nicht etwa die ſpäter ſo genannte Gewebeſchicht, ſondern einen ſehr „ausgear- beiteten und gereinigten Saft“ verſtand, welcher zur Ernährung der Pflanze beſtimmt, alle Membranen durchdringt; man ſehe dieſen Cambiumſaft da erſcheinen, wo er neue Röhren und Zellen (im Sinne der Wolff'ſchen Theorie) hervorbringt. Die Zellen zeigen ſich anfangs als ſehr kleine Kügelchen, die Röhren als ſehr dünne Linien; beide erweitern ſich und zeigen nach und nach Poren, Spalten u. ſ. w. Alſo im Weſentlichen die Wolff'ſche Lehre, welche Mirbel ſpäter bei der Keimung der Dattelpalme, mit Hülfe ſtärkerer Mikroſkope gegen die deutſchen Phytotomen weiter zu begründen ſuchte.
Mit mehr Nachdruck als die deutſchen Phytotomen jener Zeit machte Mirbel den Gedanken geltend, daß alle Gewebe- formen der Pflanze ſich urſprünglich aus jungem Zellgewebe entwickeln, ein Gedanke, den übrigens ſchon Sprengel ange- regt hatte und welcher für Mirbel aus der Wolff'ſchen Theorie von ſelbſt folgte. Ganz wie bei C. F. Wolff findet man auch bei Mirbel neben zu raſcher Beobachtung ein all- zuſtarkes Vorwalten theoretiſcher Begründung des Geſehenen; wie Wolff iſt auch Mirbel allzu raſch mit weitgehenden Er- klärungen bei der Hand, wo zunächſt nur fortgeſetzte Beobachtung entſcheiden konnte.
Treviranus unterließ es nicht, auf die Polemik Mir- bel's wenn auch ſpät zu antworten, indem er ſeinen „Beiträgen zur Pflanzenphyſiologie“ (Göttingen 1811) einen Aufſatz „Be- obachtungen im Betreff einiger ſtreitigen Puncte der Pflanzen- phyſiologie“ einverleibte, wo er die ſtreitigen Fragepuncte nicht blos Mirbel, ſondern auch Link und anderen gegenüber, ge- ſtützt auf neue Beobachtungen, wieder aufnahm. Es iſt nicht zu leugnen, daß Treviranus in dieſer kleinen Schrift abermals einige wichtige Fragen ihrem Abſchluß näher brachte; nament- lich lieferte er hier einen guten Beitrag zur Kenntniß der ge- tüpfelten Gefäße, über welche er nunmehr ſeine Anſicht der Mirbel's näherte; auch wies er auf die blaſenartige Natur
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Zellhautgerüſtes der Pflanzen.
den, als er damals mit dem Worte Cambium nicht etwa die
ſpäter ſo genannte Gewebeſchicht, ſondern einen ſehr „ausgear-
beiteten und gereinigten Saft“ verſtand, welcher zur Ernährung
der Pflanze beſtimmt, alle Membranen durchdringt; man ſehe
dieſen Cambiumſaft da erſcheinen, wo er neue Röhren und
Zellen (im Sinne der Wolff'ſchen Theorie) hervorbringt. Die
Zellen zeigen ſich anfangs als ſehr kleine Kügelchen, die Röhren
als ſehr dünne Linien; beide erweitern ſich und zeigen nach und
nach Poren, Spalten u. ſ. w. Alſo im Weſentlichen die
Wolff'ſche Lehre, welche Mirbel ſpäter bei der Keimung der
Dattelpalme, mit Hülfe ſtärkerer Mikroſkope gegen die deutſchen
Phytotomen weiter zu begründen ſuchte.
Mit mehr Nachdruck als die deutſchen Phytotomen jener
Zeit machte Mirbel den Gedanken geltend, daß alle Gewebe-
formen der Pflanze ſich urſprünglich aus jungem Zellgewebe
entwickeln, ein Gedanke, den übrigens ſchon Sprengel ange-
regt hatte und welcher für Mirbel aus der Wolff'ſchen
Theorie von ſelbſt folgte. Ganz wie bei C. F. Wolff findet
man auch bei Mirbel neben zu raſcher Beobachtung ein all-
zuſtarkes Vorwalten theoretiſcher Begründung des Geſehenen;
wie Wolff iſt auch Mirbel allzu raſch mit weitgehenden Er-
klärungen bei der Hand, wo zunächſt nur fortgeſetzte Beobachtung
entſcheiden konnte.
Treviranus unterließ es nicht, auf die Polemik Mir-
bel's wenn auch ſpät zu antworten, indem er ſeinen „Beiträgen
zur Pflanzenphyſiologie“ (Göttingen 1811) einen Aufſatz „Be-
obachtungen im Betreff einiger ſtreitigen Puncte der Pflanzen-
phyſiologie“ einverleibte, wo er die ſtreitigen Fragepuncte nicht
blos Mirbel, ſondern auch Link und anderen gegenüber, ge-
ſtützt auf neue Beobachtungen, wieder aufnahm. Es iſt nicht zu
leugnen, daß Treviranus in dieſer kleinen Schrift abermals
einige wichtige Fragen ihrem Abſchluß näher brachte; nament-
lich lieferte er hier einen guten Beitrag zur Kenntniß der ge-
tüpfelten Gefäße, über welche er nunmehr ſeine Anſicht der
Mirbel's näherte; auch wies er auf die blaſenartige Natur
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/309>, abgerufen am 21.11.2024.
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