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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Untersuchung des fertigen
beschrieben. Großen Werth legte Meyen (auch später noch)
auf die verschiedenen Habitusformen des Zellgewebes, für welche
er die Namen Merenchym, Parenchym, Prosenchym,
Pleurenchym einführte. Diese Formen bezeichnet er als das
regelmäßige Zellgewebe, dessen Zellformen geometrischen Körpern
ähnlich sind, im Gegensatz zu den unregelmäßigen Gewebe der
Tange, Flechten und Pilze. Ein entschiedener Fortschritt ist es,
der auch Meyen's spätere Arbeiten charakterisirt, daß er schon
hier neben der Struktur des festen Zellhautgerüstes in einem
besonderen Kapitel den Inhalt der Zellen behandelt, wo zunächst
die gelösten Stoffe, dann die körnigen Gebilde organischer Struktur
besprochen werden; zu letzteren gehören freilich nicht nur die
Stärkekörner, Chlorphyllbläschen und dergl., sondern auch die
Samenthierchen in den Pollenkörnern einerseits, und andererseits
die auf der Innenseite der Zellwände vorspringenden Verdick-
ungsschichten, z. B. die Spiralbänder in den Schleuderzellen der
Jungermanien u. dergl. m. Auch die Krystallbildungen in
Pflanzenzellen werden ausführlich besprochen und schließlich die
Bewegung des Zellinhaltes ("Saftes") behandelt, wo außer den
von Corti schon beobachteten Charen auch noch verschiedene
andere Wasserpflanzen mit kreisendem Inhalt genannt werden.
-- Auch das Capitel über die Interzellularräume zeigt einen
beträchtlichen Fortschritt über die um 1812 geltenden Ansichten
hinaus, das Capitel führt den Titel: "Ueber die durch Aneinander-
fügung der Zellen entstandenen Räume im Zellgewebe;" es werden
hier die eigentlichen Interzellulargänge, welche mit Luft erfüllt sind,
von den Sekretionsbehältern, den Harz-, Gummi-, Oelgängen und den
höhlenartigen Sekretionsbehältern unterschieden. Eine dritte Form
von Zwischenräumen des Gewebes bilden die großen Luftgänge und
Lücken, wie sie zumal bei den Wasserpflanzen vorkommen. Meyen's
mit Zellgewebe angefüllte Luftkanäle im Holz der Eichen sind offen-
bar mit Tüllen erfüllte Gefäße. -- Die Form der Zellen im
Gewebe läßt Meyen nicht durch gegenseitigen Druck entstehen,
auch weist er Kieser's Ansicht ab, wonach die Form eines
langgezogenen Rhombendodekanders die ideale Grundform der

Unterſuchung des fertigen
beſchrieben. Großen Werth legte Meyen (auch ſpäter noch)
auf die verſchiedenen Habitusformen des Zellgewebes, für welche
er die Namen Merenchym, Parenchym, Proſenchym,
Pleurenchym einführte. Dieſe Formen bezeichnet er als das
regelmäßige Zellgewebe, deſſen Zellformen geometriſchen Körpern
ähnlich ſind, im Gegenſatz zu den unregelmäßigen Gewebe der
Tange, Flechten und Pilze. Ein entſchiedener Fortſchritt iſt es,
der auch Meyen's ſpätere Arbeiten charakteriſirt, daß er ſchon
hier neben der Struktur des feſten Zellhautgerüſtes in einem
beſonderen Kapitel den Inhalt der Zellen behandelt, wo zunächſt
die gelöſten Stoffe, dann die körnigen Gebilde organiſcher Struktur
beſprochen werden; zu letzteren gehören freilich nicht nur die
Stärkekörner, Chlorphyllbläschen und dergl., ſondern auch die
Samenthierchen in den Pollenkörnern einerſeits, und andererſeits
die auf der Innenſeite der Zellwände vorſpringenden Verdick-
ungsſchichten, z. B. die Spiralbänder in den Schleuderzellen der
Jungermanien u. dergl. m. Auch die Kryſtallbildungen in
Pflanzenzellen werden ausführlich beſprochen und ſchließlich die
Bewegung des Zellinhaltes („Saftes“) behandelt, wo außer den
von Corti ſchon beobachteten Charen auch noch verſchiedene
andere Waſſerpflanzen mit kreiſendem Inhalt genannt werden.
— Auch das Capitel über die Interzellularräume zeigt einen
beträchtlichen Fortſchritt über die um 1812 geltenden Anſichten
hinaus, das Capitel führt den Titel: „Ueber die durch Aneinander-
fügung der Zellen entſtandenen Räume im Zellgewebe;“ es werden
hier die eigentlichen Interzellulargänge, welche mit Luft erfüllt ſind,
von den Sekretionsbehältern, den Harz-, Gummi-, Oelgängen und den
höhlenartigen Sekretionsbehältern unterſchieden. Eine dritte Form
von Zwiſchenräumen des Gewebes bilden die großen Luftgänge und
Lücken, wie ſie zumal bei den Waſſerpflanzen vorkommen. Meyen's
mit Zellgewebe angefüllte Luftkanäle im Holz der Eichen ſind offen-
bar mit Tüllen erfüllte Gefäße. — Die Form der Zellen im
Gewebe läßt Meyen nicht durch gegenſeitigen Druck entſtehen,
auch weiſt er Kieſer's Anſicht ab, wonach die Form eines
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[312/0324] Unterſuchung des fertigen beſchrieben. Großen Werth legte Meyen (auch ſpäter noch) auf die verſchiedenen Habitusformen des Zellgewebes, für welche er die Namen Merenchym, Parenchym, Proſenchym, Pleurenchym einführte. Dieſe Formen bezeichnet er als das regelmäßige Zellgewebe, deſſen Zellformen geometriſchen Körpern ähnlich ſind, im Gegenſatz zu den unregelmäßigen Gewebe der Tange, Flechten und Pilze. Ein entſchiedener Fortſchritt iſt es, der auch Meyen's ſpätere Arbeiten charakteriſirt, daß er ſchon hier neben der Struktur des feſten Zellhautgerüſtes in einem beſonderen Kapitel den Inhalt der Zellen behandelt, wo zunächſt die gelöſten Stoffe, dann die körnigen Gebilde organiſcher Struktur beſprochen werden; zu letzteren gehören freilich nicht nur die Stärkekörner, Chlorphyllbläschen und dergl., ſondern auch die Samenthierchen in den Pollenkörnern einerſeits, und andererſeits die auf der Innenſeite der Zellwände vorſpringenden Verdick- ungsſchichten, z. B. die Spiralbänder in den Schleuderzellen der Jungermanien u. dergl. m. Auch die Kryſtallbildungen in Pflanzenzellen werden ausführlich beſprochen und ſchließlich die Bewegung des Zellinhaltes („Saftes“) behandelt, wo außer den von Corti ſchon beobachteten Charen auch noch verſchiedene andere Waſſerpflanzen mit kreiſendem Inhalt genannt werden. — Auch das Capitel über die Interzellularräume zeigt einen beträchtlichen Fortſchritt über die um 1812 geltenden Anſichten hinaus, das Capitel führt den Titel: „Ueber die durch Aneinander- fügung der Zellen entſtandenen Räume im Zellgewebe;“ es werden hier die eigentlichen Interzellulargänge, welche mit Luft erfüllt ſind, von den Sekretionsbehältern, den Harz-, Gummi-, Oelgängen und den höhlenartigen Sekretionsbehältern unterſchieden. Eine dritte Form von Zwiſchenräumen des Gewebes bilden die großen Luftgänge und Lücken, wie ſie zumal bei den Waſſerpflanzen vorkommen. Meyen's mit Zellgewebe angefüllte Luftkanäle im Holz der Eichen ſind offen- bar mit Tüllen erfüllte Gefäße. — Die Form der Zellen im Gewebe läßt Meyen nicht durch gegenſeitigen Druck entſtehen, auch weiſt er Kieſer's Anſicht ab, wonach die Form eines langgezogenen Rhombendodekanders die ideale Grundform der

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/324>, abgerufen am 22.11.2024.