wicklungsgeschichtlichen Untersuchungen erst im Zusammenhang mit den im folgenden Kapitel zu behandelnden Fragen in ihrer historischen Bedeutung verstehen lassen. Doch beschränke ich mich dabei keineswegs auf Mohl's Leistungen vor 1845, obgleich ich dadurch vielfach genöthigt bin, Arbeiten zu erwähnen, welche der zeitlichen Reihenfolge nach erst dem folgenden Zeitraum, ja beinahe der Gegenwart angehören.
1. Die Zelle als alleiniges Grundelement der Pflanzenstruktur war zwar schon von Sprengel und Mirbel behauptet, aber nicht auf genaue Beobachtungen ge- stützt worden. Auch hatte schon Treviranus gezeigt, daß die Gefäße im Holz durch reihenweise Verbindung zellenähnlicher Schläuche entstehen, ohne jedoch diese Wahnehmung auch später zu voller Klarheit durchzuführen. Andererseits stand der An- nahme, daß die Pflanze ganz und gar aus Zellen bestehe, noch lange die sonderbare alte Ansicht entgegen, wonach die Spiral- faser ein selbständiges Grundorgan der Pflanzenstruktur sein sollte, eine Ansicht, die Meyen 1830 noch vertrat. Als der wahre Begründer des so höchst wichtigen Satzes, daß nicht nur die faserförmigen Elemente des Bastes und Holzes, die man längst als gestreckte Zellen betrachtete, sondern auch die Gefäße des Holzes aus Zellen entstehen, ist Mohl zu betrachten und wir dürfen in dieser Beziehung großes Gewicht auf seine eigene Behauptung legen, er sei der Erste gewesen, welcher die Entstehung der Gefäße aus Reihen geschlossener Zellen erkannt habe; diese Entdeckung fällt schon in das Jahr 1831, wo er in seiner Abhandlung über die Struktur des Palmenstammes die entscheidenden Beobachtungen, wenn auch kurz, doch deutlich be- schrieb. Er sah damals die Scheidewände an den Einschnürungen der Gefäße, deren Existenz von fast allen früheren Phytotomen geleugnet worden war: "Diese Scheidewände weichen, sagt er von den übrigen Membranen der Pflanzen durchaus ab, indem sie von einem Netz dicker Fasern, welche Oeffnungen zwischen sich lassen, gebildet sind." Die Entwicklungsgeschichte dieser Ge- fäße studirte er sowohl an Palmen, wie an dikotylen Pflanzen:
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Zellhautgerüſtes der Pflanzen.
wicklungsgeſchichtlichen Unterſuchungen erſt im Zuſammenhang mit den im folgenden Kapitel zu behandelnden Fragen in ihrer hiſtoriſchen Bedeutung verſtehen laſſen. Doch beſchränke ich mich dabei keineswegs auf Mohl's Leiſtungen vor 1845, obgleich ich dadurch vielfach genöthigt bin, Arbeiten zu erwähnen, welche der zeitlichen Reihenfolge nach erſt dem folgenden Zeitraum, ja beinahe der Gegenwart angehören.
1. Die Zelle als alleiniges Grundelement der Pflanzenſtruktur war zwar ſchon von Sprengel und Mirbel behauptet, aber nicht auf genaue Beobachtungen ge- ſtützt worden. Auch hatte ſchon Treviranus gezeigt, daß die Gefäße im Holz durch reihenweiſe Verbindung zellenähnlicher Schläuche entſtehen, ohne jedoch dieſe Wahnehmung auch ſpäter zu voller Klarheit durchzuführen. Andererſeits ſtand der An- nahme, daß die Pflanze ganz und gar aus Zellen beſtehe, noch lange die ſonderbare alte Anſicht entgegen, wonach die Spiral- faſer ein ſelbſtändiges Grundorgan der Pflanzenſtruktur ſein ſollte, eine Anſicht, die Meyen 1830 noch vertrat. Als der wahre Begründer des ſo höchſt wichtigen Satzes, daß nicht nur die faſerförmigen Elemente des Baſtes und Holzes, die man längſt als geſtreckte Zellen betrachtete, ſondern auch die Gefäße des Holzes aus Zellen entſtehen, iſt Mohl zu betrachten und wir dürfen in dieſer Beziehung großes Gewicht auf ſeine eigene Behauptung legen, er ſei der Erſte geweſen, welcher die Entſtehung der Gefäße aus Reihen geſchloſſener Zellen erkannt habe; dieſe Entdeckung fällt ſchon in das Jahr 1831, wo er in ſeiner Abhandlung über die Struktur des Palmenſtammes die entſcheidenden Beobachtungen, wenn auch kurz, doch deutlich be- ſchrieb. Er ſah damals die Scheidewände an den Einſchnürungen der Gefäße, deren Exiſtenz von faſt allen früheren Phytotomen geleugnet worden war: „Dieſe Scheidewände weichen, ſagt er von den übrigen Membranen der Pflanzen durchaus ab, indem ſie von einem Netz dicker Faſern, welche Oeffnungen zwiſchen ſich laſſen, gebildet ſind.“ Die Entwicklungsgeſchichte dieſer Ge- fäße ſtudirte er ſowohl an Palmen, wie an dikotylen Pflanzen:
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Zellhautgerüſtes der Pflanzen.
wicklungsgeſchichtlichen Unterſuchungen erſt im Zuſammenhang
mit den im folgenden Kapitel zu behandelnden Fragen in ihrer
hiſtoriſchen Bedeutung verſtehen laſſen. Doch beſchränke ich mich
dabei keineswegs auf Mohl's Leiſtungen vor 1845, obgleich
ich dadurch vielfach genöthigt bin, Arbeiten zu erwähnen, welche
der zeitlichen Reihenfolge nach erſt dem folgenden Zeitraum, ja
beinahe der Gegenwart angehören.
1. Die Zelle als alleiniges Grundelement der
Pflanzenſtruktur war zwar ſchon von Sprengel und
Mirbel behauptet, aber nicht auf genaue Beobachtungen ge-
ſtützt worden. Auch hatte ſchon Treviranus gezeigt, daß
die Gefäße im Holz durch reihenweiſe Verbindung zellenähnlicher
Schläuche entſtehen, ohne jedoch dieſe Wahnehmung auch ſpäter
zu voller Klarheit durchzuführen. Andererſeits ſtand der An-
nahme, daß die Pflanze ganz und gar aus Zellen beſtehe, noch
lange die ſonderbare alte Anſicht entgegen, wonach die Spiral-
faſer ein ſelbſtändiges Grundorgan der Pflanzenſtruktur ſein
ſollte, eine Anſicht, die Meyen 1830 noch vertrat. Als der
wahre Begründer des ſo höchſt wichtigen Satzes, daß nicht
nur die faſerförmigen Elemente des Baſtes und Holzes, die
man längſt als geſtreckte Zellen betrachtete, ſondern auch die
Gefäße des Holzes aus Zellen entſtehen, iſt Mohl zu betrachten
und wir dürfen in dieſer Beziehung großes Gewicht auf ſeine
eigene Behauptung legen, er ſei der Erſte geweſen, welcher die
Entſtehung der Gefäße aus Reihen geſchloſſener Zellen erkannt
habe; dieſe Entdeckung fällt ſchon in das Jahr 1831, wo er in
ſeiner Abhandlung über die Struktur des Palmenſtammes die
entſcheidenden Beobachtungen, wenn auch kurz, doch deutlich be-
ſchrieb. Er ſah damals die Scheidewände an den Einſchnürungen
der Gefäße, deren Exiſtenz von faſt allen früheren Phytotomen
geleugnet worden war: „Dieſe Scheidewände weichen, ſagt er
von den übrigen Membranen der Pflanzen durchaus ab, indem
ſie von einem Netz dicker Faſern, welche Oeffnungen zwiſchen
ſich laſſen, gebildet ſind.“ Die Entwicklungsgeſchichte dieſer Ge-
fäße ſtudirte er ſowohl an Palmen, wie an dikotylen Pflanzen:
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/335>, abgerufen am 21.11.2024.
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