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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
bleibt unentschieden. Es kam also darauf an, Pollen und Sa-
menknospe verschiedener Pflanzenformen zu vereinigen; hier mußte
sich zeigen, ob und welche Eigenschaften die Nachkommen durch
den Pollen, und welche durch die Samenknospe sie gewinnen;
vorausgesetzt natürlich, daß eine solche Vereinigung von verschie-
denen Pflanzenformen überhaupt möglich sei. Auch diese Fragen
konnten ausschließlich durch Experimente d. h. durch künstliche.
Bastardirung beantwortet werden; denn bevor man nicht auf
diese Weise hybride Formen wirklich erzeugt hatte, blieb es eine
ganz unsichere Hypothese, anzunehmen, daß gewisse wildwachsende
Pflanzenformen durch Bastardbefruchtung entstanden seien.

Die Frage, ob bei den Pflanzen Bastardbefruchtung möglich
sei, hatte schon Camerarius in seinem Briefe angeregt mit
dem Zusatz, ob dann ein veränderter Nachkomme entstehe (an
et quam mutatus inde prodeat foetus
). Nach Bradley's
Bericht hatte sogar schon vor 1719 ein Gärtner in London einen
Bastard von Dianthus caryophyllus und D. barbatus künstlich
erzielt. Der erste aber, der sich wissenschaftlich und eingehend
mit der Frage beschäftigte, war Koelreuter. 1) Er erkannte zuerst
die ganze Wichtigkeit derselben und bearbeitete sie mit einer be-
wunderungswürdigen, damals ganz unerhörten Ausdauer und

1) Joseph Gottlieb Koelreuter geb. zu Sulz am Neckar 1733,
starb 1806 in Carlsruhe, wo er Professor der Naturgeschichte und von
1768 bis 1786 auch Oberaufseher der botanischen und fürstlichen Hofgärten
war; diese letztere Stellung mußte er jedoch, der Widersetzlichkeit der Gärtner
weichend aufgeben, nachdem seine Beschützerin, die Markgräfin Caroline von
Baden gestorben war, worauf er seine Beobachtungen in seinem eigenen
kleinen Garten bis 1790 fortsetzte. Es ist wohl ein Mißverständniß, wenn
C. F. Gärtner (in seinem Werk über Bastardbefruchtung 1849 p. 5)
sagt, Koelreuter habe seitdem alchimistischen Versuchen obgelegen. -- Mehr
Biographisches über ihn zu erfahren ist mir trotz vielen Suchens nicht ge-
lungen, auch die biographie universelle anc. et mod. enthält nichts über
diesen hochverdienten Mann. Obige Angaben nach Gärtner I. c. und Flora
1839 p. 245. Daß Koelreuter vor 1766 auch in Petersburg war, geht
aus einer Notiz in der 3. Fortsetzung der "vorläuf. Nachricht" p. 151
hervor.

Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
bleibt unentſchieden. Es kam alſo darauf an, Pollen und Sa-
menknoſpe verſchiedener Pflanzenformen zu vereinigen; hier mußte
ſich zeigen, ob und welche Eigenſchaften die Nachkommen durch
den Pollen, und welche durch die Samenknoſpe ſie gewinnen;
vorausgeſetzt natürlich, daß eine ſolche Vereinigung von verſchie-
denen Pflanzenformen überhaupt möglich ſei. Auch dieſe Fragen
konnten ausſchließlich durch Experimente d. h. durch künſtliche.
Baſtardirung beantwortet werden; denn bevor man nicht auf
dieſe Weiſe hybride Formen wirklich erzeugt hatte, blieb es eine
ganz unſichere Hypotheſe, anzunehmen, daß gewiſſe wildwachſende
Pflanzenformen durch Baſtardbefruchtung entſtanden ſeien.

Die Frage, ob bei den Pflanzen Baſtardbefruchtung möglich
ſei, hatte ſchon Camerarius in ſeinem Briefe angeregt mit
dem Zuſatz, ob dann ein veränderter Nachkomme entſtehe (an
et quam mutatus inde prodeat foetus
). Nach Bradley's
Bericht hatte ſogar ſchon vor 1719 ein Gärtner in London einen
Baſtard von Dianthus caryophyllus und D. barbatus künſtlich
erzielt. Der erſte aber, der ſich wiſſenſchaftlich und eingehend
mit der Frage beſchäftigte, war Koelreuter. 1) Er erkannte zuerſt
die ganze Wichtigkeit derſelben und bearbeitete ſie mit einer be-
wunderungswürdigen, damals ganz unerhörten Ausdauer und

1) Joſeph Gottlieb Koelreuter geb. zu Sulz am Neckar 1733,
ſtarb 1806 in Carlsruhe, wo er Profeſſor der Naturgeſchichte und von
1768 bis 1786 auch Oberaufſeher der botaniſchen und fürſtlichen Hofgärten
war; dieſe letztere Stellung mußte er jedoch, der Widerſetzlichkeit der Gärtner
weichend aufgeben, nachdem ſeine Beſchützerin, die Markgräfin Caroline von
Baden geſtorben war, worauf er ſeine Beobachtungen in ſeinem eigenen
kleinen Garten bis 1790 fortſetzte. Es iſt wohl ein Mißverſtändniß, wenn
C. F. Gärtner (in ſeinem Werk über Baſtardbefruchtung 1849 p. 5)
ſagt, Koelreuter habe ſeitdem alchimiſtiſchen Verſuchen obgelegen. — Mehr
Biographiſches über ihn zu erfahren iſt mir trotz vielen Suchens nicht ge-
lungen, auch die biographie universelle anc. et mod. enthält nichts über
dieſen hochverdienten Mann. Obige Angaben nach Gärtner I. c. und Flora
1839 p. 245. Daß Koelreuter vor 1766 auch in Petersburg war, geht
aus einer Notiz in der 3. Fortſetzung der „vorläuf. Nachricht“ p. 151
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[439/0451] Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc. bleibt unentſchieden. Es kam alſo darauf an, Pollen und Sa- menknoſpe verſchiedener Pflanzenformen zu vereinigen; hier mußte ſich zeigen, ob und welche Eigenſchaften die Nachkommen durch den Pollen, und welche durch die Samenknoſpe ſie gewinnen; vorausgeſetzt natürlich, daß eine ſolche Vereinigung von verſchie- denen Pflanzenformen überhaupt möglich ſei. Auch dieſe Fragen konnten ausſchließlich durch Experimente d. h. durch künſtliche. Baſtardirung beantwortet werden; denn bevor man nicht auf dieſe Weiſe hybride Formen wirklich erzeugt hatte, blieb es eine ganz unſichere Hypotheſe, anzunehmen, daß gewiſſe wildwachſende Pflanzenformen durch Baſtardbefruchtung entſtanden ſeien. Die Frage, ob bei den Pflanzen Baſtardbefruchtung möglich ſei, hatte ſchon Camerarius in ſeinem Briefe angeregt mit dem Zuſatz, ob dann ein veränderter Nachkomme entſtehe (an et quam mutatus inde prodeat foetus). Nach Bradley's Bericht hatte ſogar ſchon vor 1719 ein Gärtner in London einen Baſtard von Dianthus caryophyllus und D. barbatus künſtlich erzielt. Der erſte aber, der ſich wiſſenſchaftlich und eingehend mit der Frage beſchäftigte, war Koelreuter. 1) Er erkannte zuerſt die ganze Wichtigkeit derſelben und bearbeitete ſie mit einer be- wunderungswürdigen, damals ganz unerhörten Ausdauer und 1) Joſeph Gottlieb Koelreuter geb. zu Sulz am Neckar 1733, ſtarb 1806 in Carlsruhe, wo er Profeſſor der Naturgeſchichte und von 1768 bis 1786 auch Oberaufſeher der botaniſchen und fürſtlichen Hofgärten war; dieſe letztere Stellung mußte er jedoch, der Widerſetzlichkeit der Gärtner weichend aufgeben, nachdem ſeine Beſchützerin, die Markgräfin Caroline von Baden geſtorben war, worauf er ſeine Beobachtungen in ſeinem eigenen kleinen Garten bis 1790 fortſetzte. Es iſt wohl ein Mißverſtändniß, wenn C. F. Gärtner (in ſeinem Werk über Baſtardbefruchtung 1849 p. 5) ſagt, Koelreuter habe ſeitdem alchimiſtiſchen Verſuchen obgelegen. — Mehr Biographiſches über ihn zu erfahren iſt mir trotz vielen Suchens nicht ge- lungen, auch die biographie universelle anc. et mod. enthält nichts über dieſen hochverdienten Mann. Obige Angaben nach Gärtner I. c. und Flora 1839 p. 245. Daß Koelreuter vor 1766 auch in Petersburg war, geht aus einer Notiz in der 3. Fortſetzung der „vorläuf. Nachricht“ p. 151 hervor.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/451>, abgerufen am 22.11.2024.