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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Sexualtheorie.
Robert Brown zeigte 1831 und 1833, daß die zu sogenannten
Pollinarien zusammengebackenen Pollenkörner der Orchideen und
Asclepiadeen ebenso wie die anderer Pflanzen Pollenschläuche
austrieben und daß man feine Röhrchen im Fruchtknoten be-
stäubter Orchideen vorfinde, deren Zusammenhang mit den
Pollenkörnern ihm jedoch zweifelhaft blieb, so daß er selbst zu
der Annahme sich geneigt fand, dieselben entstünden im Frucht-
knoten selbst, wenn auch in Folge der Bestäubung der Narbe.
Ganz anders war der Abweg, auf welchen Schleiden gerieth,
durch welchen jedoch die Frage, ähnlich wie gleichzeitig die
nach der Entstehung der Zellen in den Vordergrund der botanischen
Forschung gestellt wurde. 1837 publicirte Schleiden ausgezeich-
nete Untersuchungen über die Entstehung und Ausbildung der
Samenknospen vor der Befruchtung, ohne Zweifel die besten und
gründlichsten der damaligen Zeit. Zugleich beseitigte er die
Zweifel Brongniart's und Brown's und die Angaben
Amici's bestätigend, bewies er, daß die Pollenschläuche von
der Narbe aus überall bis in die Samenknospen durch die Mi-
kropyle derselben eindringen. Er ließ sie aber zu weit vor-
dringen; ganz positiv behauptete er: "der Pollenschlauch schiebt
die Membran des Embryosackes vor sich her, stülpt diesen in sich
selbst hinein und sein Ende liegt dann scheinbar im Embryosack.
Das Ende des Pollenschlauches im Embryosack schwillt kugelig
oder eiförmig an, und aus seinem Inhalt bildet sich Zellgewebe.
Es bildet die seitlichen Organe, Einen oder zwei Cotyledonen,
wobei aber die ursprüngliche Spitze als plumula mehr oder
weniger frei bleibt. Das Stück des Pollenschlauches unterhalb
des Embryo's und die dasselbe umschließende Duplikatur des
Embryosacks schnüren sich früher oder später ab und obliteriren
völlig, so daß nunmehr der Embryo wirklich im Embryosack
liegt." Wäre diese, anscheinend ganz auf Beobachtung beruhende
und durch entsprechende Abbildung erläuterte Ansicht richtig
gewesen, so hätte sie entsprechend der alten Evolutionstheorie
und mit auffallender Annäherung an die Ansichten Morlands
und Geoffroy's zwar der Nothwendigkeit der Bestäubung zur

Geſchichte der Sexualtheorie.
Robert Brown zeigte 1831 und 1833, daß die zu ſogenannten
Pollinarien zuſammengebackenen Pollenkörner der Orchideen und
Aſclepiadeen ebenſo wie die anderer Pflanzen Pollenſchläuche
austrieben und daß man feine Röhrchen im Fruchtknoten be-
ſtäubter Orchideen vorfinde, deren Zuſammenhang mit den
Pollenkörnern ihm jedoch zweifelhaft blieb, ſo daß er ſelbſt zu
der Annahme ſich geneigt fand, dieſelben entſtünden im Frucht-
knoten ſelbſt, wenn auch in Folge der Beſtäubung der Narbe.
Ganz anders war der Abweg, auf welchen Schleiden gerieth,
durch welchen jedoch die Frage, ähnlich wie gleichzeitig die
nach der Entſtehung der Zellen in den Vordergrund der botaniſchen
Forſchung geſtellt wurde. 1837 publicirte Schleiden ausgezeich-
nete Unterſuchungen über die Entſtehung und Ausbildung der
Samenknoſpen vor der Befruchtung, ohne Zweifel die beſten und
gründlichſten der damaligen Zeit. Zugleich beſeitigte er die
Zweifel Brongniart's und Brown's und die Angaben
Amici's beſtätigend, bewies er, daß die Pollenſchläuche von
der Narbe aus überall bis in die Samenknoſpen durch die Mi-
kropyle derſelben eindringen. Er ließ ſie aber zu weit vor-
dringen; ganz poſitiv behauptete er: „der Pollenſchlauch ſchiebt
die Membran des Embryoſackes vor ſich her, ſtülpt dieſen in ſich
ſelbſt hinein und ſein Ende liegt dann ſcheinbar im Embryoſack.
Das Ende des Pollenſchlauches im Embryoſack ſchwillt kugelig
oder eiförmig an, und aus ſeinem Inhalt bildet ſich Zellgewebe.
Es bildet die ſeitlichen Organe, Einen oder zwei Cotyledonen,
wobei aber die urſprüngliche Spitze als plumula mehr oder
weniger frei bleibt. Das Stück des Pollenſchlauches unterhalb
des Embryo's und die dasſelbe umſchließende Duplikatur des
Embryoſacks ſchnüren ſich früher oder ſpäter ab und obliteriren
völlig, ſo daß nunmehr der Embryo wirklich im Embryoſack
liegt.“ Wäre dieſe, anſcheinend ganz auf Beobachtung beruhende
und durch entſprechende Abbildung erläuterte Anſicht richtig
geweſen, ſo hätte ſie entſprechend der alten Evolutionstheorie
und mit auffallender Annäherung an die Anſichten Morlands
und Geoffroy's zwar der Nothwendigkeit der Beſtäubung zur

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[468/0480] Geſchichte der Sexualtheorie. Robert Brown zeigte 1831 und 1833, daß die zu ſogenannten Pollinarien zuſammengebackenen Pollenkörner der Orchideen und Aſclepiadeen ebenſo wie die anderer Pflanzen Pollenſchläuche austrieben und daß man feine Röhrchen im Fruchtknoten be- ſtäubter Orchideen vorfinde, deren Zuſammenhang mit den Pollenkörnern ihm jedoch zweifelhaft blieb, ſo daß er ſelbſt zu der Annahme ſich geneigt fand, dieſelben entſtünden im Frucht- knoten ſelbſt, wenn auch in Folge der Beſtäubung der Narbe. Ganz anders war der Abweg, auf welchen Schleiden gerieth, durch welchen jedoch die Frage, ähnlich wie gleichzeitig die nach der Entſtehung der Zellen in den Vordergrund der botaniſchen Forſchung geſtellt wurde. 1837 publicirte Schleiden ausgezeich- nete Unterſuchungen über die Entſtehung und Ausbildung der Samenknoſpen vor der Befruchtung, ohne Zweifel die beſten und gründlichſten der damaligen Zeit. Zugleich beſeitigte er die Zweifel Brongniart's und Brown's und die Angaben Amici's beſtätigend, bewies er, daß die Pollenſchläuche von der Narbe aus überall bis in die Samenknoſpen durch die Mi- kropyle derſelben eindringen. Er ließ ſie aber zu weit vor- dringen; ganz poſitiv behauptete er: „der Pollenſchlauch ſchiebt die Membran des Embryoſackes vor ſich her, ſtülpt dieſen in ſich ſelbſt hinein und ſein Ende liegt dann ſcheinbar im Embryoſack. Das Ende des Pollenſchlauches im Embryoſack ſchwillt kugelig oder eiförmig an, und aus ſeinem Inhalt bildet ſich Zellgewebe. Es bildet die ſeitlichen Organe, Einen oder zwei Cotyledonen, wobei aber die urſprüngliche Spitze als plumula mehr oder weniger frei bleibt. Das Stück des Pollenſchlauches unterhalb des Embryo's und die dasſelbe umſchließende Duplikatur des Embryoſacks ſchnüren ſich früher oder ſpäter ab und obliteriren völlig, ſo daß nunmehr der Embryo wirklich im Embryoſack liegt.“ Wäre dieſe, anſcheinend ganz auf Beobachtung beruhende und durch entſprechende Abbildung erläuterte Anſicht richtig geweſen, ſo hätte ſie entſprechend der alten Evolutionstheorie und mit auffallender Annäherung an die Anſichten Morlands und Geoffroy's zwar der Nothwendigkeit der Beſtäubung zur

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/480>, abgerufen am 22.11.2024.