Caesalpin die Unterabtheilungen nach den Fruchtorganen ab- leitete.
Ich muß es mir versagen, auf manche anziehende Punkte von Caesalpin's weiterer Darlegung einzugehen: das Eine will ich jedoch hervorheben, daß seiner Meinung nach bei den Pflanzen das Höchste, was sie erzeugen, die Fructification ist, bei den Thieren die Sinne und die Bewegung, bei den Menschen aber die Intelligenz. Da diese letztere besonderer körperlicher In- strumente jedoch nicht bedürfe, so finde sich keine specifische Ver- schiedenheit der Menschen, es giebt also, nach Caesalpin, nur eine Species Mensch.
Im 14. Capitel giebt er nun in großen Zügen ein über- sichtliches Bild seines Pflanzensystems nach den Fructifikations- merkmalen, wobei er mit den unvollkommensten beginnt; für den, der die betreffende Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts kennt, wird es nichts Ueberraschendes haben, zu finden, daß Caes- alpin bei den niederen Pflanzen eine generatio spontanea in krasser Form zuläßt; das gehörte zur aristotelischen Lehre und hundert Jahre später suchte sogar Mariotte die generatio spontanea auch bei den hochentwickelten Pflanzen aus physica- lischen Gründen plausibel zu machen.
"Manche Pflanzen, sagt Caesalpin, haben überhaupt keinen Samen, da sie die unvollkommensten sind und nur durch Fäul- niß entstehen; daher brauchen sie sich auch nur zu ernähren und zu wachsen; ihres Gleichen zu erzeugen, vermögen sie nicht; sie sind gewissermaßen Mitteldinge zwischen Pflanzen und der un- belebten Natur. In derselben Weise wie die Zoophyten Mittel- dinge zwischen Thier und Pflanze sind, wie das Geschlecht der Pilze; dahin gehören nun die Wasserlinsen, die Flechten und und viele im Meer wachsende Sträucher."
Manche aber sieht man Samen abwerfen, sie bilden ihn aber ihrer eigenthümlichen Natur gemäß unvollkommen aus, ähnlich wie unter den Thieren das Maulthier; sie verhalten sich nämlich wie bloße Mißbildungen oder Krankheiten anderer Pflanzen so z. B. viele in der Gattung des Getreides, welche leere Aehren
Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur.
Caeſalpin die Unterabtheilungen nach den Fruchtorganen ab- leitete.
Ich muß es mir verſagen, auf manche anziehende Punkte von Caeſalpin's weiterer Darlegung einzugehen: das Eine will ich jedoch hervorheben, daß ſeiner Meinung nach bei den Pflanzen das Höchſte, was ſie erzeugen, die Fructification iſt, bei den Thieren die Sinne und die Bewegung, bei den Menſchen aber die Intelligenz. Da dieſe letztere beſonderer körperlicher In- ſtrumente jedoch nicht bedürfe, ſo finde ſich keine ſpecifiſche Ver- ſchiedenheit der Menſchen, es giebt alſo, nach Caeſalpin, nur eine Species Menſch.
Im 14. Capitel giebt er nun in großen Zügen ein über- ſichtliches Bild ſeines Pflanzenſyſtems nach den Fructifikations- merkmalen, wobei er mit den unvollkommenſten beginnt; für den, der die betreffende Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts kennt, wird es nichts Ueberraſchendes haben, zu finden, daß Caeſ- alpin bei den niederen Pflanzen eine generatio spontanea in kraſſer Form zuläßt; das gehörte zur ariſtoteliſchen Lehre und hundert Jahre ſpäter ſuchte ſogar Mariotte die generatio spontanea auch bei den hochentwickelten Pflanzen aus phyſica- liſchen Gründen plauſibel zu machen.
„Manche Pflanzen, ſagt Caeſalpin, haben überhaupt keinen Samen, da ſie die unvollkommenſten ſind und nur durch Fäul- niß entſtehen; daher brauchen ſie ſich auch nur zu ernähren und zu wachſen; ihres Gleichen zu erzeugen, vermögen ſie nicht; ſie ſind gewiſſermaßen Mitteldinge zwiſchen Pflanzen und der un- belebten Natur. In derſelben Weiſe wie die Zoophyten Mittel- dinge zwiſchen Thier und Pflanze ſind, wie das Geſchlecht der Pilze; dahin gehören nun die Waſſerlinſen, die Flechten und und viele im Meer wachſende Sträucher.“
Manche aber ſieht man Samen abwerfen, ſie bilden ihn aber ihrer eigenthümlichen Natur gemäß unvollkommen aus, ähnlich wie unter den Thieren das Maulthier; ſie verhalten ſich nämlich wie bloße Mißbildungen oder Krankheiten anderer Pflanzen ſo z. B. viele in der Gattung des Getreides, welche leere Aehren
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Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur.
Caeſalpin die Unterabtheilungen nach den Fruchtorganen ab-
leitete.
Ich muß es mir verſagen, auf manche anziehende Punkte
von Caeſalpin's weiterer Darlegung einzugehen: das Eine
will ich jedoch hervorheben, daß ſeiner Meinung nach bei den
Pflanzen das Höchſte, was ſie erzeugen, die Fructification iſt,
bei den Thieren die Sinne und die Bewegung, bei den Menſchen
aber die Intelligenz. Da dieſe letztere beſonderer körperlicher In-
ſtrumente jedoch nicht bedürfe, ſo finde ſich keine ſpecifiſche Ver-
ſchiedenheit der Menſchen, es giebt alſo, nach Caeſalpin, nur
eine Species Menſch.
Im 14. Capitel giebt er nun in großen Zügen ein über-
ſichtliches Bild ſeines Pflanzenſyſtems nach den Fructifikations-
merkmalen, wobei er mit den unvollkommenſten beginnt; für
den, der die betreffende Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts
kennt, wird es nichts Ueberraſchendes haben, zu finden, daß Caeſ-
alpin bei den niederen Pflanzen eine generatio spontanea
in kraſſer Form zuläßt; das gehörte zur ariſtoteliſchen Lehre und
hundert Jahre ſpäter ſuchte ſogar Mariotte die generatio
spontanea auch bei den hochentwickelten Pflanzen aus phyſica-
liſchen Gründen plauſibel zu machen.
„Manche Pflanzen, ſagt Caeſalpin, haben überhaupt keinen
Samen, da ſie die unvollkommenſten ſind und nur durch Fäul-
niß entſtehen; daher brauchen ſie ſich auch nur zu ernähren und
zu wachſen; ihres Gleichen zu erzeugen, vermögen ſie nicht; ſie
ſind gewiſſermaßen Mitteldinge zwiſchen Pflanzen und der un-
belebten Natur. In derſelben Weiſe wie die Zoophyten Mittel-
dinge zwiſchen Thier und Pflanze ſind, wie das Geſchlecht der
Pilze; dahin gehören nun die Waſſerlinſen, die Flechten und
und viele im Meer wachſende Sträucher.“
Manche aber ſieht man Samen abwerfen, ſie bilden ihn
aber ihrer eigenthümlichen Natur gemäß unvollkommen aus,
ähnlich wie unter den Thieren das Maulthier; ſie verhalten ſich
nämlich wie bloße Mißbildungen oder Krankheiten anderer Pflanzen
ſo z. B. viele in der Gattung des Getreides, welche leere Aehren
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/70>, abgerufen am 23.11.2024.
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