Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.Dritter Abschnitt. Wem meine Prosa zu matt ist, der lese die Selbstmord. Ha! wie Nacht, und Graus den Felsen umhüllt, Und die Trümmer und das Gesträuch der Sturm Heulend durchstürmt, und am Fuse des Würgaltars Deine verbluteten Opfer liegen! Was that die Menschheit dir, Tyrann! Daß du dir zum Opfer sie schlachtest? Mit Inngrimm und unersättlich Greifst du unter das Menschengeschlecht, Und unaufhaltbar würget dein Arm, Und herabschallt Hohnlache -- und Wutschaum Triefet auf die geraubte Beut': Und den Satansblick weidet die Mordlust. Des "Lebens" sanftesten, stärksten Trieb,
Den in das werdende Menschenherz, Da Er's formte, der Allliebende Mit liebender, sanfter Hand Pflanzte -- und sorgsam pflegte darinn, Den erstickest, den zertilgst du. All',
Dritter Abſchnitt. Wem meine Proſa zu matt iſt, der leſe die Selbſtmord. Ha! wie Nacht, und Graus den Felſen umhüllt, Und die Trümmer und das Geſträuch der Sturm Heulend durchſtürmt, und am Fuſe des Würgaltars Deine verbluteten Opfer liegen! Was that die Menſchheit dir, Tyrann! Daß du dir zum Opfer ſie ſchlachteſt? Mit Inngrimm und unerſättlich Greifſt du unter das Menſchengeſchlecht, Und unaufhaltbar würget dein Arm, Und herabſchallt Hohnlache — und Wutſchaum Triefet auf die geraubte Beut’: Und den Satansblick weidet die Mordluſt. Des „Lebens“ ſanfteſten, ſtärkſten Trieb,
Den in das werdende Menſchenherz, Da Er’s formte, der Allliebende Mit liebender, ſanfter Hand Pflanzte — und ſorgſam pflegte darinn, Den erſtickeſt, den zertilgſt du. All’,
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Dritter Abſchnitt.
Wem meine Proſa zu matt iſt, der leſe die
freye Poeſie uͤber den
Selbſtmord.
Ha! wie Nacht, und Graus den Felſen umhüllt,
Und die Trümmer und das Geſträuch der Sturm
Heulend durchſtürmt, und am Fuſe des Würgaltars
Deine verbluteten Opfer liegen!
Was that die Menſchheit dir, Tyrann!
Daß du dir zum Opfer ſie ſchlachteſt?
Mit Inngrimm und unerſättlich
Greifſt du unter das Menſchengeſchlecht,
Und unaufhaltbar würget dein Arm,
Und herabſchallt Hohnlache — und Wutſchaum
Triefet auf die geraubte Beut’:
Und den Satansblick weidet die Mordluſt.
Des „Lebens“ ſanfteſten, ſtärkſten Trieb,
Den in das werdende Menſchenherz,
Da Er’s formte, der Allliebende
Mit liebender, ſanfter Hand
Pflanzte — und ſorgſam pflegte darinn,
Den erſtickeſt, den zertilgſt du.
All’,
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