Man kann mit dem elektrischen Telegraphen nicht blos eine Bot- schaft in der einen Richtung senden, sondern auch zwei gleichzeitige Nachrichten in entgegengesetzten Richtungen -- man nennt dies das Gegensprechen -- oder auch zwei Depeschen zur selben Zeit in der- selben Richtung bei dem sogenannten Doppelsprechen. Nun wird man weitergehend auch gleichzeitig zwei Botschaften nach der einen und zwei nach der anderen Richtung schicken können und erreicht so ein vierfaches Telegraphieren. Aber die Einrichtungen hierfür sind verwickelt, und es ist mit ihnen noch nicht viel Zeit erspart worden. Um dies zu erreichen, hat man vielmehr sich anderen Apparaten zugewendet. Da ist zunächst in Anlage, Leistungsfähigkeit und Anpassung an die gestellte Aufgabe unerreicht Wheatstones Selbstschreiber. Bei ihm benutzte man Morses Alphabet und ersetzte durch einen Mechanismus die Arbeit der Hand. Selbst beim vierfachen Sprechen lassen sich nur 20 bis 30 Worte innerhalb einer Minute durch denselben Draht senden, aber durch den Selbstschreiber kann man dieses Maximum fast ins Grenzenlose erhöhen und in der Minute unter günstigen Verhältnissen bis 600 Wörter be- fördern, sodaß in England, als dieses System sich einbürgerte, die Zahl der Depeschen in drei bis vier Jahren um 230 Prozent zunahm, während die Zahl der Drähte sich blos verdoppelte. Man präpariert dabei die aufzugebenden Nachrichten erst durch einen Mechanismus. Anstatt sie gleich mit der Hand abzusenden, stanzt man sie in Papier und sie sehen dann aus wie die Karten für die Jaquardmaschinen (vgl. Weberei). Dieses Papier wird nun durch einen Aufgabe-Apparat hindurchgeführt, so schnell, daß die Geschwindigkeit die zwanzigfache des schnellsten Telegraphisten ist. Der Apparat wird namentlich in der vom Engländer Stroh vorgenommenen Verbesserung zur Übermittelung von langen Preßtelegrammen gebraucht. Einige Beamte stanzen in der Zentralstation mehrere Papiere zugleich, welche in die Aufgabe-Apparate gelangen und in demselben Augenblicke kann man die Nachricht in die verschiedensten Himmelsgegenden hinaussenden, jeder Streifen geht durch seinen besonderen Apparat, alle sind sie gleich, alle geben sie an die Endstationen die gleiche Botschaft ab, so daß durch dieses Verfahren wer weiß wie viele Schreiber zugleich an vielen Stationen Beschäftigung erhalten. Denselben Zweck sucht man jetzt in Frankreich für den Ver- kehr zwischen Paris und den Hauptbörsenplätzen durch ein anderes System, nämlich den Multiplexapparat von Meyer und Baudot zu erreichen. Eine Zeiteinheit, etwa eine Fünftelsekunde, wird in vier oder mehr Abschnitte zerlegt und jeder Abschnitt einem paar Telegraphisten an den beiden Enden einer Leitung zugeteilt, einem Absender und einem Empfänger. In jedem Zeitabschnitte läßt sich ein Buchstabe ab- senden, so daß zur selben Zeit vier Nachrichten in der Übertragung begriffen sein können. Man erhält so mit Typendruckapparaten einen Gewinn an Zeit, aber der verwendete Apparat ist sehr verwickelt und delikat.
Die heutige Telegraphie.
Man kann mit dem elektriſchen Telegraphen nicht blos eine Bot- ſchaft in der einen Richtung ſenden, ſondern auch zwei gleichzeitige Nachrichten in entgegengeſetzten Richtungen — man nennt dies das Gegenſprechen — oder auch zwei Depeſchen zur ſelben Zeit in der- ſelben Richtung bei dem ſogenannten Doppelſprechen. Nun wird man weitergehend auch gleichzeitig zwei Botſchaften nach der einen und zwei nach der anderen Richtung ſchicken können und erreicht ſo ein vierfaches Telegraphieren. Aber die Einrichtungen hierfür ſind verwickelt, und es iſt mit ihnen noch nicht viel Zeit erſpart worden. Um dies zu erreichen, hat man vielmehr ſich anderen Apparaten zugewendet. Da iſt zunächſt in Anlage, Leiſtungsfähigkeit und Anpaſſung an die geſtellte Aufgabe unerreicht Wheatſtones Selbſtſchreiber. Bei ihm benutzte man Morſes Alphabet und erſetzte durch einen Mechanismus die Arbeit der Hand. Selbſt beim vierfachen Sprechen laſſen ſich nur 20 bis 30 Worte innerhalb einer Minute durch denſelben Draht ſenden, aber durch den Selbſtſchreiber kann man dieſes Maximum faſt ins Grenzenloſe erhöhen und in der Minute unter günſtigen Verhältniſſen bis 600 Wörter be- fördern, ſodaß in England, als dieſes Syſtem ſich einbürgerte, die Zahl der Depeſchen in drei bis vier Jahren um 230 Prozent zunahm, während die Zahl der Drähte ſich blos verdoppelte. Man präpariert dabei die aufzugebenden Nachrichten erſt durch einen Mechanismus. Anſtatt ſie gleich mit der Hand abzuſenden, ſtanzt man ſie in Papier und ſie ſehen dann aus wie die Karten für die Jaquardmaſchinen (vgl. Weberei). Dieſes Papier wird nun durch einen Aufgabe-Apparat hindurchgeführt, ſo ſchnell, daß die Geſchwindigkeit die zwanzigfache des ſchnellſten Telegraphiſten iſt. Der Apparat wird namentlich in der vom Engländer Stroh vorgenommenen Verbeſſerung zur Übermittelung von langen Preßtelegrammen gebraucht. Einige Beamte ſtanzen in der Zentralſtation mehrere Papiere zugleich, welche in die Aufgabe-Apparate gelangen und in demſelben Augenblicke kann man die Nachricht in die verſchiedenſten Himmelsgegenden hinausſenden, jeder Streifen geht durch ſeinen beſonderen Apparat, alle ſind ſie gleich, alle geben ſie an die Endſtationen die gleiche Botſchaft ab, ſo daß durch dieſes Verfahren wer weiß wie viele Schreiber zugleich an vielen Stationen Beſchäftigung erhalten. Denſelben Zweck ſucht man jetzt in Frankreich für den Ver- kehr zwiſchen Paris und den Hauptbörſenplätzen durch ein anderes Syſtem, nämlich den Multiplexapparat von Meyer und Baudot zu erreichen. Eine Zeiteinheit, etwa eine Fünftelſekunde, wird in vier oder mehr Abſchnitte zerlegt und jeder Abſchnitt einem paar Telegraphiſten an den beiden Enden einer Leitung zugeteilt, einem Abſender und einem Empfänger. In jedem Zeitabſchnitte läßt ſich ein Buchſtabe ab- ſenden, ſo daß zur ſelben Zeit vier Nachrichten in der Übertragung begriffen ſein können. Man erhält ſo mit Typendruckapparaten einen Gewinn an Zeit, aber der verwendete Apparat iſt ſehr verwickelt und delikat.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0269"n="251"/><fwplace="top"type="header">Die heutige Telegraphie.</fw><lb/><p>Man kann mit dem elektriſchen Telegraphen nicht blos eine Bot-<lb/>ſchaft in der einen Richtung ſenden, ſondern auch zwei gleichzeitige<lb/>
Nachrichten in entgegengeſetzten Richtungen — man nennt dies das<lb/>
Gegenſprechen — oder auch zwei Depeſchen zur ſelben Zeit in der-<lb/>ſelben Richtung bei dem ſogenannten Doppelſprechen. Nun wird man<lb/>
weitergehend auch gleichzeitig zwei Botſchaften nach der einen und zwei<lb/>
nach der anderen Richtung ſchicken können und erreicht ſo ein vierfaches<lb/>
Telegraphieren. Aber die Einrichtungen hierfür ſind verwickelt, und es iſt<lb/>
mit ihnen noch nicht viel Zeit erſpart worden. Um dies zu erreichen,<lb/>
hat man vielmehr ſich anderen Apparaten zugewendet. Da iſt zunächſt<lb/>
in Anlage, Leiſtungsfähigkeit und Anpaſſung an die geſtellte Aufgabe<lb/>
unerreicht Wheatſtones Selbſtſchreiber. Bei ihm benutzte man Morſes<lb/>
Alphabet und erſetzte durch einen Mechanismus die Arbeit der Hand.<lb/>
Selbſt beim vierfachen Sprechen laſſen ſich nur 20 bis 30 Worte<lb/>
innerhalb einer Minute durch denſelben Draht ſenden, aber durch den<lb/>
Selbſtſchreiber kann man dieſes Maximum faſt ins Grenzenloſe erhöhen<lb/>
und in der Minute unter günſtigen Verhältniſſen bis 600 Wörter be-<lb/>
fördern, ſodaß in England, als dieſes Syſtem ſich einbürgerte, die Zahl<lb/>
der Depeſchen in drei bis vier Jahren um 230 Prozent zunahm,<lb/>
während die Zahl der Drähte ſich blos verdoppelte. Man präpariert<lb/>
dabei die aufzugebenden Nachrichten erſt durch einen Mechanismus.<lb/>
Anſtatt ſie gleich mit der Hand abzuſenden, ſtanzt man ſie in Papier<lb/>
und ſie ſehen dann aus wie die Karten für die Jaquardmaſchinen<lb/>
(vgl. Weberei). Dieſes Papier wird nun durch einen Aufgabe-Apparat<lb/>
hindurchgeführt, ſo ſchnell, daß die Geſchwindigkeit die zwanzigfache des<lb/>ſchnellſten Telegraphiſten iſt. Der Apparat wird namentlich in der vom<lb/>
Engländer Stroh vorgenommenen Verbeſſerung zur Übermittelung von<lb/>
langen Preßtelegrammen gebraucht. Einige Beamte ſtanzen in der<lb/>
Zentralſtation mehrere Papiere zugleich, welche in die Aufgabe-Apparate<lb/>
gelangen und in demſelben Augenblicke kann man die Nachricht in die<lb/>
verſchiedenſten Himmelsgegenden hinausſenden, jeder Streifen geht durch<lb/>ſeinen beſonderen Apparat, alle ſind ſie gleich, alle geben ſie an die<lb/>
Endſtationen die gleiche Botſchaft ab, ſo daß durch dieſes Verfahren<lb/>
wer weiß wie viele Schreiber zugleich an vielen Stationen Beſchäftigung<lb/>
erhalten. Denſelben Zweck ſucht man jetzt in Frankreich für den Ver-<lb/>
kehr zwiſchen Paris und den Hauptbörſenplätzen durch ein anderes<lb/>
Syſtem, nämlich den Multiplexapparat von Meyer und Baudot zu<lb/>
erreichen. Eine Zeiteinheit, etwa eine Fünftelſekunde, wird in vier oder<lb/>
mehr Abſchnitte zerlegt und jeder Abſchnitt einem paar Telegraphiſten<lb/>
an den beiden Enden einer Leitung zugeteilt, einem Abſender und einem<lb/>
Empfänger. In jedem Zeitabſchnitte läßt ſich ein Buchſtabe ab-<lb/>ſenden, ſo daß zur ſelben Zeit vier Nachrichten in der Übertragung<lb/>
begriffen ſein können. Man erhält ſo mit Typendruckapparaten einen<lb/>
Gewinn an Zeit, aber der verwendete Apparat iſt ſehr verwickelt<lb/>
und delikat.</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[251/0269]
Die heutige Telegraphie.
Man kann mit dem elektriſchen Telegraphen nicht blos eine Bot-
ſchaft in der einen Richtung ſenden, ſondern auch zwei gleichzeitige
Nachrichten in entgegengeſetzten Richtungen — man nennt dies das
Gegenſprechen — oder auch zwei Depeſchen zur ſelben Zeit in der-
ſelben Richtung bei dem ſogenannten Doppelſprechen. Nun wird man
weitergehend auch gleichzeitig zwei Botſchaften nach der einen und zwei
nach der anderen Richtung ſchicken können und erreicht ſo ein vierfaches
Telegraphieren. Aber die Einrichtungen hierfür ſind verwickelt, und es iſt
mit ihnen noch nicht viel Zeit erſpart worden. Um dies zu erreichen,
hat man vielmehr ſich anderen Apparaten zugewendet. Da iſt zunächſt
in Anlage, Leiſtungsfähigkeit und Anpaſſung an die geſtellte Aufgabe
unerreicht Wheatſtones Selbſtſchreiber. Bei ihm benutzte man Morſes
Alphabet und erſetzte durch einen Mechanismus die Arbeit der Hand.
Selbſt beim vierfachen Sprechen laſſen ſich nur 20 bis 30 Worte
innerhalb einer Minute durch denſelben Draht ſenden, aber durch den
Selbſtſchreiber kann man dieſes Maximum faſt ins Grenzenloſe erhöhen
und in der Minute unter günſtigen Verhältniſſen bis 600 Wörter be-
fördern, ſodaß in England, als dieſes Syſtem ſich einbürgerte, die Zahl
der Depeſchen in drei bis vier Jahren um 230 Prozent zunahm,
während die Zahl der Drähte ſich blos verdoppelte. Man präpariert
dabei die aufzugebenden Nachrichten erſt durch einen Mechanismus.
Anſtatt ſie gleich mit der Hand abzuſenden, ſtanzt man ſie in Papier
und ſie ſehen dann aus wie die Karten für die Jaquardmaſchinen
(vgl. Weberei). Dieſes Papier wird nun durch einen Aufgabe-Apparat
hindurchgeführt, ſo ſchnell, daß die Geſchwindigkeit die zwanzigfache des
ſchnellſten Telegraphiſten iſt. Der Apparat wird namentlich in der vom
Engländer Stroh vorgenommenen Verbeſſerung zur Übermittelung von
langen Preßtelegrammen gebraucht. Einige Beamte ſtanzen in der
Zentralſtation mehrere Papiere zugleich, welche in die Aufgabe-Apparate
gelangen und in demſelben Augenblicke kann man die Nachricht in die
verſchiedenſten Himmelsgegenden hinausſenden, jeder Streifen geht durch
ſeinen beſonderen Apparat, alle ſind ſie gleich, alle geben ſie an die
Endſtationen die gleiche Botſchaft ab, ſo daß durch dieſes Verfahren
wer weiß wie viele Schreiber zugleich an vielen Stationen Beſchäftigung
erhalten. Denſelben Zweck ſucht man jetzt in Frankreich für den Ver-
kehr zwiſchen Paris und den Hauptbörſenplätzen durch ein anderes
Syſtem, nämlich den Multiplexapparat von Meyer und Baudot zu
erreichen. Eine Zeiteinheit, etwa eine Fünftelſekunde, wird in vier oder
mehr Abſchnitte zerlegt und jeder Abſchnitt einem paar Telegraphiſten
an den beiden Enden einer Leitung zugeteilt, einem Abſender und einem
Empfänger. In jedem Zeitabſchnitte läßt ſich ein Buchſtabe ab-
ſenden, ſo daß zur ſelben Zeit vier Nachrichten in der Übertragung
begriffen ſein können. Man erhält ſo mit Typendruckapparaten einen
Gewinn an Zeit, aber der verwendete Apparat iſt ſehr verwickelt
und delikat.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/269>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.