Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.Die heutige Telegraphie. hergestellt, aber der atlantische Ozean wehrte sich beharrlich die ihmanvertrauten Kabel in Schutz zu nehmen. 1858 war bereits die Ver- legung einer Leitung gelungen, aber sie hielt kaum einen Monat stand, so hatte das Seewasser seine ländertrennende Kraft behauptet. Die Ursachen des Mißerfolges zu studieren, setzte die englische Regierung einen Ausschuß nieder, dem Wheatstone und die Gebrüder Siemens an- gehörten. Die Störungen wurden hauptsächlich durch einen mangel- haften Kabelbau entschuldigt, und für die Ausführung eines guten Kabels ward eine Gesellschaft gewonnen, die 1865 das größte Schiff der Welt, den Great Eastern, über den Ozean sandte. Es zeigte sich, daß die Einrichtungen noch mangelhaft waren, da das Kabel riß und das Schiff unverrichteter Sache umkehren mußte. Im nächsten Jahre gelang es schließlich, die erste Verbindung zwischen dem Inselchen Valentia und der Bank von Neufundland, zwischen der alten und neuen Welt herzustellen. Die Arbeit ist nicht zu unterschätzen. Das Kabel war 17 Millimeter, an seinen Enden gar 56 Millimeter dick und das Gewicht betrug über 1500 Tonnen. Dabei waren die Einrichtungen des Schiffes keinesweges der schwierigen Aufgabe angepaßt, die es über- nommen hatte. Heute giebt es nicht weniger als 27 Kabelschiffe, welche mit nichts anderem, als dem Legen und Ausbessern unterseeischer Leitungen befaßt sind. Sie sind mit einer riesigen Trommel zum Auf- wickeln des Kabels und mit einem besonderen Versenkungsapparat ver- sehen und führen jetzt ihre Arbeiten mit einer ganz anderen Gewandt- heit aus, als der Great Eastern. Die Zahl der großen Ozeankabel ist jetzt für die Verbindung der alten und neuen Welt allein auf zwölf gestiegen, von denen acht England mit Nordamerika verketten. Selbst der stille bisher von keiner telegraphischen Nachricht durchquerte Ozean erhält jetzt eine Kabellinie von Kalifornien nach den Sandwichinseln. Nur die neuesten sind in den Händen der Regierungen, die allermeisten Linien sind das Eigentum besonderer Kabelgesellschaften. Ihre gesamte Länge ist fünfmal so groß als der Erdumfang. Die Gesamtlänge aller zur Zeit auf der Erde verlegten Telegraphenleitungen aber ist mit 3200000 Kilometern mehr als achtmal so groß, wie die Entfernung der Erde vom Monde. Ihr Gesamtwert beträgt fünf Viertelmilliarden Mark, wovon die unterseeischen Kabel zwei Drittel repräsentieren. So sind in den letzten 25 Jahren etwa zwei Milliarden in Telegraphen- anlagen festgelegt worden, um dem gesteigerten Verkehr zu dienen und damit den Wohlstand der Nationen zu heben. Auch die Aufgabe hat man sich vielfach gestellt, Bilder und Hand- Die heutige Telegraphie. hergeſtellt, aber der atlantiſche Ozean wehrte ſich beharrlich die ihmanvertrauten Kabel in Schutz zu nehmen. 1858 war bereits die Ver- legung einer Leitung gelungen, aber ſie hielt kaum einen Monat ſtand, ſo hatte das Seewaſſer ſeine ländertrennende Kraft behauptet. Die Urſachen des Mißerfolges zu ſtudieren, ſetzte die engliſche Regierung einen Ausſchuß nieder, dem Wheatſtone und die Gebrüder Siemens an- gehörten. Die Störungen wurden hauptſächlich durch einen mangel- haften Kabelbau entſchuldigt, und für die Ausführung eines guten Kabels ward eine Geſellſchaft gewonnen, die 1865 das größte Schiff der Welt, den Great Eaſtern, über den Ozean ſandte. Es zeigte ſich, daß die Einrichtungen noch mangelhaft waren, da das Kabel riß und das Schiff unverrichteter Sache umkehren mußte. Im nächſten Jahre gelang es ſchließlich, die erſte Verbindung zwiſchen dem Inſelchen Valentia und der Bank von Neufundland, zwiſchen der alten und neuen Welt herzuſtellen. Die Arbeit iſt nicht zu unterſchätzen. Das Kabel war 17 Millimeter, an ſeinen Enden gar 56 Millimeter dick und das Gewicht betrug über 1500 Tonnen. Dabei waren die Einrichtungen des Schiffes keinesweges der ſchwierigen Aufgabe angepaßt, die es über- nommen hatte. Heute giebt es nicht weniger als 27 Kabelſchiffe, welche mit nichts anderem, als dem Legen und Ausbeſſern unterſeeiſcher Leitungen befaßt ſind. Sie ſind mit einer rieſigen Trommel zum Auf- wickeln des Kabels und mit einem beſonderen Verſenkungsapparat ver- ſehen und führen jetzt ihre Arbeiten mit einer ganz anderen Gewandt- heit aus, als der Great Eaſtern. Die Zahl der großen Ozeankabel iſt jetzt für die Verbindung der alten und neuen Welt allein auf zwölf geſtiegen, von denen acht England mit Nordamerika verketten. Selbſt der ſtille bisher von keiner telegraphiſchen Nachricht durchquerte Ozean erhält jetzt eine Kabellinie von Kalifornien nach den Sandwichinſeln. Nur die neueſten ſind in den Händen der Regierungen, die allermeiſten Linien ſind das Eigentum beſonderer Kabelgeſellſchaften. Ihre geſamte Länge iſt fünfmal ſo groß als der Erdumfang. Die Geſamtlänge aller zur Zeit auf der Erde verlegten Telegraphenleitungen aber iſt mit 3200000 Kilometern mehr als achtmal ſo groß, wie die Entfernung der Erde vom Monde. Ihr Geſamtwert beträgt fünf Viertelmilliarden Mark, wovon die unterſeeiſchen Kabel zwei Drittel repräſentieren. So ſind in den letzten 25 Jahren etwa zwei Milliarden in Telegraphen- anlagen feſtgelegt worden, um dem geſteigerten Verkehr zu dienen und damit den Wohlſtand der Nationen zu heben. 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Die heutige Telegraphie.
hergeſtellt, aber der atlantiſche Ozean wehrte ſich beharrlich die ihm
anvertrauten Kabel in Schutz zu nehmen. 1858 war bereits die Ver-
legung einer Leitung gelungen, aber ſie hielt kaum einen Monat
ſtand, ſo hatte das Seewaſſer ſeine ländertrennende Kraft behauptet.
Die Urſachen des Mißerfolges zu ſtudieren, ſetzte die engliſche Regierung
einen Ausſchuß nieder, dem Wheatſtone und die Gebrüder Siemens an-
gehörten. Die Störungen wurden hauptſächlich durch einen mangel-
haften Kabelbau entſchuldigt, und für die Ausführung eines guten
Kabels ward eine Geſellſchaft gewonnen, die 1865 das größte Schiff
der Welt, den Great Eaſtern, über den Ozean ſandte. Es zeigte ſich,
daß die Einrichtungen noch mangelhaft waren, da das Kabel riß und
das Schiff unverrichteter Sache umkehren mußte. Im nächſten Jahre
gelang es ſchließlich, die erſte Verbindung zwiſchen dem Inſelchen
Valentia und der Bank von Neufundland, zwiſchen der alten und neuen
Welt herzuſtellen. Die Arbeit iſt nicht zu unterſchätzen. Das Kabel
war 17 Millimeter, an ſeinen Enden gar 56 Millimeter dick und das
Gewicht betrug über 1500 Tonnen. Dabei waren die Einrichtungen
des Schiffes keinesweges der ſchwierigen Aufgabe angepaßt, die es über-
nommen hatte. Heute giebt es nicht weniger als 27 Kabelſchiffe, welche
mit nichts anderem, als dem Legen und Ausbeſſern unterſeeiſcher
Leitungen befaßt ſind. Sie ſind mit einer rieſigen Trommel zum Auf-
wickeln des Kabels und mit einem beſonderen Verſenkungsapparat ver-
ſehen und führen jetzt ihre Arbeiten mit einer ganz anderen Gewandt-
heit aus, als der Great Eaſtern. Die Zahl der großen Ozeankabel iſt
jetzt für die Verbindung der alten und neuen Welt allein auf zwölf
geſtiegen, von denen acht England mit Nordamerika verketten. Selbſt
der ſtille bisher von keiner telegraphiſchen Nachricht durchquerte Ozean
erhält jetzt eine Kabellinie von Kalifornien nach den Sandwichinſeln.
Nur die neueſten ſind in den Händen der Regierungen, die allermeiſten
Linien ſind das Eigentum beſonderer Kabelgeſellſchaften. Ihre geſamte
Länge iſt fünfmal ſo groß als der Erdumfang. Die Geſamtlänge aller
zur Zeit auf der Erde verlegten Telegraphenleitungen aber iſt mit
3200000 Kilometern mehr als achtmal ſo groß, wie die Entfernung
der Erde vom Monde. Ihr Geſamtwert beträgt fünf Viertelmilliarden
Mark, wovon die unterſeeiſchen Kabel zwei Drittel repräſentieren. So
ſind in den letzten 25 Jahren etwa zwei Milliarden in Telegraphen-
anlagen feſtgelegt worden, um dem geſteigerten Verkehr zu dienen und
damit den Wohlſtand der Nationen zu heben.
Auch die Aufgabe hat man ſich vielfach geſtellt, Bilder und Hand-
ſchriften in genauer Nachahmung in kurzer Zeit auf weite Entfernungen
zu übertragen. Offenbar würde die Löſung dieſer Aufgabe von mannig-
facher Bedeutung ſein. Man braucht garnicht an die Verfolgung von
Verbrechern zu denken, deren Bilder ſchnell in die weite Welt telegraphiert
werden könnten, die heutige, ſchnelle Nachrichten verlangende Geſellſchaft
will auch raſch durch das Bild über die neueſten Geſchehniſſe unter-
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