besonders wegen der notwendigen Anwendung des Schwefelwasserstoff- gases, eines sehr heftigen Giftes, dem verschiedene Menschenleben zum Opfer fielen; nach Überwindung der Hindernisse aber nahm die Fabrikation einen großen Aufschwung, der sich noch steigerte, als sieben Jahre später ein neues Fabrikationsverfahren erfunden wurde, welches nicht nur die Verwendung des Schwefelwasserstoffs umging, sondern sich auch be- deutend billiger stellte. Bis heute, also seit fast 15 Jahren, hat, ein seltener Fall in der Teerfarbenindustrie, das Methylenblau seine Stellung in der Färberei und Zeugdruckerei behauptet, ohne durch einen neuen Farbstoff verdrängt zu werden.
Ein Jahr früher als das Methylenblau wurden die grünen Anilinfarben entdeckt, und zwar gleichzeitig auf etwas verschiedenen Wegen von O. Fischer und von Döbner. Bis zur Entdeckung des Malachitgrüns, wie der erste Repräsentant der Gruppe genannt wurde, fehlte es in der Färberei vollständig an einheitlichen grünen Farben, denn das früher erwähnte Aldehydgrün kam nicht in Betracht, und die wohl auch zur Herstellung grüner Zeuge verwendeten Mineralfarben färbten nicht die Stoffe, sondern klebten nur darauf. Man war also genötigt, grüne Töne durch Mischungen von Blau und Gelb zu erzeugen. Die neuen Anilingrüne lieferten zuerst reine grüne Farben in den ver- schiedenen Schattierungen nach blau, wie nach gelb hin, und erleichterten dadurch die Grünfärberei bedeutend. Leider haben diese Farben neben ihrem Glanze den Fehler, schnell zu verbleichen. Sie kommen in dieser Hinsicht gleich nach den Eosinfarbstoffen, welche die glänzendsten, aber auch die vergänglichsten Vertreter der Teerfarbstoffe sind.
Von den später entdeckten Teerfarbstoffen mögen ihrer großen Wichtigkeit wegen nur noch die Alizarinfarbstoffe erwähnt werden, die sich an das schon besprochene Alizarin und Purpurin in ihren chemischen und färberischen Eigenschaften anschließen. Die Reihe derselben umfaßt gegenwärtig so ziemlich alle Farbentöne: Blau, Grün, Gelb, Orange, Braun, Schwarz. Ihrer Echtheit wegen gewinnen sie eine täglich wachsende Bedeutung; sie sind zugleich die Hauptvertreter der Beizen- farbstoffe, über die im nächsten Abschnitt gesprochen werden wird.
c) Färben und Drucken.
Die Farben, wie wir sie in den vorhergehenden Abschnitten kennen gelernt haben, sind in der Regel nicht ohne weiteres anwendbar, um Faserstoffe (Garne oder Gewebe) zu färben. Es bedarf dazu einer Vor- bereitung der Faser, durch welche dieselbe einerseits von störenden Ver- unreinigungen befreit, andererseits mit Stoffen getränkt wird, welche die Vereinigung von Faser und Farbe ermöglichen.
Ganz allgemein müssen alle Fasern vor ihrer Verwendung ge- waschen werden. An das Waschen schließt sich in den meisten Fällen
Die Farben und das Färben.
beſonders wegen der notwendigen Anwendung des Schwefelwaſſerſtoff- gaſes, eines ſehr heftigen Giftes, dem verſchiedene Menſchenleben zum Opfer fielen; nach Überwindung der Hinderniſſe aber nahm die Fabrikation einen großen Aufſchwung, der ſich noch ſteigerte, als ſieben Jahre ſpäter ein neues Fabrikationsverfahren erfunden wurde, welches nicht nur die Verwendung des Schwefelwaſſerſtoffs umging, ſondern ſich auch be- deutend billiger ſtellte. Bis heute, alſo ſeit faſt 15 Jahren, hat, ein ſeltener Fall in der Teerfarbeninduſtrie, das Methylenblau ſeine Stellung in der Färberei und Zeugdruckerei behauptet, ohne durch einen neuen Farbſtoff verdrängt zu werden.
Ein Jahr früher als das Methylenblau wurden die grünen Anilinfarben entdeckt, und zwar gleichzeitig auf etwas verſchiedenen Wegen von O. Fiſcher und von Döbner. Bis zur Entdeckung des Malachitgrüns, wie der erſte Repräſentant der Gruppe genannt wurde, fehlte es in der Färberei vollſtändig an einheitlichen grünen Farben, denn das früher erwähnte Aldehydgrün kam nicht in Betracht, und die wohl auch zur Herſtellung grüner Zeuge verwendeten Mineralfarben färbten nicht die Stoffe, ſondern klebten nur darauf. Man war alſo genötigt, grüne Töne durch Miſchungen von Blau und Gelb zu erzeugen. Die neuen Anilingrüne lieferten zuerſt reine grüne Farben in den ver- ſchiedenen Schattierungen nach blau, wie nach gelb hin, und erleichterten dadurch die Grünfärberei bedeutend. Leider haben dieſe Farben neben ihrem Glanze den Fehler, ſchnell zu verbleichen. Sie kommen in dieſer Hinſicht gleich nach den Eoſinfarbſtoffen, welche die glänzendſten, aber auch die vergänglichſten Vertreter der Teerfarbſtoffe ſind.
Von den ſpäter entdeckten Teerfarbſtoffen mögen ihrer großen Wichtigkeit wegen nur noch die Alizarinfarbſtoffe erwähnt werden, die ſich an das ſchon beſprochene Alizarin und Purpurin in ihren chemiſchen und färberiſchen Eigenſchaften anſchließen. Die Reihe derſelben umfaßt gegenwärtig ſo ziemlich alle Farbentöne: Blau, Grün, Gelb, Orange, Braun, Schwarz. Ihrer Echtheit wegen gewinnen ſie eine täglich wachſende Bedeutung; ſie ſind zugleich die Hauptvertreter der Beizen- farbſtoffe, über die im nächſten Abſchnitt geſprochen werden wird.
c) Färben und Drucken.
Die Farben, wie wir ſie in den vorhergehenden Abſchnitten kennen gelernt haben, ſind in der Regel nicht ohne weiteres anwendbar, um Faſerſtoffe (Garne oder Gewebe) zu färben. Es bedarf dazu einer Vor- bereitung der Faſer, durch welche dieſelbe einerſeits von ſtörenden Ver- unreinigungen befreit, andererſeits mit Stoffen getränkt wird, welche die Vereinigung von Faſer und Farbe ermöglichen.
Ganz allgemein müſſen alle Faſern vor ihrer Verwendung ge- waſchen werden. An das Waſchen ſchließt ſich in den meiſten Fällen
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[412/0430]
Die Farben und das Färben.
beſonders wegen der notwendigen Anwendung des Schwefelwaſſerſtoff-
gaſes, eines ſehr heftigen Giftes, dem verſchiedene Menſchenleben zum
Opfer fielen; nach Überwindung der Hinderniſſe aber nahm die Fabrikation
einen großen Aufſchwung, der ſich noch ſteigerte, als ſieben Jahre ſpäter
ein neues Fabrikationsverfahren erfunden wurde, welches nicht nur die
Verwendung des Schwefelwaſſerſtoffs umging, ſondern ſich auch be-
deutend billiger ſtellte. Bis heute, alſo ſeit faſt 15 Jahren, hat, ein
ſeltener Fall in der Teerfarbeninduſtrie, das Methylenblau ſeine Stellung
in der Färberei und Zeugdruckerei behauptet, ohne durch einen neuen
Farbſtoff verdrängt zu werden.
Ein Jahr früher als das Methylenblau wurden die grünen
Anilinfarben entdeckt, und zwar gleichzeitig auf etwas verſchiedenen
Wegen von O. Fiſcher und von Döbner. Bis zur Entdeckung des
Malachitgrüns, wie der erſte Repräſentant der Gruppe genannt wurde,
fehlte es in der Färberei vollſtändig an einheitlichen grünen Farben,
denn das früher erwähnte Aldehydgrün kam nicht in Betracht, und die
wohl auch zur Herſtellung grüner Zeuge verwendeten Mineralfarben
färbten nicht die Stoffe, ſondern klebten nur darauf. Man war alſo
genötigt, grüne Töne durch Miſchungen von Blau und Gelb zu erzeugen.
Die neuen Anilingrüne lieferten zuerſt reine grüne Farben in den ver-
ſchiedenen Schattierungen nach blau, wie nach gelb hin, und erleichterten
dadurch die Grünfärberei bedeutend. Leider haben dieſe Farben neben
ihrem Glanze den Fehler, ſchnell zu verbleichen. Sie kommen in dieſer
Hinſicht gleich nach den Eoſinfarbſtoffen, welche die glänzendſten, aber
auch die vergänglichſten Vertreter der Teerfarbſtoffe ſind.
Von den ſpäter entdeckten Teerfarbſtoffen mögen ihrer großen
Wichtigkeit wegen nur noch die Alizarinfarbſtoffe erwähnt werden, die
ſich an das ſchon beſprochene Alizarin und Purpurin in ihren chemiſchen
und färberiſchen Eigenſchaften anſchließen. Die Reihe derſelben umfaßt
gegenwärtig ſo ziemlich alle Farbentöne: Blau, Grün, Gelb, Orange,
Braun, Schwarz. Ihrer Echtheit wegen gewinnen ſie eine täglich
wachſende Bedeutung; ſie ſind zugleich die Hauptvertreter der Beizen-
farbſtoffe, über die im nächſten Abſchnitt geſprochen werden wird.
c) Färben und Drucken.
Die Farben, wie wir ſie in den vorhergehenden Abſchnitten kennen
gelernt haben, ſind in der Regel nicht ohne weiteres anwendbar, um
Faſerſtoffe (Garne oder Gewebe) zu färben. Es bedarf dazu einer Vor-
bereitung der Faſer, durch welche dieſelbe einerſeits von ſtörenden Ver-
unreinigungen befreit, andererſeits mit Stoffen getränkt wird, welche
die Vereinigung von Faſer und Farbe ermöglichen.
Ganz allgemein müſſen alle Faſern vor ihrer Verwendung ge-
waſchen werden. An das Waſchen ſchließt ſich in den meiſten Fällen
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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