ihr noch ein gelblicher Schein an, der durch die Bleiche beseitigt werden muß. Natürlich ist es nicht möglich, die gewaltigen Massen von Stoff, die heutzutage verarbeitet werden, nach altväterischer Sitte auf dem Rasen an der Sonne zu bleichen, man muß also zu schneller wirkenden und bequemeren Mitteln greifen. Ein solches besitzen wir seit fast hundert Jahren in dem Chlorkalk. Für die Zwecke der Bleiche stellt man eine sehr dünne, klare Lösung desselben her, durch welche die Baumwollstücke hindurchgezogen werden. Man läßt sie dann einige Zeit an der Luft liegen, wodurch die in den Fasern aufgesaugte Chlor- kalklösung zur Entfaltung ihrer Wirksamkeit gelangt. Um die bleichende Wirkung zu vervollständigen und um zugleich den etwa überschüssigen Chlorkalk zu zerstören, läßt man auf das "Chloren" wieder eine Säuerung folgen und wäscht dann die nun schön weißen Stücke gründlich mit Wasser, um jede Spur noch vorhandener Säuren und sonstiger Ver- unreinigungen zu entfernen. Soll das Zeug später weiß (ungefärbt) bleiben, so setzt man dem letzten Waschwasser etwas Blau, sowie die zur Appretur nötige Stärke u. dgl. zu, -- bei Stücken, die gefärbt oder bedruckt werden sollen, ist ein solcher Zusatz natürlich überflüssig, -- worauf das Zeug getrocknet wird und nunmehr zur weiteren Verwendung fertig ist.
Ähnlich wie Baumwolle werden auch die anderen Pflanzenfasern behandelt, unter denen als wichtigste noch das Leinen erwähnt sei. Die Leinenbleiche ist ungleich schwieriger als die Baumwollenbleiche, da die rohe Leinenfaser sehr fest von einem braunen harzartigen Körper, der Pektinsäure, umhüllt wird, die nur durch sehr langes und wieder- holtes Waschen mit Kalk und Laugen löslich zu machen ist. Beim Leinen muß man auch heute noch die Rasenbleiche anwenden, um ein gutes Zeug zu erhalten; wollte man allein mit Chlorkalk die Weiße erzielen, so müßte man soviel von demselben nehmen, daß dabei die Leinenfaser selbst geschädigt würde. Dem entsprechend dauert auch die Leinenbleiche 5 bis 10 mal so lange als die Baumwollbleiche.
Wesentlich verschieden verläuft die Wäsche und Bleiche der tierischen Fasern. Der Unterschied wird hauptsächlich dadurch bedingt, daß die tierische Faser: Wolle, Seide, Haare, Federn, von Laugen angegriffen und von starken Laugen sogar aufgelöst, außerdem aber durch Chloren zerstört werden. (Vergl. S. 344.) Aus den Waschflüssigkeiten der Wolle, besonders aus dem ersten Wasser, das den Schweiß aufgenommen hat, stellt man seit 1886 das für Wunden aller Art und als allgemeines Haut- verschönerungsmittel so vorzügliche Wollfett (Lanolin) dar. Neuerdings hat man andere Methoden zum Entfetten der Wolle versucht, indem man die Wolle mit fettlösenden Flüssigkeiten [Schwefelkohlenstoff*), Benzin,
*) Schwefelkohlenstoff ist eine sehr flüchtige, stark lichtbrechende und sehr ent- zündliche Flüssigkeit, schwerer als Wasser und von durchdringendem, betäubendem Geruch. Man gewinnt sie, indem man Schwefeldampf über glühende Kohlen leitet
Die Farben und das Färben.
ihr noch ein gelblicher Schein an, der durch die Bleiche beſeitigt werden muß. Natürlich iſt es nicht möglich, die gewaltigen Maſſen von Stoff, die heutzutage verarbeitet werden, nach altväteriſcher Sitte auf dem Raſen an der Sonne zu bleichen, man muß alſo zu ſchneller wirkenden und bequemeren Mitteln greifen. Ein ſolches beſitzen wir ſeit faſt hundert Jahren in dem Chlorkalk. Für die Zwecke der Bleiche ſtellt man eine ſehr dünne, klare Löſung deſſelben her, durch welche die Baumwollſtücke hindurchgezogen werden. Man läßt ſie dann einige Zeit an der Luft liegen, wodurch die in den Faſern aufgeſaugte Chlor- kalklöſung zur Entfaltung ihrer Wirkſamkeit gelangt. Um die bleichende Wirkung zu vervollſtändigen und um zugleich den etwa überſchüſſigen Chlorkalk zu zerſtören, läßt man auf das „Chloren“ wieder eine Säuerung folgen und wäſcht dann die nun ſchön weißen Stücke gründlich mit Waſſer, um jede Spur noch vorhandener Säuren und ſonſtiger Ver- unreinigungen zu entfernen. Soll das Zeug ſpäter weiß (ungefärbt) bleiben, ſo ſetzt man dem letzten Waſchwaſſer etwas Blau, ſowie die zur Appretur nötige Stärke u. dgl. zu, — bei Stücken, die gefärbt oder bedruckt werden ſollen, iſt ein ſolcher Zuſatz natürlich überflüſſig, — worauf das Zeug getrocknet wird und nunmehr zur weiteren Verwendung fertig iſt.
Ähnlich wie Baumwolle werden auch die anderen Pflanzenfaſern behandelt, unter denen als wichtigſte noch das Leinen erwähnt ſei. Die Leinenbleiche iſt ungleich ſchwieriger als die Baumwollenbleiche, da die rohe Leinenfaſer ſehr feſt von einem braunen harzartigen Körper, der Pektinſäure, umhüllt wird, die nur durch ſehr langes und wieder- holtes Waſchen mit Kalk und Laugen löslich zu machen iſt. Beim Leinen muß man auch heute noch die Raſenbleiche anwenden, um ein gutes Zeug zu erhalten; wollte man allein mit Chlorkalk die Weiße erzielen, ſo müßte man ſoviel von demſelben nehmen, daß dabei die Leinenfaſer ſelbſt geſchädigt würde. Dem entſprechend dauert auch die Leinenbleiche 5 bis 10 mal ſo lange als die Baumwollbleiche.
Weſentlich verſchieden verläuft die Wäſche und Bleiche der tieriſchen Faſern. Der Unterſchied wird hauptſächlich dadurch bedingt, daß die tieriſche Faſer: Wolle, Seide, Haare, Federn, von Laugen angegriffen und von ſtarken Laugen ſogar aufgelöſt, außerdem aber durch Chloren zerſtört werden. (Vergl. S. 344.) Aus den Waſchflüſſigkeiten der Wolle, beſonders aus dem erſten Waſſer, das den Schweiß aufgenommen hat, ſtellt man ſeit 1886 das für Wunden aller Art und als allgemeines Haut- verſchönerungsmittel ſo vorzügliche Wollfett (Lanolin) dar. Neuerdings hat man andere Methoden zum Entfetten der Wolle verſucht, indem man die Wolle mit fettlöſenden Flüſſigkeiten [Schwefelkohlenſtoff*), Benzin,
*) Schwefelkohlenſtoff iſt eine ſehr flüchtige, ſtark lichtbrechende und ſehr ent- zündliche Flüſſigkeit, ſchwerer als Waſſer und von durchdringendem, betäubendem Geruch. Man gewinnt ſie, indem man Schwefeldampf über glühende Kohlen leitet
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[414/0432]
Die Farben und das Färben.
ihr noch ein gelblicher Schein an, der durch die Bleiche beſeitigt werden
muß. Natürlich iſt es nicht möglich, die gewaltigen Maſſen von Stoff,
die heutzutage verarbeitet werden, nach altväteriſcher Sitte auf dem
Raſen an der Sonne zu bleichen, man muß alſo zu ſchneller wirkenden
und bequemeren Mitteln greifen. Ein ſolches beſitzen wir ſeit faſt
hundert Jahren in dem Chlorkalk. Für die Zwecke der Bleiche ſtellt
man eine ſehr dünne, klare Löſung deſſelben her, durch welche die
Baumwollſtücke hindurchgezogen werden. Man läßt ſie dann einige
Zeit an der Luft liegen, wodurch die in den Faſern aufgeſaugte Chlor-
kalklöſung zur Entfaltung ihrer Wirkſamkeit gelangt. Um die bleichende
Wirkung zu vervollſtändigen und um zugleich den etwa überſchüſſigen
Chlorkalk zu zerſtören, läßt man auf das „Chloren“ wieder eine Säuerung
folgen und wäſcht dann die nun ſchön weißen Stücke gründlich mit
Waſſer, um jede Spur noch vorhandener Säuren und ſonſtiger Ver-
unreinigungen zu entfernen. Soll das Zeug ſpäter weiß (ungefärbt)
bleiben, ſo ſetzt man dem letzten Waſchwaſſer etwas Blau, ſowie die
zur Appretur nötige Stärke u. dgl. zu, — bei Stücken, die gefärbt oder
bedruckt werden ſollen, iſt ein ſolcher Zuſatz natürlich überflüſſig, —
worauf das Zeug getrocknet wird und nunmehr zur weiteren Verwendung
fertig iſt.
Ähnlich wie Baumwolle werden auch die anderen Pflanzenfaſern
behandelt, unter denen als wichtigſte noch das Leinen erwähnt ſei.
Die Leinenbleiche iſt ungleich ſchwieriger als die Baumwollenbleiche, da
die rohe Leinenfaſer ſehr feſt von einem braunen harzartigen Körper,
der Pektinſäure, umhüllt wird, die nur durch ſehr langes und wieder-
holtes Waſchen mit Kalk und Laugen löslich zu machen iſt. Beim
Leinen muß man auch heute noch die Raſenbleiche anwenden, um ein
gutes Zeug zu erhalten; wollte man allein mit Chlorkalk die Weiße
erzielen, ſo müßte man ſoviel von demſelben nehmen, daß dabei die
Leinenfaſer ſelbſt geſchädigt würde. Dem entſprechend dauert auch die
Leinenbleiche 5 bis 10 mal ſo lange als die Baumwollbleiche.
Weſentlich verſchieden verläuft die Wäſche und Bleiche der tieriſchen
Faſern. Der Unterſchied wird hauptſächlich dadurch bedingt, daß die
tieriſche Faſer: Wolle, Seide, Haare, Federn, von Laugen angegriffen und
von ſtarken Laugen ſogar aufgelöſt, außerdem aber durch Chloren zerſtört
werden. (Vergl. S. 344.) Aus den Waſchflüſſigkeiten der Wolle,
beſonders aus dem erſten Waſſer, das den Schweiß aufgenommen hat,
ſtellt man ſeit 1886 das für Wunden aller Art und als allgemeines Haut-
verſchönerungsmittel ſo vorzügliche Wollfett (Lanolin) dar. Neuerdings
hat man andere Methoden zum Entfetten der Wolle verſucht, indem man
die Wolle mit fettlöſenden Flüſſigkeiten [Schwefelkohlenſtoff *), Benzin,
*) Schwefelkohlenſtoff iſt eine ſehr flüchtige, ſtark lichtbrechende und ſehr ent-
zündliche Flüſſigkeit, ſchwerer als Waſſer und von durchdringendem, betäubendem
Geruch. Man gewinnt ſie, indem man Schwefeldampf über glühende Kohlen leitet
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/432>, abgerufen am 22.11.2024.
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