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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Nahrungs- und Genußmittel.
alaunhaltige Backpulver verwendet, aber auch gleichzeitig von anderer
Seite davor gewarnt, weil der Alaungehalt derselben auf unseren
Organismus schädlich wirken soll. Die zahlreich angestellten Versuche,
Kohlensäuregas direkt in den Teig strömen zu lassen, ein Gedanke, der
sehr nahe liegt, haben befriedigende Resultate bisher nicht gegeben.

Die chemische Zusammensetzung des Brotes zeigt dem Mehle gegen-
über vor allem einen viel höheren Wassergehalt, da z. B. 100 kg
Weizenmehl sich mit 50 kg Wasser verbinden und 150 kg Brot geben.
Das frische Weizenbrot enthält 9 % Dextrin und lösliche Stärke,
40 % Stärke, 6,5 % Proteinkörper und 40 bis 45 % Wasser. Das
Altbackenwerden des Brotes wird nicht durch einen Wasserverlust des-
selben hervorgerufen, wie es häufig angenommen wird, sondern durch
eine Veränderung im Molekularzustande, besonders der Krume, denn
der Wassergehalt des altbackenen Brotes ist nach Boussingault nicht
geringer als derjenige des frischen.

Beim Brote kommen, wenn auch nicht übermäßig häufig, gewisse
Verfälschungen vor. So ist z. B. im nördlichen Frankreich und Belgien
eine sehr verwerfliche Methode üblich, und wird in Deutschland hin
und wieder nachgeahmt, verdorbenes Mehl zum Backen geeignet zu
machen. In diesem Mehle ist der Kleber verändert und so weich ge-
worden, daß er beim Gähren des Teiges die Kohlensäure nicht fest
halten kann, sondern entweichen läßt, wodurch das Brot derb wird
und weniger weiß erscheint. Diesen Fehler des Mehles sucht man
durch einen, wenn auch nur ganz geringen Zusatz von schwefelsaurem
Kupfer aufzuheben, und dieser Zusatz ist trotz seiner geringen Menge,
denn er beträgt nur 1/15000 bis 1/30000 des zu verbackenden Mehles,
unserem Organismus sehr schädlich. Nachweisen läßt sich die Ver-
fälschung für den Chemiker sehr leicht durch Trocknen und Verbrennen
des zu untersuchenden Brotes und Abschlämmen der zurückbleibenden
Asche. In England ist Alaunzusatz zu dem Mehl üblich, in Deutsch-
land aber beides gesetzlich untersagt. Nicht selten sind die Verfälschungen
der besseren Mehlsorten mit minderwertigen, wie Kartoffelmehl, Kartoffel-
stärke etc. und können unter dem Mikroskope sicher nachgewiesen werden,
da die Stärkekörperchen aller Mehlsorten eine für jede derselben ganz
charakteristische Form haben. Außer den vorher genannten mineralischen
Zusätzen zu verdorbenem Mehle, um es wieder zum Backen geeignet
zu machen, kommen auch noch solche bei gesundem Mehle, wie Kreide,
Gips, Schwerspat etc. vor, um das Gewicht desselben zu erhöhen und
werden gleichfalls durch Einäscherung des Brotes und Prüfung der
Asche nachgewiesen.

Es muß noch erwähnt werden, daß die fabrikmäßige Her-
stellung des Brotes, von genial konstruierten Maschinen unterstützt,
sich in den letzten Jahren zu hoher Blüte entwickelt hat. Hierzu kommen
die Erleichterungen und Einrichtungen der Versendung, welche gleich-
falls unter Berücksichtigung der einzelnen Fabrikate gehandhabt werden,

Nahrungs- und Genußmittel.
alaunhaltige Backpulver verwendet, aber auch gleichzeitig von anderer
Seite davor gewarnt, weil der Alaungehalt derſelben auf unſeren
Organismus ſchädlich wirken ſoll. Die zahlreich angeſtellten Verſuche,
Kohlenſäuregas direkt in den Teig ſtrömen zu laſſen, ein Gedanke, der
ſehr nahe liegt, haben befriedigende Reſultate bisher nicht gegeben.

Die chemiſche Zuſammenſetzung des Brotes zeigt dem Mehle gegen-
über vor allem einen viel höheren Waſſergehalt, da z. B. 100 kg
Weizenmehl ſich mit 50 kg Waſſer verbinden und 150 kg Brot geben.
Das friſche Weizenbrot enthält 9 % Dextrin und lösliche Stärke,
40 % Stärke, 6,5 % Proteïnkörper und 40 bis 45 % Waſſer. Das
Altbackenwerden des Brotes wird nicht durch einen Waſſerverluſt des-
ſelben hervorgerufen, wie es häufig angenommen wird, ſondern durch
eine Veränderung im Molekularzuſtande, beſonders der Krume, denn
der Waſſergehalt des altbackenen Brotes iſt nach Bouſſingault nicht
geringer als derjenige des friſchen.

Beim Brote kommen, wenn auch nicht übermäßig häufig, gewiſſe
Verfälſchungen vor. So iſt z. B. im nördlichen Frankreich und Belgien
eine ſehr verwerfliche Methode üblich, und wird in Deutſchland hin
und wieder nachgeahmt, verdorbenes Mehl zum Backen geeignet zu
machen. In dieſem Mehle iſt der Kleber verändert und ſo weich ge-
worden, daß er beim Gähren des Teiges die Kohlenſäure nicht feſt
halten kann, ſondern entweichen läßt, wodurch das Brot derb wird
und weniger weiß erſcheint. Dieſen Fehler des Mehles ſucht man
durch einen, wenn auch nur ganz geringen Zuſatz von ſchwefelſaurem
Kupfer aufzuheben, und dieſer Zuſatz iſt trotz ſeiner geringen Menge,
denn er beträgt nur 1/15000 bis 1/30000 des zu verbackenden Mehles,
unſerem Organismus ſehr ſchädlich. Nachweiſen läßt ſich die Ver-
fälſchung für den Chemiker ſehr leicht durch Trocknen und Verbrennen
des zu unterſuchenden Brotes und Abſchlämmen der zurückbleibenden
Aſche. In England iſt Alaunzuſatz zu dem Mehl üblich, in Deutſch-
land aber beides geſetzlich unterſagt. Nicht ſelten ſind die Verfälſchungen
der beſſeren Mehlſorten mit minderwertigen, wie Kartoffelmehl, Kartoffel-
ſtärke ꝛc. und können unter dem Mikroſkope ſicher nachgewieſen werden,
da die Stärkekörperchen aller Mehlſorten eine für jede derſelben ganz
charakteriſtiſche Form haben. Außer den vorher genannten mineraliſchen
Zuſätzen zu verdorbenem Mehle, um es wieder zum Backen geeignet
zu machen, kommen auch noch ſolche bei geſundem Mehle, wie Kreide,
Gips, Schwerſpat ꝛc. vor, um das Gewicht desſelben zu erhöhen und
werden gleichfalls durch Einäſcherung des Brotes und Prüfung der
Aſche nachgewieſen.

Es muß noch erwähnt werden, daß die fabrikmäßige Her-
ſtellung des Brotes, von genial konſtruierten Maſchinen unterſtützt,
ſich in den letzten Jahren zu hoher Blüte entwickelt hat. Hierzu kommen
die Erleichterungen und Einrichtungen der Verſendung, welche gleich-
falls unter Berückſichtigung der einzelnen Fabrikate gehandhabt werden,

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[560/0578] Nahrungs- und Genußmittel. alaunhaltige Backpulver verwendet, aber auch gleichzeitig von anderer Seite davor gewarnt, weil der Alaungehalt derſelben auf unſeren Organismus ſchädlich wirken ſoll. Die zahlreich angeſtellten Verſuche, Kohlenſäuregas direkt in den Teig ſtrömen zu laſſen, ein Gedanke, der ſehr nahe liegt, haben befriedigende Reſultate bisher nicht gegeben. Die chemiſche Zuſammenſetzung des Brotes zeigt dem Mehle gegen- über vor allem einen viel höheren Waſſergehalt, da z. B. 100 kg Weizenmehl ſich mit 50 kg Waſſer verbinden und 150 kg Brot geben. Das friſche Weizenbrot enthält 9 % Dextrin und lösliche Stärke, 40 % Stärke, 6,5 % Proteïnkörper und 40 bis 45 % Waſſer. Das Altbackenwerden des Brotes wird nicht durch einen Waſſerverluſt des- ſelben hervorgerufen, wie es häufig angenommen wird, ſondern durch eine Veränderung im Molekularzuſtande, beſonders der Krume, denn der Waſſergehalt des altbackenen Brotes iſt nach Bouſſingault nicht geringer als derjenige des friſchen. Beim Brote kommen, wenn auch nicht übermäßig häufig, gewiſſe Verfälſchungen vor. So iſt z. B. im nördlichen Frankreich und Belgien eine ſehr verwerfliche Methode üblich, und wird in Deutſchland hin und wieder nachgeahmt, verdorbenes Mehl zum Backen geeignet zu machen. In dieſem Mehle iſt der Kleber verändert und ſo weich ge- worden, daß er beim Gähren des Teiges die Kohlenſäure nicht feſt halten kann, ſondern entweichen läßt, wodurch das Brot derb wird und weniger weiß erſcheint. Dieſen Fehler des Mehles ſucht man durch einen, wenn auch nur ganz geringen Zuſatz von ſchwefelſaurem Kupfer aufzuheben, und dieſer Zuſatz iſt trotz ſeiner geringen Menge, denn er beträgt nur 1/15000 bis 1/30000 des zu verbackenden Mehles, unſerem Organismus ſehr ſchädlich. Nachweiſen läßt ſich die Ver- fälſchung für den Chemiker ſehr leicht durch Trocknen und Verbrennen des zu unterſuchenden Brotes und Abſchlämmen der zurückbleibenden Aſche. In England iſt Alaunzuſatz zu dem Mehl üblich, in Deutſch- land aber beides geſetzlich unterſagt. Nicht ſelten ſind die Verfälſchungen der beſſeren Mehlſorten mit minderwertigen, wie Kartoffelmehl, Kartoffel- ſtärke ꝛc. und können unter dem Mikroſkope ſicher nachgewieſen werden, da die Stärkekörperchen aller Mehlſorten eine für jede derſelben ganz charakteriſtiſche Form haben. Außer den vorher genannten mineraliſchen Zuſätzen zu verdorbenem Mehle, um es wieder zum Backen geeignet zu machen, kommen auch noch ſolche bei geſundem Mehle, wie Kreide, Gips, Schwerſpat ꝛc. vor, um das Gewicht desſelben zu erhöhen und werden gleichfalls durch Einäſcherung des Brotes und Prüfung der Aſche nachgewieſen. Es muß noch erwähnt werden, daß die fabrikmäßige Her- ſtellung des Brotes, von genial konſtruierten Maſchinen unterſtützt, ſich in den letzten Jahren zu hoher Blüte entwickelt hat. Hierzu kommen die Erleichterungen und Einrichtungen der Verſendung, welche gleich- falls unter Berückſichtigung der einzelnen Fabrikate gehandhabt werden,

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/578>, abgerufen am 22.11.2024.