dieser Schiffmühle soll der bekannte Feldherr Justinians Belisar sein, und zwar soll ihm die Rolle des Erfinders durch folgenden Zufall zu Teil geworden sein. Während der Belagerung Roms durch Vitiges, den König der Ostgothen, drohte in der Stadt Hungersnoth auszubrechen,
[Abbildung]
Fig. 40.
Schiffmühle (Querschnitt).
da jener die zum Betriebe der Wassermühlen dienenden Wasserleitungen ableiten ließ, in Folge dessen kein Getreide mehr gemahlen werden konnte. Belisar kam jedoch auf den glücklichen Gedanken, die Mühlen auf Wagen zum Tiber zu bringen und auf dem Flusse zu verankern, wo sie alsdann, auf diesem schwimmend, von der Kraft des strömenden Wassers getrieben wurden.
Die unterschlägigen Wasserräder gelangen dort zur Anwendung, wo ein nur geringes Gefälle zu Verfügung steht, denn es ist ohne Weiteres einleuchtend, daß z. B. zum Betriebe eines oberschlägigen Wasserrades ein Gefälle vorhanden sein muß, welches mindestens gleich dem Durchmesser des Rades ist, was, wie aus Fig. 41, S. 66 hervor- geht, bei dem unterschlägigen Wasserrade nicht der Fall ist. Mit dem Fortschritte der mathematischen und mechanischen Kenntnisse brach sich die Erkenntnis Bahn, daß die Ausnützung der Wirkung des Wassers, wie sie in den alten unterschlägigen Wasserrädern geschah, eine höchst unvollkommene sei. Schon gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde festgestellt, daß hieran der Umstand Schuld sei, daß man bei den unterschlägigen Rädern den Stoß des Wassers, nicht dessen Gewicht ausnutzte.
Es ist eines der schönsten Probleme des Maschinenbaues gewesen, das unterschlägige Wasserrad in eine solche Gestalt zu bringen, welche in demselben das Wasser nicht -- oder doch nur in geringem Maße -- durch Stoß, sondern durch Druck wirken läßt. Diese Aufgabe wurde in glänzendster Weise durch Poncelet (geb. 1788) gelöst. Das nach ihm benannte Rad (in Fig. 41 dargestellt) kann bei richtiger Anwendung einen Wirkungsgrad von über 0,6 erreichen, während die alten unter- schlägigen Räder einen solchen von nur 0,3 besaßen.
Das Buch der Erfindungen. 5
Die verticalen Waſſerräder.
dieſer Schiffmühle ſoll der bekannte Feldherr Juſtinians Beliſar ſein, und zwar ſoll ihm die Rolle des Erfinders durch folgenden Zufall zu Teil geworden ſein. Während der Belagerung Roms durch Vitiges, den König der Oſtgothen, drohte in der Stadt Hungersnoth auszubrechen,
[Abbildung]
Fig. 40.
Schiffmühle (Querſchnitt).
da jener die zum Betriebe der Waſſermühlen dienenden Waſſerleitungen ableiten ließ, in Folge deſſen kein Getreide mehr gemahlen werden konnte. Beliſar kam jedoch auf den glücklichen Gedanken, die Mühlen auf Wagen zum Tiber zu bringen und auf dem Fluſſe zu verankern, wo ſie alsdann, auf dieſem ſchwimmend, von der Kraft des ſtrömenden Waſſers getrieben wurden.
Die unterſchlägigen Waſſerräder gelangen dort zur Anwendung, wo ein nur geringes Gefälle zu Verfügung ſteht, denn es iſt ohne Weiteres einleuchtend, daß z. B. zum Betriebe eines oberſchlägigen Waſſerrades ein Gefälle vorhanden ſein muß, welches mindeſtens gleich dem Durchmeſſer des Rades iſt, was, wie aus Fig. 41, S. 66 hervor- geht, bei dem unterſchlägigen Waſſerrade nicht der Fall iſt. Mit dem Fortſchritte der mathematiſchen und mechaniſchen Kenntniſſe brach ſich die Erkenntnis Bahn, daß die Ausnützung der Wirkung des Waſſers, wie ſie in den alten unterſchlägigen Waſſerrädern geſchah, eine höchſt unvollkommene ſei. Schon gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde feſtgeſtellt, daß hieran der Umſtand Schuld ſei, daß man bei den unterſchlägigen Rädern den Stoß des Waſſers, nicht deſſen Gewicht ausnutzte.
Es iſt eines der ſchönſten Probleme des Maſchinenbaues geweſen, das unterſchlägige Waſſerrad in eine ſolche Geſtalt zu bringen, welche in demſelben das Waſſer nicht — oder doch nur in geringem Maße — durch Stoß, ſondern durch Druck wirken läßt. Dieſe Aufgabe wurde in glänzendſter Weiſe durch Poncelet (geb. 1788) gelöſt. Das nach ihm benannte Rad (in Fig. 41 dargeſtellt) kann bei richtiger Anwendung einen Wirkungsgrad von über 0,6 erreichen, während die alten unter- ſchlägigen Räder einen ſolchen von nur 0,3 beſaßen.
Das Buch der Erfindungen. 5
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[65/0083]
Die verticalen Waſſerräder.
dieſer Schiffmühle ſoll der bekannte Feldherr Juſtinians Beliſar ſein,
und zwar ſoll ihm die Rolle des Erfinders durch folgenden Zufall zu Teil
geworden ſein. Während der Belagerung Roms durch Vitiges, den
König der Oſtgothen, drohte in der Stadt Hungersnoth auszubrechen,
[Abbildung Fig. 40. Schiffmühle (Querſchnitt).]
da jener die zum Betriebe der Waſſermühlen dienenden Waſſerleitungen
ableiten ließ, in Folge deſſen kein Getreide mehr gemahlen werden
konnte. Beliſar kam jedoch auf den glücklichen Gedanken, die Mühlen
auf Wagen zum Tiber zu bringen und auf dem Fluſſe zu verankern,
wo ſie alsdann, auf dieſem ſchwimmend, von der Kraft des ſtrömenden
Waſſers getrieben wurden.
Die unterſchlägigen Waſſerräder gelangen dort zur Anwendung,
wo ein nur geringes Gefälle zu Verfügung ſteht, denn es iſt ohne
Weiteres einleuchtend, daß z. B. zum Betriebe eines oberſchlägigen
Waſſerrades ein Gefälle vorhanden ſein muß, welches mindeſtens gleich
dem Durchmeſſer des Rades iſt, was, wie aus Fig. 41, S. 66 hervor-
geht, bei dem unterſchlägigen Waſſerrade nicht der Fall iſt. Mit dem
Fortſchritte der mathematiſchen und mechaniſchen Kenntniſſe brach ſich
die Erkenntnis Bahn, daß die Ausnützung der Wirkung des Waſſers,
wie ſie in den alten unterſchlägigen Waſſerrädern geſchah, eine höchſt
unvollkommene ſei. Schon gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts
wurde feſtgeſtellt, daß hieran der Umſtand Schuld ſei, daß man bei
den unterſchlägigen Rädern den Stoß des Waſſers, nicht deſſen Gewicht
ausnutzte.
Es iſt eines der ſchönſten Probleme des Maſchinenbaues geweſen,
das unterſchlägige Waſſerrad in eine ſolche Geſtalt zu bringen, welche
in demſelben das Waſſer nicht — oder doch nur in geringem Maße —
durch Stoß, ſondern durch Druck wirken läßt. Dieſe Aufgabe wurde
in glänzendſter Weiſe durch Poncelet (geb. 1788) gelöſt. Das nach
ihm benannte Rad (in Fig. 41 dargeſtellt) kann bei richtiger Anwendung
einen Wirkungsgrad von über 0,6 erreichen, während die alten unter-
ſchlägigen Räder einen ſolchen von nur 0,3 beſaßen.
Das Buch der Erfindungen. 5
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/83>, abgerufen am 21.11.2024.
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