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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Fabrikation und Verarbeitung des Glases.

Diese wichtige Operation wird in einem besonderen Ofen, dem
Streckofen, vorgenommen. Die Feuerung des viereckig gebauten Ofens
liegt im unteren Teile. Darüber liegt unmittelbar der Streckherd; er
empfängt die stärkste Hitze, welche dann in den Kühlofen tritt und aus
diesem durch einen langen Kanal, die Aufwärmröhre, abzieht. Der
Kühlofen empfängt auch noch direktes Feuer von unten her. Die ganze
Anlage ist überwölbt und die einzelnen Teile durch Arbeitsöffnungen
zugänglich. Auf dem Streckherd liegt der wichtigste Teil des Ofens,
der Streckstein, eine Platte aus feuerfestem Thon, welche gebrannt und
nachträglich vollkommen eben geschliffen wird. Sie muß etwas größer
sein, als die zu erzielenden Glastafeln. Um jeder Verletzung beim
Hinschieben der Tafeln über den Streckstein vorzubeugen, läßt man die
erste "gestreckte" Glastafel, die man gewöhnlich etwas dicker macht, als
"Lager" auf dem Streckstein liegen, um als Unterlage für die folgenden
zu dienen. Das Lager entglast allmählich, wird rauh und muß dann
ausgewechselt werden. Es wird hin und wieder, um ein Anhaften

[Abbildung] Fig. 468.

Fig. 469.
Strecken des Walzenglases.

der Scheiben zu verhindern, durch Einwerfen einer Hand voll Kalk in
das Feuer mit einer feinen Schicht Kalkstaub überdeckt. Die Tempe-
ratur im Streckherd darf nur bis zum gelinden Erweichen des Glases
gehen; im Kühlofen darf sie diese Höhe nicht erreichen.

Man führt die aufgeschnittenen Walzen durch die Aufwärmröhre
nach einander ein. Sie werden um so heißer, je weiter sie vorrücken.
Hat die erste den Herd erreicht, so hebt sie der "Strecker" mit einem
Eisen C auf das Lager (Fig. 468). Sie öffnet sich von selbst und wird
mittels des angefeuchteten glatten Polierholzes D vollständig geebnet
(Fig. 469). Dann schiebt der Strecker die fertige Tafel in den Kühl-
ofen, in welchem sie sofort erstarrt, aufgerichtet und auf die Kante ge-
stellt wird. So fährt man fort, bis der Kühlofen voll ist.

d) Das Spiegelglas.

Obgleich man schon im Altertum Versuche machte, Spiegel aus
Glas herzustellen, so hatten diese Bestrebungen doch so geringen Erfolg,
daß die Metallspiegel allgemein herrschend blieben. Erst im Mittelalter

Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.

Dieſe wichtige Operation wird in einem beſonderen Ofen, dem
Streckofen, vorgenommen. Die Feuerung des viereckig gebauten Ofens
liegt im unteren Teile. Darüber liegt unmittelbar der Streckherd; er
empfängt die ſtärkſte Hitze, welche dann in den Kühlofen tritt und aus
dieſem durch einen langen Kanal, die Aufwärmröhre, abzieht. Der
Kühlofen empfängt auch noch direktes Feuer von unten her. Die ganze
Anlage iſt überwölbt und die einzelnen Teile durch Arbeitsöffnungen
zugänglich. Auf dem Streckherd liegt der wichtigſte Teil des Ofens,
der Streckſtein, eine Platte aus feuerfeſtem Thon, welche gebrannt und
nachträglich vollkommen eben geſchliffen wird. Sie muß etwas größer
ſein, als die zu erzielenden Glastafeln. Um jeder Verletzung beim
Hinſchieben der Tafeln über den Streckſtein vorzubeugen, läßt man die
erſte „geſtreckte“ Glastafel, die man gewöhnlich etwas dicker macht, als
„Lager“ auf dem Streckſtein liegen, um als Unterlage für die folgenden
zu dienen. Das Lager entglaſt allmählich, wird rauh und muß dann
ausgewechſelt werden. Es wird hin und wieder, um ein Anhaften

[Abbildung] Fig. 468.

Fig. 469.
Strecken des Walzenglaſes.

der Scheiben zu verhindern, durch Einwerfen einer Hand voll Kalk in
das Feuer mit einer feinen Schicht Kalkſtaub überdeckt. Die Tempe-
ratur im Streckherd darf nur bis zum gelinden Erweichen des Glaſes
gehen; im Kühlofen darf ſie dieſe Höhe nicht erreichen.

Man führt die aufgeſchnittenen Walzen durch die Aufwärmröhre
nach einander ein. Sie werden um ſo heißer, je weiter ſie vorrücken.
Hat die erſte den Herd erreicht, ſo hebt ſie der „Strecker“ mit einem
Eiſen C auf das Lager (Fig. 468). Sie öffnet ſich von ſelbſt und wird
mittels des angefeuchteten glatten Polierholzes D vollſtändig geebnet
(Fig. 469). Dann ſchiebt der Strecker die fertige Tafel in den Kühl-
ofen, in welchem ſie ſofort erſtarrt, aufgerichtet und auf die Kante ge-
ſtellt wird. So fährt man fort, bis der Kühlofen voll iſt.

d) Das Spiegelglas.

Obgleich man ſchon im Altertum Verſuche machte, Spiegel aus
Glas herzuſtellen, ſo hatten dieſe Beſtrebungen doch ſo geringen Erfolg,
daß die Metallſpiegel allgemein herrſchend blieben. Erſt im Mittelalter

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[860/0878] Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes. Dieſe wichtige Operation wird in einem beſonderen Ofen, dem Streckofen, vorgenommen. Die Feuerung des viereckig gebauten Ofens liegt im unteren Teile. Darüber liegt unmittelbar der Streckherd; er empfängt die ſtärkſte Hitze, welche dann in den Kühlofen tritt und aus dieſem durch einen langen Kanal, die Aufwärmröhre, abzieht. Der Kühlofen empfängt auch noch direktes Feuer von unten her. Die ganze Anlage iſt überwölbt und die einzelnen Teile durch Arbeitsöffnungen zugänglich. Auf dem Streckherd liegt der wichtigſte Teil des Ofens, der Streckſtein, eine Platte aus feuerfeſtem Thon, welche gebrannt und nachträglich vollkommen eben geſchliffen wird. Sie muß etwas größer ſein, als die zu erzielenden Glastafeln. Um jeder Verletzung beim Hinſchieben der Tafeln über den Streckſtein vorzubeugen, läßt man die erſte „geſtreckte“ Glastafel, die man gewöhnlich etwas dicker macht, als „Lager“ auf dem Streckſtein liegen, um als Unterlage für die folgenden zu dienen. Das Lager entglaſt allmählich, wird rauh und muß dann ausgewechſelt werden. Es wird hin und wieder, um ein Anhaften [Abbildung Fig. 468. Fig. 469. Strecken des Walzenglaſes.] der Scheiben zu verhindern, durch Einwerfen einer Hand voll Kalk in das Feuer mit einer feinen Schicht Kalkſtaub überdeckt. Die Tempe- ratur im Streckherd darf nur bis zum gelinden Erweichen des Glaſes gehen; im Kühlofen darf ſie dieſe Höhe nicht erreichen. Man führt die aufgeſchnittenen Walzen durch die Aufwärmröhre nach einander ein. Sie werden um ſo heißer, je weiter ſie vorrücken. Hat die erſte den Herd erreicht, ſo hebt ſie der „Strecker“ mit einem Eiſen C auf das Lager (Fig. 468). Sie öffnet ſich von ſelbſt und wird mittels des angefeuchteten glatten Polierholzes D vollſtändig geebnet (Fig. 469). Dann ſchiebt der Strecker die fertige Tafel in den Kühl- ofen, in welchem ſie ſofort erſtarrt, aufgerichtet und auf die Kante ge- ſtellt wird. So fährt man fort, bis der Kühlofen voll iſt. d) Das Spiegelglas. Obgleich man ſchon im Altertum Verſuche machte, Spiegel aus Glas herzuſtellen, ſo hatten dieſe Beſtrebungen doch ſo geringen Erfolg, daß die Metallſpiegel allgemein herrſchend blieben. Erſt im Mittelalter

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/878>, abgerufen am 26.11.2024.