Wenn auch am Ende des 15. Jahrhunderts die Holzschnitttechnik schon erhebliche Fortschritte machte, wenn man auch schon begann, die Schatten durch einfache Schattenstriche oder Kreuzlagen natürlicher und abwechslungsvoller zu gestalten, so fehlte doch noch den Figuren die Proportion, der Landschaft die Perspektive. Das goldene Zeitalter des Holzschnitts sollte erst im 16. Jahrhundert anbrechen, als vor allem der große Albrecht Dürer (geboren am 21. Mai 1471 zu Nürnberg, ge- storben ebendaselbst am 6. April 1528) und Hans Holbein der Jüngere die bisherige Holzschneidetechnik zu einer wahren Holzschneidekunst um- wandelten. Dürer erfand auch die Methode, zweifarbige, vielleicht auch die, dreifarbige Holzschnitte herzustellen, während zu Anfang des 16. Jahr- hunderts von J. Dienecker noch die eigenartige Helldunkelmanier ein- geführt wurde, bei der man zwei oder drei Holzstöcke von ver- schiedenartiger Färbung benutzt, durch deren Zusammenwirken beim Abdruck eine braun, grau oder rötlich getuschte, oft auch weiß erhöhte Zeichnung hervorgerufen werden kann.
In 17. Jahrhundert begann die schöne Kunst wieder mehr und mehr in Verfall zu geraten, teils infolge Mangels an großen Künstlern, die sie pflegten und förderten, teils infolge der gewaltigen Konkurrenz des Kupferstichs und wohl nicht zum mindesten infolge der Kunst und Wissenschaft so ungeheuer schädigenden Einwirkung des dreißigjährigen blutigen Krieges. Erst im vorigen Jahrhundert begann sich die Holz- schneidekunst wieder langsam zu heben. Wurde doch das Bedürfnis nach Illustrationen immer größer, ohne daß diesem der Kupferstich vollauf genügen konnte, da dessen Anwendung zu kostspielig war. Auch erlaubt letzterer bei weitem nicht so oftmaligen Abdruck, auch nicht so schnellen Abdruck, wie der Holzschnitt. Am Anfang dieses Jahrhunderts fing eine neue Blütezeit des Holzschnitts an, als deren Vater der Engländer Thomas Bewick anzusehen ist. Thomas Bewick und seine Schüler suchten durch feinmalerische Behandlung des Holzschnitts, diesen an Zartheit den besten Erzeugnissen der Kupferstechkunst ebenbürtig zu machen, und führten dadurch den kolossalen Aufschwung der Holz- schneidekunst herbei, den dieselbe bis in die Neuzeit genommen hat. Bewick verbesserte auch die Technik der Holzschneidekunst, zu der wir nunmehr übergehen wollen, indem er an Stelle des Messers den Grab- stichel und an Stelle des Langholzes das Hirnholz einführte.
Für die Technik der Holzschneidekunst ist das wichtigste Erfordernis ein gutes festes Holz, das einerseits dem Messer oder Grabstichel ge- nügenden Widerstand entgegensetzt, um ein feines Arbeiten zu ermög- lichen, andererseits aber nicht so spröde ist, daß es leicht dem Springen, Platzen und Sichwerfen ausgesetzt ist. Am besten erfüllt diese An- sprüche das Holz des "Buchsbaumes", während als Ersatz- mittel die nordamerikanische "Fischfrehme", das "Sandelholz" und vor allem auch durch starken Druck komprimiertes und der Haltbarkeit wegen in besonderer Weise behandeltes "Birnbaumholz" angesehen
Der Holzſchnitt.
Wenn auch am Ende des 15. Jahrhunderts die Holzſchnitttechnik ſchon erhebliche Fortſchritte machte, wenn man auch ſchon begann, die Schatten durch einfache Schattenſtriche oder Kreuzlagen natürlicher und abwechslungsvoller zu geſtalten, ſo fehlte doch noch den Figuren die Proportion, der Landſchaft die Perſpektive. Das goldene Zeitalter des Holzſchnitts ſollte erſt im 16. Jahrhundert anbrechen, als vor allem der große Albrecht Dürer (geboren am 21. Mai 1471 zu Nürnberg, ge- ſtorben ebendaſelbſt am 6. April 1528) und Hans Holbein der Jüngere die bisherige Holzſchneidetechnik zu einer wahren Holzſchneidekunſt um- wandelten. Dürer erfand auch die Methode, zweifarbige, vielleicht auch die, dreifarbige Holzſchnitte herzuſtellen, während zu Anfang des 16. Jahr- hunderts von J. Dienecker noch die eigenartige Helldunkelmanier ein- geführt wurde, bei der man zwei oder drei Holzſtöcke von ver- ſchiedenartiger Färbung benutzt, durch deren Zuſammenwirken beim Abdruck eine braun, grau oder rötlich getuſchte, oft auch weiß erhöhte Zeichnung hervorgerufen werden kann.
In 17. Jahrhundert begann die ſchöne Kunſt wieder mehr und mehr in Verfall zu geraten, teils infolge Mangels an großen Künſtlern, die ſie pflegten und förderten, teils infolge der gewaltigen Konkurrenz des Kupferſtichs und wohl nicht zum mindeſten infolge der Kunſt und Wiſſenſchaft ſo ungeheuer ſchädigenden Einwirkung des dreißigjährigen blutigen Krieges. Erſt im vorigen Jahrhundert begann ſich die Holz- ſchneidekunſt wieder langſam zu heben. Wurde doch das Bedürfnis nach Illuſtrationen immer größer, ohne daß dieſem der Kupferſtich vollauf genügen konnte, da deſſen Anwendung zu koſtſpielig war. Auch erlaubt letzterer bei weitem nicht ſo oftmaligen Abdruck, auch nicht ſo ſchnellen Abdruck, wie der Holzſchnitt. Am Anfang dieſes Jahrhunderts fing eine neue Blütezeit des Holzſchnitts an, als deren Vater der Engländer Thomas Bewick anzuſehen iſt. Thomas Bewick und ſeine Schüler ſuchten durch feinmaleriſche Behandlung des Holzſchnitts, dieſen an Zartheit den beſten Erzeugniſſen der Kupferſtechkunſt ebenbürtig zu machen, und führten dadurch den koloſſalen Aufſchwung der Holz- ſchneidekunſt herbei, den dieſelbe bis in die Neuzeit genommen hat. Bewick verbeſſerte auch die Technik der Holzſchneidekunſt, zu der wir nunmehr übergehen wollen, indem er an Stelle des Meſſers den Grab- ſtichel und an Stelle des Langholzes das Hirnholz einführte.
Für die Technik der Holzſchneidekunſt iſt das wichtigſte Erfordernis ein gutes feſtes Holz, das einerſeits dem Meſſer oder Grabſtichel ge- nügenden Widerſtand entgegenſetzt, um ein feines Arbeiten zu ermög- lichen, andererſeits aber nicht ſo ſpröde iſt, daß es leicht dem Springen, Platzen und Sichwerfen ausgeſetzt iſt. Am beſten erfüllt dieſe An- ſprüche das Holz des „Buchsbaumes“, während als Erſatz- mittel die nordamerikaniſche „Fiſchfrehme“, das „Sandelholz“ und vor allem auch durch ſtarken Druck komprimiertes und der Haltbarkeit wegen in beſonderer Weiſe behandeltes „Birnbaumholz“ angeſehen
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Der Holzſchnitt.
Wenn auch am Ende des 15. Jahrhunderts die Holzſchnitttechnik
ſchon erhebliche Fortſchritte machte, wenn man auch ſchon begann, die
Schatten durch einfache Schattenſtriche oder Kreuzlagen natürlicher und
abwechslungsvoller zu geſtalten, ſo fehlte doch noch den Figuren die
Proportion, der Landſchaft die Perſpektive. Das goldene Zeitalter des
Holzſchnitts ſollte erſt im 16. Jahrhundert anbrechen, als vor allem
der große Albrecht Dürer (geboren am 21. Mai 1471 zu Nürnberg, ge-
ſtorben ebendaſelbſt am 6. April 1528) und Hans Holbein der Jüngere
die bisherige Holzſchneidetechnik zu einer wahren Holzſchneidekunſt um-
wandelten. Dürer erfand auch die Methode, zweifarbige, vielleicht auch
die, dreifarbige Holzſchnitte herzuſtellen, während zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts von J. Dienecker noch die eigenartige Helldunkelmanier ein-
geführt wurde, bei der man zwei oder drei Holzſtöcke von ver-
ſchiedenartiger Färbung benutzt, durch deren Zuſammenwirken beim
Abdruck eine braun, grau oder rötlich getuſchte, oft auch weiß erhöhte
Zeichnung hervorgerufen werden kann.
In 17. Jahrhundert begann die ſchöne Kunſt wieder mehr und
mehr in Verfall zu geraten, teils infolge Mangels an großen Künſtlern,
die ſie pflegten und förderten, teils infolge der gewaltigen Konkurrenz
des Kupferſtichs und wohl nicht zum mindeſten infolge der Kunſt und
Wiſſenſchaft ſo ungeheuer ſchädigenden Einwirkung des dreißigjährigen
blutigen Krieges. Erſt im vorigen Jahrhundert begann ſich die Holz-
ſchneidekunſt wieder langſam zu heben. Wurde doch das Bedürfnis
nach Illuſtrationen immer größer, ohne daß dieſem der Kupferſtich
vollauf genügen konnte, da deſſen Anwendung zu koſtſpielig war. Auch
erlaubt letzterer bei weitem nicht ſo oftmaligen Abdruck, auch nicht ſo
ſchnellen Abdruck, wie der Holzſchnitt. Am Anfang dieſes Jahrhunderts
fing eine neue Blütezeit des Holzſchnitts an, als deren Vater der
Engländer Thomas Bewick anzuſehen iſt. Thomas Bewick und ſeine
Schüler ſuchten durch feinmaleriſche Behandlung des Holzſchnitts, dieſen
an Zartheit den beſten Erzeugniſſen der Kupferſtechkunſt ebenbürtig zu
machen, und führten dadurch den koloſſalen Aufſchwung der Holz-
ſchneidekunſt herbei, den dieſelbe bis in die Neuzeit genommen hat.
Bewick verbeſſerte auch die Technik der Holzſchneidekunſt, zu der wir
nunmehr übergehen wollen, indem er an Stelle des Meſſers den Grab-
ſtichel und an Stelle des Langholzes das Hirnholz einführte.
Für die Technik der Holzſchneidekunſt iſt das wichtigſte Erfordernis
ein gutes feſtes Holz, das einerſeits dem Meſſer oder Grabſtichel ge-
nügenden Widerſtand entgegenſetzt, um ein feines Arbeiten zu ermög-
lichen, andererſeits aber nicht ſo ſpröde iſt, daß es leicht dem Springen,
Platzen und Sichwerfen ausgeſetzt iſt. Am beſten erfüllt dieſe An-
ſprüche das Holz des „Buchsbaumes“, während als Erſatz-
mittel die nordamerikaniſche „Fiſchfrehme“, das „Sandelholz“ und vor
allem auch durch ſtarken Druck komprimiertes und der Haltbarkeit
wegen in beſonderer Weiſe behandeltes „Birnbaumholz“ angeſehen
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 967. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/985>, abgerufen am 22.11.2024.
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