Le Tombeau de Mr. Pierre Mignard, eines berühmten französischen Malers. Es steht an einer Säule, recht im Licht, -- nicht, wie die meisten in Paris in kleinen Kapellen, -- mitten im Gange der Kirche du Couvent des Jacobins, Rue St. Hono- re. An der Wand erhebt sich eine Pyramide von weis und schwarzem Marmor, um die ein Gewand geschlagen ist. Mignard's Brustbild aus weissem Marmor steht in der Mitte. Locken und Lineamenten sind sehr gut aus- gedrückt. Neben ihm liegt eine weibliche Figur, ver- muthlich eine allegorische. Sie schlägt die Hände zu- sammen, hat ein Tuch dazwischen, und sieht mit trüben Blick gen Himmel. Neben ihr sitzt ein Genius, der sich die Augen reibt, und weint. Unten spielt noch ein an- drer mit einem Schwan, der den Hals zwischen des Wei- nenden Füssen heraufstreckt, und den einen Flügel über den Schenkel des Genius schlägt; sehr natürlich. Es ist von J. B. le Moine verfertigt.
Bemerkungen.
Ich war Abends nach 8. Uhr aufm Boulevard in einem Kaffeehause, wo inner- und ausserhalb eine Men- ge Menschen beisammen war. Man plauderte, die Musik ging eben an, und die Sängerinnen liessen sich hören; so schrien die draussen mit einmahl: Silence, Silence! Jeder erschrak. -- Le bon Dieu, le bon Dieu! und alles sollte knien. Das Hochwürdige ward vorbei getragen. Die Leute thaten alle als knieten sie, die Musik schwieg 3. Minuten, man lachte, schrie und fing wieder an. -- Was ist die Ceremonienreligion nicht für ein kindisches Spiel!
Juden
O 2
Le Tombeau de Mr. Pierre Mignard, eines beruͤhmten franzoͤſiſchen Malers. Es ſteht an einer Saͤule, recht im Licht, — nicht, wie die meiſten in Paris in kleinen Kapellen, — mitten im Gange der Kirche du Couvent des Jacobins, Rue St. Hono- ré. An der Wand erhebt ſich eine Pyramide von weis und ſchwarzem Marmor, um die ein Gewand geſchlagen iſt. Mignard’s Bruſtbild aus weiſſem Marmor ſteht in der Mitte. Locken und Lineamenten ſind ſehr gut aus- gedruͤckt. Neben ihm liegt eine weibliche Figur, ver- muthlich eine allegoriſche. Sie ſchlaͤgt die Haͤnde zu- ſammen, hat ein Tuch dazwiſchen, und ſieht mit truͤben Blick gen Himmel. Neben ihr ſitzt ein Genius, der ſich die Augen reibt, und weint. Unten ſpielt noch ein an- drer mit einem Schwan, der den Hals zwiſchen des Wei- nenden Fuͤſſen heraufſtreckt, und den einen Fluͤgel uͤber den Schenkel des Genius ſchlaͤgt; ſehr natuͤrlich. Es iſt von J. B. le Moine verfertigt.
Bemerkungen.
Ich war Abends nach 8. Uhr aufm Boulevard in einem Kaffeehauſe, wo inner- und auſſerhalb eine Men- ge Menſchen beiſammen war. Man plauderte, die Muſik ging eben an, und die Saͤngerinnen lieſſen ſich hoͤren; ſo ſchrien die drauſſen mit einmahl: Silence, Silence! Jeder erſchrak. — Le bon Dieu, le bon Dieu! und alles ſollte knien. Das Hochwuͤrdige ward vorbei getragen. Die Leute thaten alle als knieten ſie, die Muſik ſchwieg 3. Minuten, man lachte, ſchrie und fing wieder an. — Was iſt die Ceremonienreligion nicht fuͤr ein kindiſches Spiel!
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Le Tombeau de Mr. Pierre Mignard, eines
beruͤhmten franzoͤſiſchen Malers. Es ſteht an einer
Saͤule, recht im Licht, — nicht, wie die meiſten in
Paris in kleinen Kapellen, — mitten im Gange der
Kirche du Couvent des Jacobins, Rue St. Hono-
ré. An der Wand erhebt ſich eine Pyramide von weis
und ſchwarzem Marmor, um die ein Gewand geſchlagen
iſt. Mignard’s Bruſtbild aus weiſſem Marmor ſteht
in der Mitte. Locken und Lineamenten ſind ſehr gut aus-
gedruͤckt. Neben ihm liegt eine weibliche Figur, ver-
muthlich eine allegoriſche. Sie ſchlaͤgt die Haͤnde zu-
ſammen, hat ein Tuch dazwiſchen, und ſieht mit truͤben
Blick gen Himmel. Neben ihr ſitzt ein Genius, der ſich
die Augen reibt, und weint. Unten ſpielt noch ein an-
drer mit einem Schwan, der den Hals zwiſchen des Wei-
nenden Fuͤſſen heraufſtreckt, und den einen Fluͤgel uͤber
den Schenkel des Genius ſchlaͤgt; ſehr natuͤrlich. Es iſt
von J. B. le Moine verfertigt.
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Ich war Abends nach 8. Uhr aufm Boulevard in
einem Kaffeehauſe, wo inner- und auſſerhalb eine Men-
ge Menſchen beiſammen war. Man plauderte, die
Muſik ging eben an, und die Saͤngerinnen lieſſen ſich
hoͤren; ſo ſchrien die drauſſen mit einmahl: Silence,
Silence! Jeder erſchrak. — Le bon Dieu, le bon
Dieu! und alles ſollte knien. Das Hochwuͤrdige ward
vorbei getragen. Die Leute thaten alle als knieten ſie, die
Muſik ſchwieg 3. Minuten, man lachte, ſchrie und fing
wieder an. — Was iſt die Ceremonienreligion nicht
fuͤr ein kindiſches Spiel!
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/235>, abgerufen am 24.11.2024.
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