ben hat. Ich sah' es auf der Bibliothek der Abtei Ste. Genevieve durch, und ruhte nachher nicht, bis ich den würdigen Mann ausgekundschaftet hatte. Denn in ei- ner so grossen und mit Menschen angefüllten Stadt ists nicht leicht, jemanden, zumal einen Gelehrten, der im- mer über der Arbeit sitzt, zu erfragen. Uneinigkeiten und Mishelligkeiten herrschen unter den Gelehrten in Paris, so wie überall. Einer will nichts vom andern wissen, oder er will doch nicht, daß Fremde den andern besuchen sollen etc. Indessen fragte ich so oft und an so verschiede- nen Orten nach ihm, bis ich endlich zum Zweck kam, und erstaunte, daß Aublet, den ich in ganz Paris aufge- sucht hatte, nur etliche Schritte von mir wohnte. Er ist aus der Provence gebürtig, ist etliche 20. Jahr in Domingo, Cayenne und Guiana gewesen, hat jetzt geheurathet, und kam eben hierher, um seine Sachen von hier nach der Provence wegzubringen. Er wird noch mehr Zeichnungen und Beschreibungen von Pflanzen liefern, ob er gleich schon eisgraue Haare, ein sehr ge- schwächtes Gesicht, verdorrte Hände, und überhaupt ei- nen kraftlosen Körper hat, und doch erst 57. Jahr alt ist. Er hat einen Mohren zum Bedienten; ist wie die Leute sind, die viel und weit gereist sind, fast gegen alles gleich- gültig, beklagt sich aber beständig über die vielen Dieb- stähle, die ihm an seinen Sachen geschehen sind, bis er wieder aus Indien zurückkam. Er zeigte mir
1) Seine Pflanzen; aber man müste 8. Tage haben, wenn man sie alle durchsehen wollte. Ich sah viele von denen, die schon gestochen sind, und viele von de- nen, die er erst stechen lassen wird, die aber doch schon sehr verdorrt aussahen. Es war ein ganzes Zimmer, ein
Haufen
ben hat. Ich ſah’ es auf der Bibliothek der Abtei Ste. Genevieve durch, und ruhte nachher nicht, bis ich den wuͤrdigen Mann ausgekundſchaftet hatte. Denn in ei- ner ſo groſſen und mit Menſchen angefuͤllten Stadt iſts nicht leicht, jemanden, zumal einen Gelehrten, der im- mer uͤber der Arbeit ſitzt, zu erfragen. Uneinigkeiten und Mishelligkeiten herrſchen unter den Gelehrten in Paris, ſo wie uͤberall. Einer will nichts vom andern wiſſen, oder er will doch nicht, daß Fremde den andern beſuchen ſollen ꝛc. Indeſſen fragte ich ſo oft und an ſo verſchiede- nen Orten nach ihm, bis ich endlich zum Zweck kam, und erſtaunte, daß Aublet, den ich in ganz Paris aufge- ſucht hatte, nur etliche Schritte von mir wohnte. Er iſt aus der Provence gebuͤrtig, iſt etliche 20. Jahr in Domingo, Cayenne und Guiana geweſen, hat jetzt geheurathet, und kam eben hierher, um ſeine Sachen von hier nach der Provence wegzubringen. Er wird noch mehr Zeichnungen und Beſchreibungen von Pflanzen liefern, ob er gleich ſchon eisgraue Haare, ein ſehr ge- ſchwaͤchtes Geſicht, verdorrte Haͤnde, und uͤberhaupt ei- nen kraftloſen Koͤrper hat, und doch erſt 57. Jahr alt iſt. Er hat einen Mohren zum Bedienten; iſt wie die Leute ſind, die viel und weit gereiſt ſind, faſt gegen alles gleich- guͤltig, beklagt ſich aber beſtaͤndig uͤber die vielen Dieb- ſtaͤhle, die ihm an ſeinen Sachen geſchehen ſind, bis er wieder aus Indien zuruͤckkam. Er zeigte mir
1) Seine Pflanzen; aber man muͤſte 8. Tage haben, wenn man ſie alle durchſehen wollte. Ich ſah viele von denen, die ſchon geſtochen ſind, und viele von de- nen, die er erſt ſtechen laſſen wird, die aber doch ſchon ſehr verdorrt ausſahen. Es war ein ganzes Zimmer, ein
Haufen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0307"n="283"/>
ben hat. Ich ſah’ es auf der Bibliothek der Abtei <hirendition="#aq">Ste.<lb/><hirendition="#i">Genevieve</hi></hi> durch, und ruhte nachher nicht, bis ich den<lb/>
wuͤrdigen Mann ausgekundſchaftet hatte. Denn in ei-<lb/>
ner ſo groſſen und mit Menſchen angefuͤllten Stadt iſts<lb/>
nicht leicht, jemanden, zumal einen Gelehrten, der im-<lb/>
mer uͤber der Arbeit ſitzt, zu erfragen. Uneinigkeiten und<lb/>
Mishelligkeiten herrſchen unter den Gelehrten in <hirendition="#fr">Paris,</hi><lb/>ſo wie uͤberall. Einer will nichts vom andern wiſſen,<lb/>
oder er will doch nicht, daß Fremde den andern beſuchen<lb/>ſollen ꝛc. Indeſſen fragte ich ſo oft und an ſo verſchiede-<lb/>
nen Orten nach ihm, bis ich endlich zum Zweck kam, und<lb/>
erſtaunte, daß <hirendition="#fr">Aublet,</hi> den ich in ganz <hirendition="#fr">Paris</hi> aufge-<lb/>ſucht hatte, nur etliche Schritte von mir wohnte. Er<lb/>
iſt aus der <hirendition="#fr">Provence</hi> gebuͤrtig, iſt etliche 20. Jahr in<lb/><hirendition="#fr">Domingo, Cayenne</hi> und <hirendition="#fr">Guiana</hi> geweſen, hat jetzt<lb/>
geheurathet, und kam eben hierher, um ſeine Sachen<lb/>
von hier nach der <hirendition="#fr">Provence</hi> wegzubringen. Er wird<lb/>
noch mehr Zeichnungen und Beſchreibungen von Pflanzen<lb/>
liefern, ob er gleich ſchon eisgraue Haare, ein ſehr ge-<lb/>ſchwaͤchtes Geſicht, verdorrte Haͤnde, und uͤberhaupt ei-<lb/>
nen kraftloſen Koͤrper hat, und doch erſt 57. Jahr alt iſt.<lb/>
Er hat einen Mohren zum Bedienten; iſt wie die Leute<lb/>ſind, die viel und weit gereiſt ſind, faſt gegen alles gleich-<lb/>
guͤltig, beklagt ſich aber beſtaͤndig uͤber die vielen Dieb-<lb/>ſtaͤhle, die ihm an ſeinen Sachen geſchehen ſind, bis er<lb/>
wieder aus <hirendition="#fr">Indien</hi> zuruͤckkam. Er zeigte mir</p><lb/><list><item>1) <hirendition="#fr">Seine Pflanzen;</hi> aber man muͤſte 8. Tage<lb/>
haben, wenn man ſie alle durchſehen wollte. Ich ſah<lb/>
viele von denen, die ſchon geſtochen ſind, und viele von de-<lb/>
nen, die er erſt ſtechen laſſen wird, die aber doch ſchon ſehr<lb/>
verdorrt ausſahen. Es war ein ganzes Zimmer, ein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Haufen</fw><lb/></item></list></div></div></div></body></text></TEI>
[283/0307]
ben hat. Ich ſah’ es auf der Bibliothek der Abtei Ste.
Genevieve durch, und ruhte nachher nicht, bis ich den
wuͤrdigen Mann ausgekundſchaftet hatte. Denn in ei-
ner ſo groſſen und mit Menſchen angefuͤllten Stadt iſts
nicht leicht, jemanden, zumal einen Gelehrten, der im-
mer uͤber der Arbeit ſitzt, zu erfragen. Uneinigkeiten und
Mishelligkeiten herrſchen unter den Gelehrten in Paris,
ſo wie uͤberall. Einer will nichts vom andern wiſſen,
oder er will doch nicht, daß Fremde den andern beſuchen
ſollen ꝛc. Indeſſen fragte ich ſo oft und an ſo verſchiede-
nen Orten nach ihm, bis ich endlich zum Zweck kam, und
erſtaunte, daß Aublet, den ich in ganz Paris aufge-
ſucht hatte, nur etliche Schritte von mir wohnte. Er
iſt aus der Provence gebuͤrtig, iſt etliche 20. Jahr in
Domingo, Cayenne und Guiana geweſen, hat jetzt
geheurathet, und kam eben hierher, um ſeine Sachen
von hier nach der Provence wegzubringen. Er wird
noch mehr Zeichnungen und Beſchreibungen von Pflanzen
liefern, ob er gleich ſchon eisgraue Haare, ein ſehr ge-
ſchwaͤchtes Geſicht, verdorrte Haͤnde, und uͤberhaupt ei-
nen kraftloſen Koͤrper hat, und doch erſt 57. Jahr alt iſt.
Er hat einen Mohren zum Bedienten; iſt wie die Leute
ſind, die viel und weit gereiſt ſind, faſt gegen alles gleich-
guͤltig, beklagt ſich aber beſtaͤndig uͤber die vielen Dieb-
ſtaͤhle, die ihm an ſeinen Sachen geſchehen ſind, bis er
wieder aus Indien zuruͤckkam. Er zeigte mir
1) Seine Pflanzen; aber man muͤſte 8. Tage
haben, wenn man ſie alle durchſehen wollte. Ich ſah
viele von denen, die ſchon geſtochen ſind, und viele von de-
nen, die er erſt ſtechen laſſen wird, die aber doch ſchon ſehr
verdorrt ausſahen. Es war ein ganzes Zimmer, ein
Haufen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/307>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.