drig. Man siehts deutlich, daß das Wasser durch seine Schwankungen und öftere Ueberschwemmungen diesen Berg aufgeführt hat. Geht man hinein, so sieht er aus, wie man uns die Catocomben in Rom beschreibt. Man treibt grosse mit einander communicirende Gewöl- ber, lange, hole, dunkle Gänge hinein, die keiner Unter- stützung bedürfen, und durch das öftere Ausgraben des Kalks täglich grösser werden. Wasser findet man in- wendig gar nicht, am Fuße des Bergs aber etwas we- niges. Oben und an den Seiten ist eine dünne Rinde schwarzbrauner Erde, die von verfaulten Pflanzen ent- standen ist. Man findet nichts Merkwürdiges darauf. Da ist noch ein Vorrath für Millenarien. Doch sind schon gewaltig tiefe Gewölber und Löcher hinein gegra- ben. Von diesem Werke der Natur, das mit dem Stempel der Grösse des Schöpfers bezeichnet ist, und sich gleich durch den mächtigen Eindruck, den's in die Seele macht, als Naturwerk verkündigt, ging ich weg und zu einem schimpflichen Beweise von dem elenden grausamspielerischen Geist der Franzosen, nämlich zum
Combat des Betes sauvages. Wer sollt' es glauben, daß diese unmenschliche Art, die Zeit durch Thierhetzen zu tödten, und sich im Müssiggange zu belu- stigen, noch in unsern Zeiten in Paris Beifall und Un- terstützung finden könnte? Schon von weitem hört man das Bellen, Gilfern, Schreien, Toben, Rasen und Lärmen wilder, beissiger Thiere, die der Mensch -- welche Schande! -- gegen einander erhitzt und reizt. Man hat ein grosses, hohles Haus erbaut, hinten gehen Treppen hinauf, inwendig sind 2. Gallerien, unten ist ein Kampfplatz, und ums Haus herum befinden sich eine
Menge
drig. Man ſiehts deutlich, daß das Waſſer durch ſeine Schwankungen und oͤftere Ueberſchwemmungen dieſen Berg aufgefuͤhrt hat. Geht man hinein, ſo ſieht er aus, wie man uns die Catocomben in Rom beſchreibt. Man treibt groſſe mit einander communicirende Gewoͤl- ber, lange, hole, dunkle Gaͤnge hinein, die keiner Unter- ſtuͤtzung beduͤrfen, und durch das oͤftere Ausgraben des Kalks taͤglich groͤſſer werden. Waſſer findet man in- wendig gar nicht, am Fuße des Bergs aber etwas we- niges. Oben und an den Seiten iſt eine duͤnne Rinde ſchwarzbrauner Erde, die von verfaulten Pflanzen ent- ſtanden iſt. Man findet nichts Merkwuͤrdiges darauf. Da iſt noch ein Vorrath fuͤr Millenarien. Doch ſind ſchon gewaltig tiefe Gewoͤlber und Loͤcher hinein gegra- ben. Von dieſem Werke der Natur, das mit dem Stempel der Groͤſſe des Schoͤpfers bezeichnet iſt, und ſich gleich durch den maͤchtigen Eindruck, den’s in die Seele macht, als Naturwerk verkuͤndigt, ging ich weg und zu einem ſchimpflichen Beweiſe von dem elenden grauſamſpieleriſchen Geiſt der Franzoſen, naͤmlich zum
Combat des Betes ſauvages. Wer ſollt’ es glauben, daß dieſe unmenſchliche Art, die Zeit durch Thierhetzen zu toͤdten, und ſich im Muͤſſiggange zu belu- ſtigen, noch in unſern Zeiten in Paris Beifall und Un- terſtuͤtzung finden koͤnnte? Schon von weitem hoͤrt man das Bellen, Gilfern, Schreien, Toben, Raſen und Laͤrmen wilder, beiſſiger Thiere, die der Menſch — welche Schande! — gegen einander erhitzt und reizt. Man hat ein groſſes, hohles Haus erbaut, hinten gehen Treppen hinauf, inwendig ſind 2. Gallerien, unten iſt ein Kampfplatz, und ums Haus herum befinden ſich eine
Menge
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drig. Man ſiehts deutlich, daß das Waſſer durch ſeine
Schwankungen und oͤftere Ueberſchwemmungen dieſen
Berg aufgefuͤhrt hat. Geht man hinein, ſo ſieht er
aus, wie man uns die Catocomben in Rom beſchreibt.
Man treibt groſſe mit einander communicirende Gewoͤl-
ber, lange, hole, dunkle Gaͤnge hinein, die keiner Unter-
ſtuͤtzung beduͤrfen, und durch das oͤftere Ausgraben des
Kalks taͤglich groͤſſer werden. Waſſer findet man in-
wendig gar nicht, am Fuße des Bergs aber etwas we-
niges. Oben und an den Seiten iſt eine duͤnne Rinde
ſchwarzbrauner Erde, die von verfaulten Pflanzen ent-
ſtanden iſt. Man findet nichts Merkwuͤrdiges darauf.
Da iſt noch ein Vorrath fuͤr Millenarien. Doch ſind
ſchon gewaltig tiefe Gewoͤlber und Loͤcher hinein gegra-
ben. Von dieſem Werke der Natur, das mit dem
Stempel der Groͤſſe des Schoͤpfers bezeichnet iſt, und
ſich gleich durch den maͤchtigen Eindruck, den’s in die
Seele macht, als Naturwerk verkuͤndigt, ging ich weg
und zu einem ſchimpflichen Beweiſe von dem elenden
grauſamſpieleriſchen Geiſt der Franzoſen, naͤmlich zum
Combat des Betes ſauvages. Wer ſollt’ es
glauben, daß dieſe unmenſchliche Art, die Zeit durch
Thierhetzen zu toͤdten, und ſich im Muͤſſiggange zu belu-
ſtigen, noch in unſern Zeiten in Paris Beifall und Un-
terſtuͤtzung finden koͤnnte? Schon von weitem hoͤrt man
das Bellen, Gilfern, Schreien, Toben, Raſen und
Laͤrmen wilder, beiſſiger Thiere, die der Menſch —
welche Schande! — gegen einander erhitzt und reizt.
Man hat ein groſſes, hohles Haus erbaut, hinten gehen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/370>, abgerufen am 24.11.2024.
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