von den Gerichtsherren gingen mit den Wachen, im Kir- chenrocke und Ueberschlage herum, und wogen das Brod, die Butter etc. Es war ausserordentlich schönes Wetter, wie ichs in Frankreich noch nie erlebt hatte; alles war munter, zufrieden, -- ich ging selber im Schlafrock auf den Markt, und kaufte mir Kirschen, Erdbeeren und Johannisbeeren. -- Prächtiger Anblick des Fests der Frölichkeit und Heiterkeit unter den fleissigen Landleuten! Ich sprach mit vielen, und fand recht brave, wackre Leu- te. Gegen Mittag wurden die Aubergen mit dem flat- terhaften Pariservolk angefüllt, die ihre Hunde herum- schleppten, und bei weitem die Freude nicht empfanden, die ich im Garten der Natur fühlte. Sie gossen ihre Flacons da aufs Schnupftuch aus, wo die Natur die an- genehmsten Balsamdüfte verbreitete. Ich hatte Lust, noch einmahl die schönsten Gegenden des Gartens am Schlosse zu besuchen, und ging also, -- um zu der Zeit, wo in meinem Vaterlande in den Tempeln des Herrn Loblieder erschallen, auch meine Seele zu den Empfin- dungen der Güte und Liebe Gottes noch mehr anzufeuren -- in die
Isle d'Amour. So heist eine Gegend im Gar- ten, die ich nicht stark genug werde beschreiben können. Hab' ich mir je Rubens Zauberpinsel, oder Gesner's malerische Sprache gewünscht; so war's jetzt. Zwischen zwei Wasserkanälen findet man Alleen, Häuschen, Run- dele, Rabatten und Zirkel mit Blumen angefüllt, Ka- napees, Statüen, springende Wasser, allerlei Motions- Maschinen, Brücken, chinesische Pavillons, fremde Bäume, und noch tausend andre Dinge, alles mit der grösten Delikatesse, mit dem feinsten Geschmacke vertheilt.
Man
von den Gerichtsherren gingen mit den Wachen, im Kir- chenrocke und Ueberſchlage herum, und wogen das Brod, die Butter ꝛc. Es war auſſerordentlich ſchoͤnes Wetter, wie ichs in Frankreich noch nie erlebt hatte; alles war munter, zufrieden, — ich ging ſelber im Schlafrock auf den Markt, und kaufte mir Kirſchen, Erdbeeren und Johannisbeeren. — Praͤchtiger Anblick des Feſts der Froͤlichkeit und Heiterkeit unter den fleiſſigen Landleuten! Ich ſprach mit vielen, und fand recht brave, wackre Leu- te. Gegen Mittag wurden die Aubergen mit dem flat- terhaften Pariſervolk angefuͤllt, die ihre Hunde herum- ſchleppten, und bei weitem die Freude nicht empfanden, die ich im Garten der Natur fuͤhlte. Sie goſſen ihre Flacons da aufs Schnupftuch aus, wo die Natur die an- genehmſten Balſamduͤfte verbreitete. Ich hatte Luſt, noch einmahl die ſchoͤnſten Gegenden des Gartens am Schloſſe zu beſuchen, und ging alſo, — um zu der Zeit, wo in meinem Vaterlande in den Tempeln des Herrn Loblieder erſchallen, auch meine Seele zu den Empfin- dungen der Guͤte und Liebe Gottes noch mehr anzufeuren — in die
Isle d’Amour. So heiſt eine Gegend im Gar- ten, die ich nicht ſtark genug werde beſchreiben koͤnnen. Hab’ ich mir je Rubens Zauberpinſel, oder Gesner’s maleriſche Sprache gewuͤnſcht; ſo war’s jetzt. Zwiſchen zwei Waſſerkanaͤlen findet man Alleen, Haͤuschen, Run- dele, Rabatten und Zirkel mit Blumen angefuͤllt, Ka- napees, Statuͤen, ſpringende Waſſer, allerlei Motions- Maſchinen, Bruͤcken, chineſiſche Pavillons, fremde Baͤume, und noch tauſend andre Dinge, alles mit der groͤſten Delikateſſe, mit dem feinſten Geſchmacke vertheilt.
Man
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von den Gerichtsherren gingen mit den Wachen, im Kir-
chenrocke und Ueberſchlage herum, und wogen das Brod,
die Butter ꝛc. Es war auſſerordentlich ſchoͤnes Wetter,
wie ichs in Frankreich noch nie erlebt hatte; alles war
munter, zufrieden, — ich ging ſelber im Schlafrock auf
den Markt, und kaufte mir Kirſchen, Erdbeeren und
Johannisbeeren. — Praͤchtiger Anblick des Feſts der
Froͤlichkeit und Heiterkeit unter den fleiſſigen Landleuten!
Ich ſprach mit vielen, und fand recht brave, wackre Leu-
te. Gegen Mittag wurden die Aubergen mit dem flat-
terhaften Pariſervolk angefuͤllt, die ihre Hunde herum-
ſchleppten, und bei weitem die Freude nicht empfanden,
die ich im Garten der Natur fuͤhlte. Sie goſſen ihre
Flacons da aufs Schnupftuch aus, wo die Natur die an-
genehmſten Balſamduͤfte verbreitete. Ich hatte Luſt,
noch einmahl die ſchoͤnſten Gegenden des Gartens am
Schloſſe zu beſuchen, und ging alſo, — um zu der Zeit,
wo in meinem Vaterlande in den Tempeln des Herrn
Loblieder erſchallen, auch meine Seele zu den Empfin-
dungen der Guͤte und Liebe Gottes noch mehr anzufeuren
— in die
Isle d’Amour. So heiſt eine Gegend im Gar-
ten, die ich nicht ſtark genug werde beſchreiben koͤnnen.
Hab’ ich mir je Rubens Zauberpinſel, oder Gesner’s
maleriſche Sprache gewuͤnſcht; ſo war’s jetzt. Zwiſchen
zwei Waſſerkanaͤlen findet man Alleen, Haͤuschen, Run-
dele, Rabatten und Zirkel mit Blumen angefuͤllt, Ka-
napees, Statuͤen, ſpringende Waſſer, allerlei Motions-
Maſchinen, Bruͤcken, chineſiſche Pavillons, fremde
Baͤume, und noch tauſend andre Dinge, alles mit der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/405>, abgerufen am 22.11.2024.
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