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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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von den Gerichtsherren gingen mit den Wachen, im Kir-
chenrocke und Ueberschlage herum, und wogen das Brod,
die Butter etc. Es war ausserordentlich schönes Wetter,
wie ichs in Frankreich noch nie erlebt hatte; alles war
munter, zufrieden, -- ich ging selber im Schlafrock auf
den Markt, und kaufte mir Kirschen, Erdbeeren und
Johannisbeeren. -- Prächtiger Anblick des Fests der
Frölichkeit und Heiterkeit unter den fleissigen Landleuten!
Ich sprach mit vielen, und fand recht brave, wackre Leu-
te. Gegen Mittag wurden die Aubergen mit dem flat-
terhaften Pariservolk angefüllt, die ihre Hunde herum-
schleppten, und bei weitem die Freude nicht empfanden,
die ich im Garten der Natur fühlte. Sie gossen ihre
Flacons da aufs Schnupftuch aus, wo die Natur die an-
genehmsten Balsamdüfte verbreitete. Ich hatte Lust,
noch einmahl die schönsten Gegenden des Gartens am
Schlosse zu besuchen, und ging also, -- um zu der Zeit,
wo in meinem Vaterlande in den Tempeln des Herrn
Loblieder erschallen, auch meine Seele zu den Empfin-
dungen der Güte und Liebe Gottes noch mehr anzufeuren
-- in die

Isle d'Amour. So heist eine Gegend im Gar-
ten, die ich nicht stark genug werde beschreiben können.
Hab' ich mir je Rubens Zauberpinsel, oder Gesner's
malerische Sprache gewünscht; so war's jetzt. Zwischen
zwei Wasserkanälen findet man Alleen, Häuschen, Run-
dele, Rabatten und Zirkel mit Blumen angefüllt, Ka-
napees, Statüen, springende Wasser, allerlei Motions-
Maschinen, Brücken, chinesische Pavillons, fremde
Bäume, und noch tausend andre Dinge, alles mit der
grösten Delikatesse, mit dem feinsten Geschmacke vertheilt.

Man

von den Gerichtsherren gingen mit den Wachen, im Kir-
chenrocke und Ueberſchlage herum, und wogen das Brod,
die Butter ꝛc. Es war auſſerordentlich ſchoͤnes Wetter,
wie ichs in Frankreich noch nie erlebt hatte; alles war
munter, zufrieden, — ich ging ſelber im Schlafrock auf
den Markt, und kaufte mir Kirſchen, Erdbeeren und
Johannisbeeren. — Praͤchtiger Anblick des Feſts der
Froͤlichkeit und Heiterkeit unter den fleiſſigen Landleuten!
Ich ſprach mit vielen, und fand recht brave, wackre Leu-
te. Gegen Mittag wurden die Aubergen mit dem flat-
terhaften Pariſervolk angefuͤllt, die ihre Hunde herum-
ſchleppten, und bei weitem die Freude nicht empfanden,
die ich im Garten der Natur fuͤhlte. Sie goſſen ihre
Flacons da aufs Schnupftuch aus, wo die Natur die an-
genehmſten Balſamduͤfte verbreitete. Ich hatte Luſt,
noch einmahl die ſchoͤnſten Gegenden des Gartens am
Schloſſe zu beſuchen, und ging alſo, — um zu der Zeit,
wo in meinem Vaterlande in den Tempeln des Herrn
Loblieder erſchallen, auch meine Seele zu den Empfin-
dungen der Guͤte und Liebe Gottes noch mehr anzufeuren
— in die

Isle d’Amour. So heiſt eine Gegend im Gar-
ten, die ich nicht ſtark genug werde beſchreiben koͤnnen.
Hab’ ich mir je Rubens Zauberpinſel, oder Gesner’s
maleriſche Sprache gewuͤnſcht; ſo war’s jetzt. Zwiſchen
zwei Waſſerkanaͤlen findet man Alleen, Haͤuschen, Run-
dele, Rabatten und Zirkel mit Blumen angefuͤllt, Ka-
napees, Statuͤen, ſpringende Waſſer, allerlei Motions-
Maſchinen, Bruͤcken, chineſiſche Pavillons, fremde
Baͤume, und noch tauſend andre Dinge, alles mit der
groͤſten Delikateſſe, mit dem feinſten Geſchmacke vertheilt.

Man
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[381/0405] von den Gerichtsherren gingen mit den Wachen, im Kir- chenrocke und Ueberſchlage herum, und wogen das Brod, die Butter ꝛc. Es war auſſerordentlich ſchoͤnes Wetter, wie ichs in Frankreich noch nie erlebt hatte; alles war munter, zufrieden, — ich ging ſelber im Schlafrock auf den Markt, und kaufte mir Kirſchen, Erdbeeren und Johannisbeeren. — Praͤchtiger Anblick des Feſts der Froͤlichkeit und Heiterkeit unter den fleiſſigen Landleuten! Ich ſprach mit vielen, und fand recht brave, wackre Leu- te. Gegen Mittag wurden die Aubergen mit dem flat- terhaften Pariſervolk angefuͤllt, die ihre Hunde herum- ſchleppten, und bei weitem die Freude nicht empfanden, die ich im Garten der Natur fuͤhlte. Sie goſſen ihre Flacons da aufs Schnupftuch aus, wo die Natur die an- genehmſten Balſamduͤfte verbreitete. Ich hatte Luſt, noch einmahl die ſchoͤnſten Gegenden des Gartens am Schloſſe zu beſuchen, und ging alſo, — um zu der Zeit, wo in meinem Vaterlande in den Tempeln des Herrn Loblieder erſchallen, auch meine Seele zu den Empfin- dungen der Guͤte und Liebe Gottes noch mehr anzufeuren — in die Isle d’Amour. So heiſt eine Gegend im Gar- ten, die ich nicht ſtark genug werde beſchreiben koͤnnen. Hab’ ich mir je Rubens Zauberpinſel, oder Gesner’s maleriſche Sprache gewuͤnſcht; ſo war’s jetzt. Zwiſchen zwei Waſſerkanaͤlen findet man Alleen, Haͤuschen, Run- dele, Rabatten und Zirkel mit Blumen angefuͤllt, Ka- napees, Statuͤen, ſpringende Waſſer, allerlei Motions- Maſchinen, Bruͤcken, chineſiſche Pavillons, fremde Baͤume, und noch tauſend andre Dinge, alles mit der groͤſten Delikateſſe, mit dem feinſten Geſchmacke vertheilt. Man

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/405>, abgerufen am 22.11.2024.