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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Das Laden des Schiffs geschieht durch Rollen und
Flaschenzüge. Das währte so lange, daß wir erst um
103/4. Uhr den Anker lichten und aftrecken konnten. Es
gingen bald hernach 8. Schiffe von Rotterdam bei uns
vorbei.

Um 12. Uhr waren wir bei der Phlippe, dem letz-
ten Kaiserlichen Fort. Wir sollten visitirt werden, der
Kapitain ging aber im kleinen Boot, das hinten am
Schiffe angebunden nachschwimmt, mit seinen Briefschaf-
ten hin, und guarantirte für jeden, der bei ihm in der
Kajüte war. Der Kommis kam mit ihm zurück, und
ward mit einem Glase Wein traktirt.

Um halb 2. Uhr waren wir bei Lillo, dem ersten
holländischen Fort. Und weil grade in der Schelde
Ebbe war, und der Wind sehr schwach, so musten wir
da sehr lange warten. Indessen fuhr der Kapitain mit
seiner Frau und Tochter wieder hinüber, und bewahrte
meinen Kuffer vor der Untersuchung. Die Schiffsbe-
dienten ruhen indes auch aus, essen, und waschen be-
ständig das Schiff. Denn hier sieht man schon die Rein-
lichkeit der Holländer. Keine Erdbeere, kein Kirsch-
kern etc. darf auf dem Schiffe bleiben. In der Kajüte
gibt man jedem, der Toback raucht, ein zinnernes Spuck-
näpfchen, und selbst die Kajüte wird alle Tage durch den
Schiffsjungen mit wollnen Besen gekehrt.

That es mir nicht ordentlich wohl, daß ich auch wie-
der bei Menschen war, die ihre Geschäfte, ohne bestän-
dig das Sacre Dieu im Maule zu haben, verrichten,
und bei Protestanten, die vor und nach dem Essen beten?
Man sagt viel von der Wildheit der Matrosen, aber ich

fand

Das Laden des Schiffs geſchieht durch Rollen und
Flaſchenzuͤge. Das waͤhrte ſo lange, daß wir erſt um
10¾. Uhr den Anker lichten und aftrecken konnten. Es
gingen bald hernach 8. Schiffe von Rotterdam bei uns
vorbei.

Um 12. Uhr waren wir bei der Phlippe, dem letz-
ten Kaiſerlichen Fort. Wir ſollten viſitirt werden, der
Kapitain ging aber im kleinen Boot, das hinten am
Schiffe angebunden nachſchwimmt, mit ſeinen Briefſchaf-
ten hin, und guarantirte fuͤr jeden, der bei ihm in der
Kajuͤte war. Der Kommis kam mit ihm zuruͤck, und
ward mit einem Glaſe Wein traktirt.

Um halb 2. Uhr waren wir bei Lillo, dem erſten
hollaͤndiſchen Fort. Und weil grade in der Schelde
Ebbe war, und der Wind ſehr ſchwach, ſo muſten wir
da ſehr lange warten. Indeſſen fuhr der Kapitain mit
ſeiner Frau und Tochter wieder hinuͤber, und bewahrte
meinen Kuffer vor der Unterſuchung. Die Schiffsbe-
dienten ruhen indes auch aus, eſſen, und waſchen be-
ſtaͤndig das Schiff. Denn hier ſieht man ſchon die Rein-
lichkeit der Hollaͤnder. Keine Erdbeere, kein Kirſch-
kern ꝛc. darf auf dem Schiffe bleiben. In der Kajuͤte
gibt man jedem, der Toback raucht, ein zinnernes Spuck-
naͤpfchen, und ſelbſt die Kajuͤte wird alle Tage durch den
Schiffsjungen mit wollnen Beſen gekehrt.

That es mir nicht ordentlich wohl, daß ich auch wie-
der bei Menſchen war, die ihre Geſchaͤfte, ohne beſtaͤn-
dig das Sacre Dieu im Maule zu haben, verrichten,
und bei Proteſtanten, die vor und nach dem Eſſen beten?
Man ſagt viel von der Wildheit der Matroſen, aber ich

fand
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[463/0487] Das Laden des Schiffs geſchieht durch Rollen und Flaſchenzuͤge. Das waͤhrte ſo lange, daß wir erſt um 10¾. Uhr den Anker lichten und aftrecken konnten. Es gingen bald hernach 8. Schiffe von Rotterdam bei uns vorbei. Um 12. Uhr waren wir bei der Phlippe, dem letz- ten Kaiſerlichen Fort. Wir ſollten viſitirt werden, der Kapitain ging aber im kleinen Boot, das hinten am Schiffe angebunden nachſchwimmt, mit ſeinen Briefſchaf- ten hin, und guarantirte fuͤr jeden, der bei ihm in der Kajuͤte war. Der Kommis kam mit ihm zuruͤck, und ward mit einem Glaſe Wein traktirt. Um halb 2. Uhr waren wir bei Lillo, dem erſten hollaͤndiſchen Fort. Und weil grade in der Schelde Ebbe war, und der Wind ſehr ſchwach, ſo muſten wir da ſehr lange warten. Indeſſen fuhr der Kapitain mit ſeiner Frau und Tochter wieder hinuͤber, und bewahrte meinen Kuffer vor der Unterſuchung. Die Schiffsbe- dienten ruhen indes auch aus, eſſen, und waſchen be- ſtaͤndig das Schiff. Denn hier ſieht man ſchon die Rein- lichkeit der Hollaͤnder. Keine Erdbeere, kein Kirſch- kern ꝛc. darf auf dem Schiffe bleiben. In der Kajuͤte gibt man jedem, der Toback raucht, ein zinnernes Spuck- naͤpfchen, und ſelbſt die Kajuͤte wird alle Tage durch den Schiffsjungen mit wollnen Beſen gekehrt. That es mir nicht ordentlich wohl, daß ich auch wie- der bei Menſchen war, die ihre Geſchaͤfte, ohne beſtaͤn- dig das Sacre Dieu im Maule zu haben, verrichten, und bei Proteſtanten, die vor und nach dem Eſſen beten? Man ſagt viel von der Wildheit der Matroſen, aber ich fand

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/487>, abgerufen am 22.11.2024.