liebenswürdiger Mann, der unter allen Franzosen, mir bisher noch am meisten gefallen hat. Solid, ge- setzt, gelehrt, gefällig, höflich, für seine Thieranatomie äusserst geschäftig, ohne Flittergold im Putz, -- ging er da, an den Anblick gewöhnt, ruhig auf und ab, und un- terhielt sich aufs gefälligste mit mir. Er beklagte sich, daß deutsche Schriften z. B. Justi's, bei ihm so schwer zu bekommen wären. Er lobte die Durchl. Fr. Marg- gräfin von Baaden, und erinnerte sich an Professor Murray in Göttingen, der bei ihm gewesen war. Mit- ten in den angenehmsten Unterredungen kam ein faselnder Franzos und nöthigte den denkenden, ernsthaften Mann, einen Fächer eines Frauenzimmers zu betrachten, der aus chinesischen Papier, mit chinesischen Vögelmalereien und vergoldeten Stäben zusammengesetzt war, und 5 Louisd'or gekostet hatte. Der Faquin nannte das auch ein Na- turalienkabinet, als wenn so eine armselige Kleinigkeit für einen Mann wichtig wäre. Restez ici, sagte er zu mir, nous causeront encore un moment en- semble. Und nachher bestellte er mich auf den Sonn- abend um 11. Uhr wieder allein zu sich hieher.
Bemerkungen.
Paris hat ein gutes Pflaster, das beständig un- terhalten wird. Die Steine an sich thun nicht weh, sie sind gar nicht spitzig, sondern sehr breit; aber der Koth wird durch das unaufhörliche Laufen und Fahren so herumge- schmiert, daß man alle Augenblicke glitscht. Die Absätze an den Schuhen gehen gleich wieder ab, und die Schuhe faseln aus in wenig Tagen.
Es
liebenswuͤrdiger Mann, der unter allen Franzoſen, mir bisher noch am meiſten gefallen hat. Solid, ge- ſetzt, gelehrt, gefaͤllig, hoͤflich, fuͤr ſeine Thieranatomie aͤuſſerſt geſchaͤftig, ohne Flittergold im Putz, — ging er da, an den Anblick gewoͤhnt, ruhig auf und ab, und un- terhielt ſich aufs gefaͤlligſte mit mir. Er beklagte ſich, daß deutſche Schriften z. B. Juſti’s, bei ihm ſo ſchwer zu bekommen waͤren. Er lobte die Durchl. Fr. Marg- graͤfin von Baaden, und erinnerte ſich an Profeſſor Murray in Goͤttingen, der bei ihm geweſen war. Mit- ten in den angenehmſten Unterredungen kam ein faſelnder Franzos und noͤthigte den denkenden, ernſthaften Mann, einen Faͤcher eines Frauenzimmers zu betrachten, der aus chineſiſchen Papier, mit chineſiſchen Voͤgelmalereien und vergoldeten Staͤben zuſammengeſetzt war, und 5 Louisd’or gekoſtet hatte. Der Faquin nannte das auch ein Na- turalienkabinet, als wenn ſo eine armſelige Kleinigkeit fuͤr einen Mann wichtig waͤre. Reſtez ici, ſagte er zu mir, nous cauſeront encore un moment en- ſemble. Und nachher beſtellte er mich auf den Sonn- abend um 11. Uhr wieder allein zu ſich hieher.
Bemerkungen.
Paris hat ein gutes Pflaſter, das beſtaͤndig un- terhalten wird. Die Steine an ſich thun nicht weh, ſie ſind gar nicht ſpitzig, ſondern ſehr breit; aber der Koth wird durch das unaufhoͤrliche Laufen und Fahren ſo herumge- ſchmiert, daß man alle Augenblicke glitſcht. Die Abſaͤtze an den Schuhen gehen gleich wieder ab, und die Schuhe faſeln aus in wenig Tagen.
Es
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liebenswuͤrdiger Mann, der unter allen Franzoſen, mir
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ſetzt, gelehrt, gefaͤllig, hoͤflich, fuͤr ſeine Thieranatomie
aͤuſſerſt geſchaͤftig, ohne Flittergold im Putz, — ging er
da, an den Anblick gewoͤhnt, ruhig auf und ab, und un-
terhielt ſich aufs gefaͤlligſte mit mir. Er beklagte ſich,
daß deutſche Schriften z. B. Juſti’s, bei ihm ſo ſchwer
zu bekommen waͤren. Er lobte die Durchl. Fr. Marg-
graͤfin von Baaden, und erinnerte ſich an Profeſſor
Murray in Goͤttingen, der bei ihm geweſen war. Mit-
ten in den angenehmſten Unterredungen kam ein faſelnder
Franzos und noͤthigte den denkenden, ernſthaften Mann,
einen Faͤcher eines Frauenzimmers zu betrachten, der aus
chineſiſchen Papier, mit chineſiſchen Voͤgelmalereien und
vergoldeten Staͤben zuſammengeſetzt war, und 5 Louisd’or
gekoſtet hatte. Der Faquin nannte das auch ein Na-
turalienkabinet, als wenn ſo eine armſelige Kleinigkeit
fuͤr einen Mann wichtig waͤre. Reſtez ici, ſagte er
zu mir, nous cauſeront encore un moment en-
ſemble. Und nachher beſtellte er mich auf den Sonn-
abend um 11. Uhr wieder allein zu ſich hieher.
Bemerkungen.
Paris hat ein gutes Pflaſter, das beſtaͤndig un-
terhalten wird. Die Steine an ſich thun nicht weh, ſie
ſind gar nicht ſpitzig, ſondern ſehr breit; aber der Koth wird
durch das unaufhoͤrliche Laufen und Fahren ſo herumge-
ſchmiert, daß man alle Augenblicke glitſcht. Die Abſaͤtze
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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