jedem Sitz ist ein eignes Speichelkästchen. Weil das Beten und Singen im Chor oft drei Stunden währt, so hat man diese Stühle so bequem machen lassen, daß sie auch stehend doch halber sitzen können. P. Oberrech- ner und ich brachten fast einen ganzen Vormittag damit zu, daß wir die Kirche besahen, wiewohl wir nicht ein- mahl auf dem Gesimse, auf welchem die Kuppel ruht, herumgingen, aus Furcht, es möchte uns ein Schwindel ankommen. Und doch führte mich der Fürst Selber nach der Tafel noch einmahl hinein, und zeigte mir noch man- che Schönheit, die ich übersehen hatte; z. B. Auf der obersten Stufe des Eingangs in den Chor ist linker Hand am Gitter ein weisses Ammonshorn in dem schwarzen Marmor, das ziemlich gros ist, aber doch nur anderthalb Windungen hat. Der Fürst hat es mit Fleis erhalten, und hier anbringen lassen, weil er viel bessre Einsichten in die wahre Schönheiten der Natur und der Religion hat, als ein ganzes Heer von seinen Glaubensgenossen. Man hat rothe und schwarze Kupferstiche vom Kloster und von dem Portal dieser Kirche. Ich habe beide aus der gnä- digen Hand des Fürsten zum Geschenk erhalten, und be- wahre sie als eine angenehme Erinnerung an angenehm verlebte Tage.
Wir gingen aus der Kirche nach dem Hause, das, um eine Glocke zu giessen, aufgebauet worden ist. Zur neuen Kirche gehörte freilich auch ein ansehnliches und feierliches Geläute. Der Fürst gab einige alte Glocken und Glockengut genug her, und lies zwei Glocken giessen, deren Ton harmonisch seyn sollte. Nach der genauesten Berechnung verhalten sie sich gegen einander, wie Eins zu Vier. Jetzt ward diejenige gegossen, die hundert
und
jedem Sitz iſt ein eignes Speichelkaͤſtchen. Weil das Beten und Singen im Chor oft drei Stunden waͤhrt, ſo hat man dieſe Stuͤhle ſo bequem machen laſſen, daß ſie auch ſtehend doch halber ſitzen koͤnnen. P. Oberrech- ner und ich brachten faſt einen ganzen Vormittag damit zu, daß wir die Kirche beſahen, wiewohl wir nicht ein- mahl auf dem Geſimſe, auf welchem die Kuppel ruht, herumgingen, aus Furcht, es moͤchte uns ein Schwindel ankommen. Und doch fuͤhrte mich der Fuͤrſt Selber nach der Tafel noch einmahl hinein, und zeigte mir noch man- che Schoͤnheit, die ich uͤberſehen hatte; z. B. Auf der oberſten Stufe des Eingangs in den Chor iſt linker Hand am Gitter ein weiſſes Ammonshorn in dem ſchwarzen Marmor, das ziemlich gros iſt, aber doch nur anderthalb Windungen hat. Der Fuͤrſt hat es mit Fleis erhalten, und hier anbringen laſſen, weil er viel beſſre Einſichten in die wahre Schoͤnheiten der Natur und der Religion hat, als ein ganzes Heer von ſeinen Glaubensgenoſſen. Man hat rothe und ſchwarze Kupferſtiche vom Kloſter und von dem Portal dieſer Kirche. Ich habe beide aus der gnaͤ- digen Hand des Fuͤrſten zum Geſchenk erhalten, und be- wahre ſie als eine angenehme Erinnerung an angenehm verlebte Tage.
Wir gingen aus der Kirche nach dem Hauſe, das, um eine Glocke zu gieſſen, aufgebauet worden iſt. Zur neuen Kirche gehoͤrte freilich auch ein anſehnliches und feierliches Gelaͤute. Der Fuͤrſt gab einige alte Glocken und Glockengut genug her, und lies zwei Glocken gieſſen, deren Ton harmoniſch ſeyn ſollte. Nach der genaueſten Berechnung verhalten ſie ſich gegen einander, wie Eins zu Vier. Jetzt ward diejenige gegoſſen, die hundert
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jedem Sitz iſt ein eignes Speichelkaͤſtchen. Weil das
Beten und Singen im Chor oft drei Stunden waͤhrt, ſo
hat man dieſe Stuͤhle ſo bequem machen laſſen, daß ſie
auch ſtehend doch halber ſitzen koͤnnen. P. Oberrech-
ner und ich brachten faſt einen ganzen Vormittag damit
zu, daß wir die Kirche beſahen, wiewohl wir nicht ein-
mahl auf dem Geſimſe, auf welchem die Kuppel ruht,
herumgingen, aus Furcht, es moͤchte uns ein Schwindel
ankommen. Und doch fuͤhrte mich der Fuͤrſt Selber nach
der Tafel noch einmahl hinein, und zeigte mir noch man-
che Schoͤnheit, die ich uͤberſehen hatte; z. B. Auf der
oberſten Stufe des Eingangs in den Chor iſt linker Hand
am Gitter ein weiſſes Ammonshorn in dem ſchwarzen
Marmor, das ziemlich gros iſt, aber doch nur anderthalb
Windungen hat. Der Fuͤrſt hat es mit Fleis erhalten,
und hier anbringen laſſen, weil er viel beſſre Einſichten in
die wahre Schoͤnheiten der Natur und der Religion hat,
als ein ganzes Heer von ſeinen Glaubensgenoſſen. Man
hat rothe und ſchwarze Kupferſtiche vom Kloſter und von
dem Portal dieſer Kirche. Ich habe beide aus der gnaͤ-
digen Hand des Fuͤrſten zum Geſchenk erhalten, und be-
wahre ſie als eine angenehme Erinnerung an angenehm
verlebte Tage.
Wir gingen aus der Kirche nach dem Hauſe, das,
um eine Glocke zu gieſſen, aufgebauet worden iſt. Zur
neuen Kirche gehoͤrte freilich auch ein anſehnliches und
feierliches Gelaͤute. Der Fuͤrſt gab einige alte Glocken
und Glockengut genug her, und lies zwei Glocken gieſſen,
deren Ton harmoniſch ſeyn ſollte. Nach der genaueſten
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/444>, abgerufen am 22.11.2024.
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