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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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habe eine lateinische Rede nicht übel deklamirt, er habe
aber wenig verstanden, weil der Pabst das Lateinische
mit dem Welschen Accent ausgesprochen hätte.

Bemerkungen.

Wer hier nach Wissenschaften, Bibliotheken, Ka-
binettern etc. fragt, von dem ziehen sich die meisten Leute
gleich zurück. Der Monarch wird viele Mühe haben,
einen bessern Ton unter diese Leute zu bringen. Essen,
Trinken, Spielen und Spazierengehen -- das ist hier
der Ton und die Lebensart der meisten. Man sagte es mir
gleich voraus, daß ich's mich nicht verdriessen lassen müsse,
gar oft zu einem Inspektor, Bibliothekar, Direktor etc.
zu laufen, ehe ich meinen Zweck erreichen würde. Der
Zerstreuungen sind zu viel, und die Nation schätzt das
Solide noch nicht.

Viel gelesen wird hier auch nicht. Man hört in
grossen und illustern Gesellschaften nicht ein Wort von
Litteratur. Einige thun, als wären sie mit den Neusten
von uns bekannt, aber es fehlt noch viel. Ihr erster
Unterricht taugt nichts. Sie kommen kaum in der
Sprache fort, und machen viele Fehler. Selbst die
besten Wiener Gelehrten, Geistliche und Exjesuiten sind
nicht einmahl unter ihren eigenen Geistlichen bekannt. Ich
fragte einmahl beim Durchgang durch das Profeßhaus,
als der Lohnbediente einige Häuser nicht zu finden wußte,
bei einem ganzen Haufen Geistlicher, die da standen,
wo die Herren Mastalier, Denis, Rautenstrauch etc.
wohnten, aber sie hörten die Namen zum erstenmahle.
"Die kenn' i halter nit", sagte einer, der doch dicker war,
als ein rechter Bayrischer Bauer und Biersäufer. --

Wer

habe eine lateiniſche Rede nicht uͤbel deklamirt, er habe
aber wenig verſtanden, weil der Pabſt das Lateiniſche
mit dem Welſchen Accent ausgeſprochen haͤtte.

Bemerkungen.

Wer hier nach Wiſſenſchaften, Bibliotheken, Ka-
binettern ꝛc. fragt, von dem ziehen ſich die meiſten Leute
gleich zuruͤck. Der Monarch wird viele Muͤhe haben,
einen beſſern Ton unter dieſe Leute zu bringen. Eſſen,
Trinken, Spielen und Spazierengehen — das iſt hier
der Ton und die Lebensart der meiſten. Man ſagte es mir
gleich voraus, daß ich’s mich nicht verdrieſſen laſſen muͤſſe,
gar oft zu einem Inſpektor, Bibliothekar, Direktor ꝛc.
zu laufen, ehe ich meinen Zweck erreichen wuͤrde. Der
Zerſtreuungen ſind zu viel, und die Nation ſchaͤtzt das
Solide noch nicht.

Viel geleſen wird hier auch nicht. Man hoͤrt in
groſſen und illuſtern Geſellſchaften nicht ein Wort von
Litteratur. Einige thun, als waͤren ſie mit den Neuſten
von uns bekannt, aber es fehlt noch viel. Ihr erſter
Unterricht taugt nichts. Sie kommen kaum in der
Sprache fort, und machen viele Fehler. Selbſt die
beſten Wiener Gelehrten, Geiſtliche und Exjeſuiten ſind
nicht einmahl unter ihren eigenen Geiſtlichen bekannt. Ich
fragte einmahl beim Durchgang durch das Profeßhaus,
als der Lohnbediente einige Haͤuſer nicht zu finden wußte,
bei einem ganzen Haufen Geiſtlicher, die da ſtanden,
wo die Herren Maſtalier, Denis, Rautenſtrauch ꝛc.
wohnten, aber ſie hoͤrten die Namen zum erſtenmahle.
„Die kenn’ i halter nit“, ſagte einer, der doch dicker war,
als ein rechter Bayriſcher Bauer und Bierſaͤufer. —

Wer
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[475/0513] habe eine lateiniſche Rede nicht uͤbel deklamirt, er habe aber wenig verſtanden, weil der Pabſt das Lateiniſche mit dem Welſchen Accent ausgeſprochen haͤtte. Bemerkungen. Wer hier nach Wiſſenſchaften, Bibliotheken, Ka- binettern ꝛc. fragt, von dem ziehen ſich die meiſten Leute gleich zuruͤck. Der Monarch wird viele Muͤhe haben, einen beſſern Ton unter dieſe Leute zu bringen. Eſſen, Trinken, Spielen und Spazierengehen — das iſt hier der Ton und die Lebensart der meiſten. Man ſagte es mir gleich voraus, daß ich’s mich nicht verdrieſſen laſſen muͤſſe, gar oft zu einem Inſpektor, Bibliothekar, Direktor ꝛc. zu laufen, ehe ich meinen Zweck erreichen wuͤrde. Der Zerſtreuungen ſind zu viel, und die Nation ſchaͤtzt das Solide noch nicht. Viel geleſen wird hier auch nicht. Man hoͤrt in groſſen und illuſtern Geſellſchaften nicht ein Wort von Litteratur. Einige thun, als waͤren ſie mit den Neuſten von uns bekannt, aber es fehlt noch viel. Ihr erſter Unterricht taugt nichts. Sie kommen kaum in der Sprache fort, und machen viele Fehler. Selbſt die beſten Wiener Gelehrten, Geiſtliche und Exjeſuiten ſind nicht einmahl unter ihren eigenen Geiſtlichen bekannt. Ich fragte einmahl beim Durchgang durch das Profeßhaus, als der Lohnbediente einige Haͤuſer nicht zu finden wußte, bei einem ganzen Haufen Geiſtlicher, die da ſtanden, wo die Herren Maſtalier, Denis, Rautenſtrauch ꝛc. wohnten, aber ſie hoͤrten die Namen zum erſtenmahle. „Die kenn’ i halter nit“, ſagte einer, der doch dicker war, als ein rechter Bayriſcher Bauer und Bierſaͤufer. — Wer

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/513>, abgerufen am 24.11.2024.