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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Heute war um 7, 8. Uhr so herrliches Wetter, daß
mancher schon über Hitze klagte, und ehe es Mittag ward,
war es so stürmisch, kalt und unfreundlich, als wenn wir
im November lebten. Gestern schneite es in Schön-
brunn
recht ernstlich.

Bemerkungen.

Von Wittingau in Böhmen wurden heute an die
hiesigen Aerzte 6. abscheulich grosse Steine geschickt, die
der dortige verstorbene Posthalter in der Blase hatte.
Kein Prof. Anat. und kein Doktor an einem Hospital
wird leicht so grosse gesehen haben. Sie waren grösser
und dicker als die stärkste Mandel mit ihrem wolligen Ue-
berzug und füllten ein ganzes Schächtelchen aus. Der
Mann muß erschreckliche Schmerzen ausgestanden haben.

Den 22sten Mai.

Der heutige Tag ging mit Packen, Abschiednehmen
und Anschicken zu Abreise hin. Indessen sprach ich
doch noch die Herren Denis, Mastaller und von Me-
chel
an der Tafel des Hrn. von Stockmaiers. De-
nis
erschrack über Maepherson's neue Ausgabe. We-
gen der vielen Veränderungen hält er nun selber den Text
für unrichtig. Er arbeitet auch an einer neuen Ausgabe
seiner Uebersetzung, aber sie wird viele Mühe kosten.
Mastalier ist Professor der Aesthetik, und ein muntrer
Mann, klagt aber, daß man hier zu Lande auf das Fach
gar nicht Rücksicht nehme. Die Oesterreichischen Stu-
denten bekümmern sich um diese Wissenschaft gar nicht.
Er disputirte über Tisch darüber, daß das Wort be-
trächtlich
gar nicht gut sei, Adelung und andre hättens

auch

Heute war um 7, 8. Uhr ſo herrliches Wetter, daß
mancher ſchon uͤber Hitze klagte, und ehe es Mittag ward,
war es ſo ſtuͤrmiſch, kalt und unfreundlich, als wenn wir
im November lebten. Geſtern ſchneite es in Schoͤn-
brunn
recht ernſtlich.

Bemerkungen.

Von Wittingau in Boͤhmen wurden heute an die
hieſigen Aerzte 6. abſcheulich groſſe Steine geſchickt, die
der dortige verſtorbene Poſthalter in der Blaſe hatte.
Kein Prof. Anat. und kein Doktor an einem Hoſpital
wird leicht ſo groſſe geſehen haben. Sie waren groͤſſer
und dicker als die ſtaͤrkſte Mandel mit ihrem wolligen Ue-
berzug und fuͤllten ein ganzes Schaͤchtelchen aus. Der
Mann muß erſchreckliche Schmerzen ausgeſtanden haben.

Den 22ſten Mai.

Der heutige Tag ging mit Packen, Abſchiednehmen
und Anſchicken zu Abreiſe hin. Indeſſen ſprach ich
doch noch die Herren Denis, Maſtaller und von Me-
chel
an der Tafel des Hrn. von Stockmaiers. De-
nis
erſchrack uͤber Maepherſon’s neue Ausgabe. We-
gen der vielen Veraͤnderungen haͤlt er nun ſelber den Text
fuͤr unrichtig. Er arbeitet auch an einer neuen Ausgabe
ſeiner Ueberſetzung, aber ſie wird viele Muͤhe koſten.
Maſtalier iſt Profeſſor der Aeſthetik, und ein muntrer
Mann, klagt aber, daß man hier zu Lande auf das Fach
gar nicht Ruͤckſicht nehme. Die Oeſterreichiſchen Stu-
denten bekuͤmmern ſich um dieſe Wiſſenſchaft gar nicht.
Er diſputirte uͤber Tiſch daruͤber, daß das Wort be-
traͤchtlich
gar nicht gut ſei, Adelung und andre haͤttens

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[606/0644] Heute war um 7, 8. Uhr ſo herrliches Wetter, daß mancher ſchon uͤber Hitze klagte, und ehe es Mittag ward, war es ſo ſtuͤrmiſch, kalt und unfreundlich, als wenn wir im November lebten. Geſtern ſchneite es in Schoͤn- brunn recht ernſtlich. Bemerkungen. Von Wittingau in Boͤhmen wurden heute an die hieſigen Aerzte 6. abſcheulich groſſe Steine geſchickt, die der dortige verſtorbene Poſthalter in der Blaſe hatte. Kein Prof. Anat. und kein Doktor an einem Hoſpital wird leicht ſo groſſe geſehen haben. Sie waren groͤſſer und dicker als die ſtaͤrkſte Mandel mit ihrem wolligen Ue- berzug und fuͤllten ein ganzes Schaͤchtelchen aus. Der Mann muß erſchreckliche Schmerzen ausgeſtanden haben. Den 22ſten Mai. Der heutige Tag ging mit Packen, Abſchiednehmen und Anſchicken zu Abreiſe hin. Indeſſen ſprach ich doch noch die Herren Denis, Maſtaller und von Me- chel an der Tafel des Hrn. von Stockmaiers. De- nis erſchrack uͤber Maepherſon’s neue Ausgabe. We- gen der vielen Veraͤnderungen haͤlt er nun ſelber den Text fuͤr unrichtig. Er arbeitet auch an einer neuen Ausgabe ſeiner Ueberſetzung, aber ſie wird viele Muͤhe koſten. Maſtalier iſt Profeſſor der Aeſthetik, und ein muntrer Mann, klagt aber, daß man hier zu Lande auf das Fach gar nicht Ruͤckſicht nehme. Die Oeſterreichiſchen Stu- denten bekuͤmmern ſich um dieſe Wiſſenſchaft gar nicht. Er diſputirte uͤber Tiſch daruͤber, daß das Wort be- traͤchtlich gar nicht gut ſei, Adelung und andre haͤttens auch

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/644>, abgerufen am 29.11.2024.