gehen. Doch wunderte ich mich, daß ich in dieser Kir- che alle Augenblicke angebettelt wurde.
Ich ging heute noch zu Hrn. Wagner, einem Freun- de von denen in Trieste. Ich lernte in ihm einen Mann kennen, der nicht blos Kaufmann ist, sondern viel gele- sen und studirt hat, sonderlich die Erziehung seiner Kin- der, (nicht hier, sondern in Augspurg, wo er her und Patricius ist,) mit vielen Kosten besorgt, und wirklich seinen Sohn von Erlang nach Lautern schickte. Er ließ sich sonst oft Hofmeister vom Hrn. Prof. Freylingshau- sen aus Halle schicken, aber viele wurden, wie er sagte, in kurzer Zeit Welsch!
Man wird der Schiffe und des Meers hier so ge- wohnt, daß einem Wasser wie Land, und Land wie Wasser vorkömmt. Eine Menge kleiner Inseln im Meer, die bald grösser bald kleiner sind, gab wohl An- laß zur Erbauung dieser Stadt. Doch macht die Anla- ge dem Menschenverstande allemahl Ehre. Amsterdam ist nur an das Meer, Venedig aber mitten ins Meer gebaut. Von der Höhe des Markusthurms soll man die vielen Inseln recht gut übersehen können.
Bemerkungen.
Die Gondeln müssen alle schwarz seyn, damit nicht auch hier der Luxus in Ausschweifungen wetteifere. Sie sehen aber wirklich finster und traurig aus, und alles ist schwarz daran, schwarze Hütten darauf, schwarze Bre- ter, schwarze Küssen, schwarze Vorhänge etc. Sie sind 30. Schuh lang, schmal, und schiessen schnell über das Wasser hin. Auf jeder sind 2. Gondoliers gemeiniglich in weissen Kitteln. Man akkordirt mit ihnen nach der
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gehen. Doch wunderte ich mich, daß ich in dieſer Kir- che alle Augenblicke angebettelt wurde.
Ich ging heute noch zu Hrn. Wagner, einem Freun- de von denen in Trieſte. Ich lernte in ihm einen Mann kennen, der nicht blos Kaufmann iſt, ſondern viel gele- ſen und ſtudirt hat, ſonderlich die Erziehung ſeiner Kin- der, (nicht hier, ſondern in Augſpurg, wo er her und Patricius iſt,) mit vielen Koſten beſorgt, und wirklich ſeinen Sohn von Erlang nach Lautern ſchickte. Er ließ ſich ſonſt oft Hofmeiſter vom Hrn. Prof. Freylingshau- ſen aus Halle ſchicken, aber viele wurden, wie er ſagte, in kurzer Zeit Welſch!
Man wird der Schiffe und des Meers hier ſo ge- wohnt, daß einem Waſſer wie Land, und Land wie Waſſer vorkoͤmmt. Eine Menge kleiner Inſeln im Meer, die bald groͤſſer bald kleiner ſind, gab wohl An- laß zur Erbauung dieſer Stadt. Doch macht die Anla- ge dem Menſchenverſtande allemahl Ehre. Amſterdam iſt nur an das Meer, Venedig aber mitten ins Meer gebaut. Von der Hoͤhe des Markusthurms ſoll man die vielen Inſeln recht gut uͤberſehen koͤnnen.
Bemerkungen.
Die Gondeln muͤſſen alle ſchwarz ſeyn, damit nicht auch hier der Luxus in Ausſchweifungen wetteifere. Sie ſehen aber wirklich finſter und traurig aus, und alles iſt ſchwarz daran, ſchwarze Huͤtten darauf, ſchwarze Bre- ter, ſchwarze Kuͤſſen, ſchwarze Vorhaͤnge ꝛc. Sie ſind 30. Schuh lang, ſchmal, und ſchieſſen ſchnell uͤber das Waſſer hin. Auf jeder ſind 2. Gondoliers gemeiniglich in weiſſen Kitteln. Man akkordirt mit ihnen nach der
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gehen. Doch wunderte ich mich, daß ich in dieſer Kir-
che alle Augenblicke angebettelt wurde.
Ich ging heute noch zu Hrn. Wagner, einem Freun-
de von denen in Trieſte. Ich lernte in ihm einen Mann
kennen, der nicht blos Kaufmann iſt, ſondern viel gele-
ſen und ſtudirt hat, ſonderlich die Erziehung ſeiner Kin-
der, (nicht hier, ſondern in Augſpurg, wo er her und
Patricius iſt,) mit vielen Koſten beſorgt, und wirklich
ſeinen Sohn von Erlang nach Lautern ſchickte. Er ließ
ſich ſonſt oft Hofmeiſter vom Hrn. Prof. Freylingshau-
ſen aus Halle ſchicken, aber viele wurden, wie er ſagte,
in kurzer Zeit Welſch!
Man wird der Schiffe und des Meers hier ſo ge-
wohnt, daß einem Waſſer wie Land, und Land wie
Waſſer vorkoͤmmt. Eine Menge kleiner Inſeln im
Meer, die bald groͤſſer bald kleiner ſind, gab wohl An-
laß zur Erbauung dieſer Stadt. Doch macht die Anla-
ge dem Menſchenverſtande allemahl Ehre. Amſterdam
iſt nur an das Meer, Venedig aber mitten ins Meer
gebaut. Von der Hoͤhe des Markusthurms ſoll man
die vielen Inſeln recht gut uͤberſehen koͤnnen.
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Die Gondeln muͤſſen alle ſchwarz ſeyn, damit nicht
auch hier der Luxus in Ausſchweifungen wetteifere. Sie
ſehen aber wirklich finſter und traurig aus, und alles iſt
ſchwarz daran, ſchwarze Huͤtten darauf, ſchwarze Bre-
ter, ſchwarze Kuͤſſen, ſchwarze Vorhaͤnge ꝛc. Sie ſind
30. Schuh lang, ſchmal, und ſchieſſen ſchnell uͤber das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/655>, abgerufen am 28.11.2024.
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