Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschenliebe des Erlösers.
Religion, nur äußeres Gewand des Christen, das der
Heuchler auch über sich wirft, nur Mittel, nur Anleitung
und Vorbereitung zur wahren Furcht und Liebe des Höch-
sten, und zur innern Vereinigung mit dem Erlöser seyn
sollen? Das sind die reinen und geläuterten Begriffe von
der Gottesverehrung, die er selbst unter seinen Zuhörern
verbreitete. Das ist die Sprache, die er selber führte,
und die wir von ihm gelernt haben. Aber Jesus Chri-
stus ehrte dem ungeachtet durch sein großes Beyspiel den
öffentlichen Unterricht, er billigte die Versammlungen
der Menschen zum Lob Gottes, mit nachahmungswür-
diger Religiosität nahm er an jedem Sabbath, und an
jedem Fest, das die Wahrheiten und Wohlthaten der
Religion im Andenken erhalten sollte, Theil, und fand
sich an den Lehrstühlen der Priester ein, wiewohl er alles
besser, kraftvoller, rührender sagen konnte, als sie, wie-
wohl er für sich keine Erbauung, keine Erweckung
brauchte, wiewohl er gewiß nichts Neues hören konnte,
wiewohl er nicht nöthig hatte, an irgend eine Pflicht er-
innert zu werden, da er nie von dem schönen Weg ab-
wich, den er laufen sollte, wiewohl ihn nichts in der Welt
im Eifer schwächen, oder seine Erkenntniß verwirren,
oder sein Urtheil verfälschen, oder sein Herz lau machen,
oder seinen Neigungen eine falsche Richtung geben, oder
seine Freude an Gott, und an der Tugend dämpfen
konnte. Seine ganze Geschichte beweist diesen schönen
Zug in seinem Gemälde. Seine Reden und Gebete,
die so fromm, so warm waren, belehren uns darüber von
seinen Grundsätzen, und die großen Gesinnungen, die er
seinen Aposteln einflößte, lassen uns nicht zweifeln, daß
Er diese herrliche Anstalt, die Eigenthum und Vorzug

der

Menſchenliebe des Erlöſers.
Religion, nur äußeres Gewand des Chriſten, das der
Heuchler auch über ſich wirft, nur Mittel, nur Anleitung
und Vorbereitung zur wahren Furcht und Liebe des Höch-
ſten, und zur innern Vereinigung mit dem Erlöſer ſeyn
ſollen? Das ſind die reinen und geläuterten Begriffe von
der Gottesverehrung, die er ſelbſt unter ſeinen Zuhörern
verbreitete. Das iſt die Sprache, die er ſelber führte,
und die wir von ihm gelernt haben. Aber Jeſus Chri-
ſtus ehrte dem ungeachtet durch ſein großes Beyſpiel den
öffentlichen Unterricht, er billigte die Verſammlungen
der Menſchen zum Lob Gottes, mit nachahmungswür-
diger Religioſität nahm er an jedem Sabbath, und an
jedem Feſt, das die Wahrheiten und Wohlthaten der
Religion im Andenken erhalten ſollte, Theil, und fand
ſich an den Lehrſtühlen der Prieſter ein, wiewohl er alles
beſſer, kraftvoller, rührender ſagen konnte, als ſie, wie-
wohl er für ſich keine Erbauung, keine Erweckung
brauchte, wiewohl er gewiß nichts Neues hören konnte,
wiewohl er nicht nöthig hatte, an irgend eine Pflicht er-
innert zu werden, da er nie von dem ſchönen Weg ab-
wich, den er laufen ſollte, wiewohl ihn nichts in der Welt
im Eifer ſchwächen, oder ſeine Erkenntniß verwirren,
oder ſein Urtheil verfälſchen, oder ſein Herz lau machen,
oder ſeinen Neigungen eine falſche Richtung geben, oder
ſeine Freude an Gott, und an der Tugend dämpfen
konnte. Seine ganze Geſchichte beweiſt dieſen ſchönen
Zug in ſeinem Gemälde. Seine Reden und Gebete,
die ſo fromm, ſo warm waren, belehren uns darüber von
ſeinen Grundſätzen, und die großen Geſinnungen, die er
ſeinen Apoſteln einflößte, laſſen uns nicht zweifeln, daß
Er dieſe herrliche Anſtalt, die Eigenthum und Vorzug

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0218" n="212"/><fw place="top" type="header">Men&#x017F;chenliebe des Erlö&#x017F;ers.</fw><lb/>
Religion, nur äußeres Gewand des Chri&#x017F;ten, das der<lb/>
Heuchler auch über &#x017F;ich wirft, nur Mittel, nur Anleitung<lb/>
und Vorbereitung zur wahren Furcht und Liebe des Höch-<lb/>
&#x017F;ten, und zur innern Vereinigung mit dem Erlö&#x017F;er &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollen? Das &#x017F;ind die reinen und geläuterten Begriffe von<lb/>
der Gottesverehrung, die er &#x017F;elb&#x017F;t unter &#x017F;einen Zuhörern<lb/>
verbreitete. Das i&#x017F;t die Sprache, die er &#x017F;elber führte,<lb/>
und die wir von ihm gelernt haben. Aber Je&#x017F;us Chri-<lb/>
&#x017F;tus ehrte dem ungeachtet durch &#x017F;ein großes Bey&#x017F;piel den<lb/>
öffentlichen Unterricht, er billigte die Ver&#x017F;ammlungen<lb/>
der Men&#x017F;chen zum Lob Gottes, mit nachahmungswür-<lb/>
diger Religio&#x017F;ität nahm er an jedem Sabbath, und an<lb/>
jedem Fe&#x017F;t, das die Wahrheiten und Wohlthaten der<lb/>
Religion im Andenken erhalten &#x017F;ollte, Theil, und fand<lb/>
&#x017F;ich an den Lehr&#x017F;tühlen der Prie&#x017F;ter ein, wiewohl er alles<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er, kraftvoller, rührender &#x017F;agen konnte, als &#x017F;ie, wie-<lb/>
wohl er für &#x017F;ich keine Erbauung, keine Erweckung<lb/>
brauchte, wiewohl er gewiß nichts Neues hören konnte,<lb/>
wiewohl er nicht nöthig hatte, an irgend eine Pflicht er-<lb/>
innert zu werden, da er nie von dem &#x017F;chönen Weg ab-<lb/>
wich, den er laufen &#x017F;ollte, wiewohl ihn nichts in der Welt<lb/>
im Eifer &#x017F;chwächen, oder &#x017F;eine Erkenntniß verwirren,<lb/>
oder &#x017F;ein Urtheil verfäl&#x017F;chen, oder &#x017F;ein Herz lau machen,<lb/>
oder &#x017F;einen Neigungen eine fal&#x017F;che Richtung geben, oder<lb/>
&#x017F;eine Freude an Gott, und an der Tugend dämpfen<lb/>
konnte. Seine ganze Ge&#x017F;chichte bewei&#x017F;t die&#x017F;en &#x017F;chönen<lb/>
Zug in &#x017F;einem Gemälde. Seine Reden und Gebete,<lb/>
die &#x017F;o fromm, &#x017F;o warm waren, belehren uns darüber von<lb/>
&#x017F;einen Grund&#x017F;ätzen, und die großen Ge&#x017F;innungen, die er<lb/>
&#x017F;einen Apo&#x017F;teln einflößte, la&#x017F;&#x017F;en uns nicht zweifeln, daß<lb/>
Er die&#x017F;e herrliche An&#x017F;talt, die Eigenthum und Vorzug<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0218] Menſchenliebe des Erlöſers. Religion, nur äußeres Gewand des Chriſten, das der Heuchler auch über ſich wirft, nur Mittel, nur Anleitung und Vorbereitung zur wahren Furcht und Liebe des Höch- ſten, und zur innern Vereinigung mit dem Erlöſer ſeyn ſollen? Das ſind die reinen und geläuterten Begriffe von der Gottesverehrung, die er ſelbſt unter ſeinen Zuhörern verbreitete. Das iſt die Sprache, die er ſelber führte, und die wir von ihm gelernt haben. Aber Jeſus Chri- ſtus ehrte dem ungeachtet durch ſein großes Beyſpiel den öffentlichen Unterricht, er billigte die Verſammlungen der Menſchen zum Lob Gottes, mit nachahmungswür- diger Religioſität nahm er an jedem Sabbath, und an jedem Feſt, das die Wahrheiten und Wohlthaten der Religion im Andenken erhalten ſollte, Theil, und fand ſich an den Lehrſtühlen der Prieſter ein, wiewohl er alles beſſer, kraftvoller, rührender ſagen konnte, als ſie, wie- wohl er für ſich keine Erbauung, keine Erweckung brauchte, wiewohl er gewiß nichts Neues hören konnte, wiewohl er nicht nöthig hatte, an irgend eine Pflicht er- innert zu werden, da er nie von dem ſchönen Weg ab- wich, den er laufen ſollte, wiewohl ihn nichts in der Welt im Eifer ſchwächen, oder ſeine Erkenntniß verwirren, oder ſein Urtheil verfälſchen, oder ſein Herz lau machen, oder ſeinen Neigungen eine falſche Richtung geben, oder ſeine Freude an Gott, und an der Tugend dämpfen konnte. Seine ganze Geſchichte beweiſt dieſen ſchönen Zug in ſeinem Gemälde. Seine Reden und Gebete, die ſo fromm, ſo warm waren, belehren uns darüber von ſeinen Grundſätzen, und die großen Geſinnungen, die er ſeinen Apoſteln einflößte, laſſen uns nicht zweifeln, daß Er dieſe herrliche Anſtalt, die Eigenthum und Vorzug der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/218
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/218>, abgerufen am 21.11.2024.