Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Anwendung auf uns. erkannte wohl, daß er sich durch seine Weisheit in denallerwenigsten Fällen hätte helfen können, und legte des- wegen Krone und Scepter, Leben, Ehre, Ruhe, Sieg und Glück dem Allmächtigen zu Füßen. Vergleichet euch damit, ihr, die ihr eure Kräfte entweder als euer Eigenthum anseht, oder sie gar nicht, oder doch nicht zur Wohlfahrt andrer anwendet! Indeß der Christ mit allen seinen Umständen ganz allein von Gott abhängt, und nur immer Gutes stiftet, nehmt ihr an bösen Fertig- keiten zu, und misbraucht die freyen Geschenke Gottes, die das Glück der Welt vergrößern sollten, zu ihrer Ver- wirrung. Das ist die Verblendung, die unser Erlöser an seiner Nation beweint, sie benutzten die kostbarste Zeit, die beste Gelegenheit, die größte Liebe, die redlichsten Warnungen, die dringendsten Auffoderungen nicht. Je- rusalem, Jerusalem, sagt er, wie oft habe ich deine Einwohner zu mir versammlen wollen, wie eine Henne versammlet ihre Küchlein unter ihre Flü- gel, aber ihr habt nicht gewollt! (Lucä 13, 34.) Und wenn sie nur noch in den letzten Tagen das Glück, Christum zu hören und sich zu bessern, ergriffen hätten! Aber es war vor ihren Augen verborgen! (Luc. 19, 42.) Diese ihre, ihnen vor andern Völkern zum Unter- scheidungszeichen geschenkte Zeit gieng vorüber, wie man- chem flüchtigen Jüngling die Blume der Jugend ge- schwinder, als er glaubt, abfällt; nach vierzig Jahren kam eine andre Zeit, auch eine Zeit, die Jesus Christus geweissagt hatte, (Lucä 19, 43.) aber die schreckliche Zeit, wo die Feinde von Jerusalem das Volk an allen Orten eingeschlossen, und durch Schwerdt und Hunger marterten. Die ersten Bekenner des Christenthums hatten oft, nach dem
Anwendung auf uns. erkannte wohl, daß er ſich durch ſeine Weisheit in denallerwenigſten Fällen hätte helfen können, und legte des- wegen Krone und Scepter, Leben, Ehre, Ruhe, Sieg und Glück dem Allmächtigen zu Füßen. Vergleichet euch damit, ihr, die ihr eure Kräfte entweder als euer Eigenthum anſeht, oder ſie gar nicht, oder doch nicht zur Wohlfahrt andrer anwendet! Indeß der Chriſt mit allen ſeinen Umſtänden ganz allein von Gott abhängt, und nur immer Gutes ſtiftet, nehmt ihr an böſen Fertig- keiten zu, und misbraucht die freyen Geſchenke Gottes, die das Glück der Welt vergrößern ſollten, zu ihrer Ver- wirrung. Das iſt die Verblendung, die unſer Erlöſer an ſeiner Nation beweint, ſie benutzten die koſtbarſte Zeit, die beſte Gelegenheit, die größte Liebe, die redlichſten Warnungen, die dringendſten Auffoderungen nicht. Je- ruſalem, Jeruſalem, ſagt er, wie oft habe ich deine Einwohner zu mir verſammlen wollen, wie eine Henne verſammlet ihre Küchlein unter ihre Flü- gel, aber ihr habt nicht gewollt! (Lucä 13, 34.) Und wenn ſie nur noch in den letzten Tagen das Glück, Chriſtum zu hören und ſich zu beſſern, ergriffen hätten! Aber es war vor ihren Augen verborgen! (Luc. 19, 42.) Dieſe ihre, ihnen vor andern Völkern zum Unter- ſcheidungszeichen geſchenkte Zeit gieng vorüber, wie man- chem flüchtigen Jüngling die Blume der Jugend ge- ſchwinder, als er glaubt, abfällt; nach vierzig Jahren kam eine andre Zeit, auch eine Zeit, die Jeſus Chriſtus geweiſſagt hatte, (Lucä 19, 43.) aber die ſchreckliche Zeit, wo die Feinde von Jeruſalem das Volk an allen Orten eingeſchloſſen, und durch Schwerdt und Hunger marterten. Die erſten Bekenner des Chriſtenthums hatten oft, nach dem
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Anwendung auf uns.
erkannte wohl, daß er ſich durch ſeine Weisheit in den
allerwenigſten Fällen hätte helfen können, und legte des-
wegen Krone und Scepter, Leben, Ehre, Ruhe, Sieg
und Glück dem Allmächtigen zu Füßen. Vergleichet
euch damit, ihr, die ihr eure Kräfte entweder als euer
Eigenthum anſeht, oder ſie gar nicht, oder doch nicht
zur Wohlfahrt andrer anwendet! Indeß der Chriſt mit
allen ſeinen Umſtänden ganz allein von Gott abhängt,
und nur immer Gutes ſtiftet, nehmt ihr an böſen Fertig-
keiten zu, und misbraucht die freyen Geſchenke Gottes,
die das Glück der Welt vergrößern ſollten, zu ihrer Ver-
wirrung. Das iſt die Verblendung, die unſer Erlöſer
an ſeiner Nation beweint, ſie benutzten die koſtbarſte Zeit,
die beſte Gelegenheit, die größte Liebe, die redlichſten
Warnungen, die dringendſten Auffoderungen nicht. Je-
ruſalem, Jeruſalem, ſagt er, wie oft habe ich deine
Einwohner zu mir verſammlen wollen, wie eine
Henne verſammlet ihre Küchlein unter ihre Flü-
gel, aber ihr habt nicht gewollt! (Lucä 13, 34.)
Und wenn ſie nur noch in den letzten Tagen das Glück,
Chriſtum zu hören und ſich zu beſſern, ergriffen hätten!
Aber es war vor ihren Augen verborgen! (Luc. 19,
42.) Dieſe ihre, ihnen vor andern Völkern zum Unter-
ſcheidungszeichen geſchenkte Zeit gieng vorüber, wie man-
chem flüchtigen Jüngling die Blume der Jugend ge-
ſchwinder, als er glaubt, abfällt; nach vierzig Jahren
kam eine andre Zeit, auch eine Zeit, die Jeſus Chriſtus
geweiſſagt hatte, (Lucä 19, 43.) aber die ſchreckliche Zeit,
wo die Feinde von Jeruſalem das Volk an allen Orten
eingeſchloſſen, und durch Schwerdt und Hunger marterten.
Die erſten Bekenner des Chriſtenthums hatten oft, nach
dem
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