Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Anwendung auf uns. gleicht uns immer mit den griechischen Wettläufern, dienach einem gewissen Ziel, nach einem aufgesetzten Klei- nod rinnen verlieren, ist leider! bekannt, aber der größte Kö- nig unsrer Zeit nimmt sich zu seiner Toilette kaum etliche Minnten. In vielen Gesellschaften wird man lächerlich, wenn man die Zeit sparen, und auch ohne übertriebene Pünctlichkeit Mann nach der Uhr seyn will. In Ge- sollschasten, in Schauspielhäusern, auf Promenaden, selbst in der Kirche verlieren viele die edle Zeit, weil sie nur in der Absicht hineilen, sich zu zeigen. Mit der Lcserey, die jezt so sehr Mode ist, verderben viele auch die schönsten Stunden: denn was lernt man aus unsern alltäglichen Romanen, Schauspielen, und Reimen? Die größten Männer haben sich auch mühsamer Arbeit nicht geschämt. Isaac Newton war Obermünzmeister in London, und unser unvergeßlicher Leibnitz war Bibliothecar in Hannover. Wie viel muß Linnee gearbeitet haben, bis Er ward, was Er ist, und bleiden wird! Mosheim hatte zuletzt mit einer schweren Krankheit zu kämpfen, und doch las er noch Collegium, als er weder gehen, noch liegen, noch anders, als auf einem eigenen dazu eingerich- teten Sessel sitzen konnte. Ja, der liebenswürdige Mann hörte bey grausamen Schmerzen nicht eher auf durch seine beredte Zunge jungen Leuten Unterricht zu geben, bis acht Tage vor seinem Tod: und sein weinender Freund, D. Richter sang von ihm: Non aliam est fassus decur- rere lenius horam, Nil sibi plus sensum diminuisse mali. Kousseau lernte noch im Alter Botanik, und schrieb Noten ab. Viele berühmte Gelehrte haben in der Ju- gend, auf Schulen und Universitäten die Bitterkeit der Armuth erfahren, und haben sich erst durch ihre Emsig- keit aus dem Staub gehoben. Man kann von Jünglin- gen, deren unvorsichtige Aeltern früh ihren Hang zum Groß- Q 3
Anwendung auf uns. gleicht uns immer mit den griechiſchen Wettläufern, dienach einem gewiſſen Ziel, nach einem aufgeſetzten Klei- nod rinnen verlieren, iſt leider! bekannt, aber der größte Kö- nig unſrer Zeit nimmt ſich zu ſeiner Toilette kaum etliche Minnten. In vielen Geſellſchaften wird man lächerlich, wenn man die Zeit ſparen, und auch ohne übertriebene Pünctlichkeit Mann nach der Uhr ſeyn will. In Ge- ſollſchaſten, in Schauſpielhäuſern, auf Promenaden, ſelbſt in der Kirche verlieren viele die edle Zeit, weil ſie nur in der Abſicht hineilen, ſich zu zeigen. Mit der Lcſerey, die jezt ſo ſehr Mode iſt, verderben viele auch die ſchönſten Stunden: denn was lernt man aus unſern alltäglichen Romanen, Schauſpielen, und Reimen? Die größten Männer haben ſich auch mühſamer Arbeit nicht geſchämt. Iſaac Newton war Obermünzmeiſter in London, und unſer unvergeßlicher Leibnitz war Bibliothecar in Hannover. Wie viel muß Linnee gearbeitet haben, bis Er ward, was Er iſt, und bleiden wird! Mosheim hatte zuletzt mit einer ſchweren Krankheit zu kämpfen, und doch las er noch Collegium, als er weder gehen, noch liegen, noch anders, als auf einem eigenen dazu eingerich- teten Seſſel ſitzen konnte. Ja, der liebenswürdige Mann hörte bey grauſamen Schmerzen nicht eher auf durch ſeine beredte Zunge jungen Leuten Unterricht zu geben, bis acht Tage vor ſeinem Tod: und ſein weinender Freund, D. Richter ſang von ihm: Non aliam eſt faſſus decur- rere lenius horam, Nil ſibi plus ſenſum diminuiſſe mali. Kouſſeau lernte noch im Alter Botanik, und ſchrieb Noten ab. Viele berühmte Gelehrte haben in der Ju- gend, auf Schulen und Univerſitäten die Bitterkeit der Armuth erfahren, und haben ſich erſt durch ihre Emſig- keit aus dem Staub gehoben. Man kann von Jünglin- gen, deren unvorſichtige Aeltern früh ihren Hang zum Groß- Q 3
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Anwendung auf uns.
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nig unſrer Zeit nimmt ſich zu ſeiner Toilette kaum etliche
Minnten. In vielen Geſellſchaften wird man lächerlich,
wenn man die Zeit ſparen, und auch ohne übertriebene
Pünctlichkeit Mann nach der Uhr ſeyn will. In Ge-
ſollſchaſten, in Schauſpielhäuſern, auf Promenaden, ſelbſt
in der Kirche verlieren viele die edle Zeit, weil ſie nur in
der Abſicht hineilen, ſich zu zeigen. Mit der Lcſerey,
die jezt ſo ſehr Mode iſt, verderben viele auch die ſchönſten
Stunden: denn was lernt man aus unſern alltäglichen
Romanen, Schauſpielen, und Reimen? Die größten
Männer haben ſich auch mühſamer Arbeit nicht geſchämt.
Iſaac Newton war Obermünzmeiſter in London,
und unſer unvergeßlicher Leibnitz war Bibliothecar in
Hannover. Wie viel muß Linnee gearbeitet haben,
bis Er ward, was Er iſt, und bleiden wird! Mosheim
hatte zuletzt mit einer ſchweren Krankheit zu kämpfen,
und doch las er noch Collegium, als er weder gehen, noch
liegen, noch anders, als auf einem eigenen dazu eingerich-
teten Seſſel ſitzen konnte. Ja, der liebenswürdige Mann
hörte bey grauſamen Schmerzen nicht eher auf durch ſeine
beredte Zunge jungen Leuten Unterricht zu geben, bis acht
Tage vor ſeinem Tod: und ſein weinender Freund, D.
Richter ſang von ihm: Non aliam eſt faſſus decur-
rere lenius horam, Nil ſibi plus ſenſum diminuiſſe
mali. Kouſſeau lernte noch im Alter Botanik, und ſchrieb
Noten ab. Viele berühmte Gelehrte haben in der Ju-
gend, auf Schulen und Univerſitäten die Bitterkeit der
Armuth erfahren, und haben ſich erſt durch ihre Emſig-
keit aus dem Staub gehoben. Man kann von Jünglin-
gen, deren unvorſichtige Aeltern früh ihren Hang zum
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