Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Gleichmüthigkeit des Erlösers. daß wir noch manchen Sturmwind auszustehen haben,daß wir im Alter alle Sinne verlieren, uns selbst und unsern Freunden zur Last fallen können, und vielleicht nach einem ruhmvollen Leben das Gespötte des Muthwil- lens, die Undankbarkeit, und die hungrige Erwartung unsers Todes, und unsrer Güter werden mit grauen Haaren ertragen müssen. Die Welt mißfällt uns oft je länger je mehr, und doch sorgen wir nicht für eine beßre Wohnung, wenn wir nun davon müssen. Stirbt einer unsrer liebsten Menschen, so reden wir etwa an dem Tage von seinem Tod, aber sein Andenken, wenn es Er- haltung verdient, zu verlängern, seine Sünden zu unter- drücken, ihre Folgen zu verbessern, seine Ehre zu ver- theidigen, die Seinigen zu beschützen, seine Verdienste zu segnen -- das vergessen wir, und an unser eigenes Ende denken wir, leider! mit Schrecken, denken nur flüchtig daran, als wenn wir unter Hunderttausenden die seyn würden, die der Tod erst nach einem unerhörten Alter wegnehmen darf. Aber ist das der Sinn Jesu Christi? Ist das Nachahmung seines heiligen, stillen, weisen, geordneten, fruchtbaren Lebens? O du barm- herziger, treuer Fürbitter bey Gott, du, der du als ein Held in der Liebe auch unsre Schmerzen getragen, nahe am Tode das Bitterste statt eines Labsals getrunken, und doch liebreich und wohlthätig bliebest! du, der du jezt im Himmel bist, und alles unter deinen Füßen siehst, erbarme dich über uns, und zerstöre allmächtig die Hin- dernisse unsrer Glückseligkeit! Lehre uns alle unsre Um- stände, Gatten, Kinder, Freunde, Obrigkeiten, Leh- rer und alle Nebenmenschen mit heiligen Gesinnungen ansehen. Daß lauter fromme Gedanken, Empfindun- gen,
Gleichmüthigkeit des Erlöſers. daß wir noch manchen Sturmwind auszuſtehen haben,daß wir im Alter alle Sinne verlieren, uns ſelbſt und unſern Freunden zur Laſt fallen können, und vielleicht nach einem ruhmvollen Leben das Geſpötte des Muthwil- lens, die Undankbarkeit, und die hungrige Erwartung unſers Todes, und unſrer Güter werden mit grauen Haaren ertragen müſſen. Die Welt mißfällt uns oft je länger je mehr, und doch ſorgen wir nicht für eine beßre Wohnung, wenn wir nun davon müſſen. Stirbt einer unſrer liebſten Menſchen, ſo reden wir etwa an dem Tage von ſeinem Tod, aber ſein Andenken, wenn es Er- haltung verdient, zu verlängern, ſeine Sünden zu unter- drücken, ihre Folgen zu verbeſſern, ſeine Ehre zu ver- theidigen, die Seinigen zu beſchützen, ſeine Verdienſte zu ſegnen — das vergeſſen wir, und an unſer eigenes Ende denken wir, leider! mit Schrecken, denken nur flüchtig daran, als wenn wir unter Hunderttauſenden die ſeyn würden, die der Tod erſt nach einem unerhörten Alter wegnehmen darf. Aber iſt das der Sinn Jeſu Chriſti? Iſt das Nachahmung ſeines heiligen, ſtillen, weiſen, geordneten, fruchtbaren Lebens? O du barm- herziger, treuer Fürbitter bey Gott, du, der du als ein Held in der Liebe auch unſre Schmerzen getragen, nahe am Tode das Bitterſte ſtatt eines Labſals getrunken, und doch liebreich und wohlthätig bliebeſt! du, der du jezt im Himmel biſt, und alles unter deinen Füßen ſiehſt, erbarme dich über uns, und zerſtöre allmächtig die Hin- derniſſe unſrer Glückſeligkeit! Lehre uns alle unſre Um- ſtände, Gatten, Kinder, Freunde, Obrigkeiten, Leh- rer und alle Nebenmenſchen mit heiligen Geſinnungen anſehen. Daß lauter fromme Gedanken, Empfindun- gen,
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Gleichmüthigkeit des Erlöſers.
daß wir noch manchen Sturmwind auszuſtehen haben,
daß wir im Alter alle Sinne verlieren, uns ſelbſt und
unſern Freunden zur Laſt fallen können, und vielleicht
nach einem ruhmvollen Leben das Geſpötte des Muthwil-
lens, die Undankbarkeit, und die hungrige Erwartung
unſers Todes, und unſrer Güter werden mit grauen
Haaren ertragen müſſen. Die Welt mißfällt uns oft
je länger je mehr, und doch ſorgen wir nicht für eine
beßre Wohnung, wenn wir nun davon müſſen. Stirbt
einer unſrer liebſten Menſchen, ſo reden wir etwa an dem
Tage von ſeinem Tod, aber ſein Andenken, wenn es Er-
haltung verdient, zu verlängern, ſeine Sünden zu unter-
drücken, ihre Folgen zu verbeſſern, ſeine Ehre zu ver-
theidigen, die Seinigen zu beſchützen, ſeine Verdienſte
zu ſegnen — das vergeſſen wir, und an unſer eigenes
Ende denken wir, leider! mit Schrecken, denken nur
flüchtig daran, als wenn wir unter Hunderttauſenden
die ſeyn würden, die der Tod erſt nach einem unerhörten
Alter wegnehmen darf. Aber iſt das der Sinn Jeſu
Chriſti? Iſt das Nachahmung ſeines heiligen, ſtillen,
weiſen, geordneten, fruchtbaren Lebens? O du barm-
herziger, treuer Fürbitter bey Gott, du, der du als ein
Held in der Liebe auch unſre Schmerzen getragen, nahe
am Tode das Bitterſte ſtatt eines Labſals getrunken, und
doch liebreich und wohlthätig bliebeſt! du, der du jezt
im Himmel biſt, und alles unter deinen Füßen ſiehſt,
erbarme dich über uns, und zerſtöre allmächtig die Hin-
derniſſe unſrer Glückſeligkeit! Lehre uns alle unſre Um-
ſtände, Gatten, Kinder, Freunde, Obrigkeiten, Leh-
rer und alle Nebenmenſchen mit heiligen Geſinnungen
anſehen. Daß lauter fromme Gedanken, Empfindun-
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