Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Unterwerfung unter Gott ist unsre Pflicht. die uns verwirren; weil wir seine Zwecke nicht kennen, sowundern sich oft selbst die Klugen und Weisen unter uns über die Veränderungen in der Welt. Oft wird die Gestalt des Erdbodens in einem Jahr verwandelt. Oft steigt ein Volk in kurzer Zeit auf den Gipfel der Macht und Größe, wird gefürchtet, wird unüberwindlich, und ein andres wird indessen durch innre Zerrüttungen un- glücklich. Oft sieget der Irrthum über die Wahrheit, und die Sonne muß sich, wenn sie eben aufgehen will, wieder verbergen. Oft wird die Tyranney, und der Gewissenszwang wieder los von den Ketten, womit sie zur Freude der Menschheit gebunden zu seyn schienen, und bauen sich wieder mit verstärkter Raserey, mit uner- sättlichem Blutdurst einen Thron zum Unglück für ganze Länder. Oft wird ein guter König das Opfer der Nie- derträchtigkeit, der Bosheit, der Empörungssucht und des wütenden Ehrgeizes. Oft verwelken die besten An- schläge in der Blüthe, oft werden Millionen Menschen durch den Stolz eines Einzigen unglücklich; und wie viel andere Vorfälle erleben wir nicht täglich, ohne daß wir sie mit unserm kurzsichtigen Verstand begreifen, ohne daß wir sie mit der Alleinweisheit, mit der Güte und Ge- rechtigkeit des Höchsten reimen, ohne daß wir dabey et- was mehr thun können, als uns die Verordnungen Got- tes stillschweigend gefallen zu lassen*)? Gerathen wir nicht *) Man denke an das schnelle Glück der Römer, an das in kurzer Zeit gestiegene Preußen, an das mächtige Ruß- land, an die Trennungen und Uneinigkeiten in Polen, an das Unglück der ersten Vorläufer der Kirchenverbesse- rung, an die Revolutionen in Engelland nach Eduard VI. Tod R 3
Unterwerfung unter Gott iſt unſre Pflicht. die uns verwirren; weil wir ſeine Zwecke nicht kennen, ſowundern ſich oft ſelbſt die Klugen und Weiſen unter uns über die Veränderungen in der Welt. Oft wird die Geſtalt des Erdbodens in einem Jahr verwandelt. Oft ſteigt ein Volk in kurzer Zeit auf den Gipfel der Macht und Größe, wird gefürchtet, wird unüberwindlich, und ein andres wird indeſſen durch innre Zerrüttungen un- glücklich. Oft ſieget der Irrthum über die Wahrheit, und die Sonne muß ſich, wenn ſie eben aufgehen will, wieder verbergen. Oft wird die Tyranney, und der Gewiſſenszwang wieder los von den Ketten, womit ſie zur Freude der Menſchheit gebunden zu ſeyn ſchienen, und bauen ſich wieder mit verſtärkter Raſerey, mit uner- ſättlichem Blutdurſt einen Thron zum Unglück für ganze Länder. Oft wird ein guter König das Opfer der Nie- derträchtigkeit, der Bosheit, der Empörungsſucht und des wütenden Ehrgeizes. Oft verwelken die beſten An- ſchläge in der Blüthe, oft werden Millionen Menſchen durch den Stolz eines Einzigen unglücklich; und wie viel andere Vorfälle erleben wir nicht täglich, ohne daß wir ſie mit unſerm kurzſichtigen Verſtand begreifen, ohne daß wir ſie mit der Alleinweisheit, mit der Güte und Ge- rechtigkeit des Höchſten reimen, ohne daß wir dabey et- was mehr thun können, als uns die Verordnungen Got- tes ſtillſchweigend gefallen zu laſſen*)? Gerathen wir nicht *) Man denke an das ſchnelle Glück der Römer, an das in kurzer Zeit geſtiegene Preußen, an das mächtige Ruß- land, an die Trennungen und Uneinigkeiten in Polen, an das Unglück der erſten Vorläufer der Kirchenverbeſſe- rung, an die Revolutionen in Engelland nach Eduard VI. Tod R 3
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Unterwerfung unter Gott iſt unſre Pflicht.
die uns verwirren; weil wir ſeine Zwecke nicht kennen, ſo
wundern ſich oft ſelbſt die Klugen und Weiſen unter uns
über die Veränderungen in der Welt. Oft wird die
Geſtalt des Erdbodens in einem Jahr verwandelt. Oft
ſteigt ein Volk in kurzer Zeit auf den Gipfel der Macht
und Größe, wird gefürchtet, wird unüberwindlich, und
ein andres wird indeſſen durch innre Zerrüttungen un-
glücklich. Oft ſieget der Irrthum über die Wahrheit,
und die Sonne muß ſich, wenn ſie eben aufgehen will,
wieder verbergen. Oft wird die Tyranney, und der
Gewiſſenszwang wieder los von den Ketten, womit ſie
zur Freude der Menſchheit gebunden zu ſeyn ſchienen,
und bauen ſich wieder mit verſtärkter Raſerey, mit uner-
ſättlichem Blutdurſt einen Thron zum Unglück für ganze
Länder. Oft wird ein guter König das Opfer der Nie-
derträchtigkeit, der Bosheit, der Empörungsſucht und
des wütenden Ehrgeizes. Oft verwelken die beſten An-
ſchläge in der Blüthe, oft werden Millionen Menſchen
durch den Stolz eines Einzigen unglücklich; und wie
viel andere Vorfälle erleben wir nicht täglich, ohne daß
wir ſie mit unſerm kurzſichtigen Verſtand begreifen, ohne
daß wir ſie mit der Alleinweisheit, mit der Güte und Ge-
rechtigkeit des Höchſten reimen, ohne daß wir dabey et-
was mehr thun können, als uns die Verordnungen Got-
tes ſtillſchweigend gefallen zu laſſen *)? Gerathen wir
nicht
*) Man denke an das ſchnelle Glück der Römer, an das
in kurzer Zeit geſtiegene Preußen, an das mächtige Ruß-
land, an die Trennungen und Uneinigkeiten in Polen,
an das Unglück der erſten Vorläufer der Kirchenverbeſſe-
rung, an die Revolutionen in Engelland nach Eduard VI.
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