Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Unsre Beruhigung beym Willen Gottes.
sich selber setzen, und die Welt um sie herum der Un-
dankbarkeit beschuldigen? Denken nicht oft andre Tag
und Nacht an Veränderungen, die sie erst nach vielen
Jahren hoffen können, und werden ungeduldig, unge-
nießbar, verdrüßlich, ungesollig, wenn sie die Zeit nicht
herbeyrufen, oder die Ordnung in der Welt verkehren
können? Stoßen nicht einige, so oft sie Glücklichere se-
hen, unaufhörliche Klagen aus, und wollen uns bereden,
daß ihnen im Staate Gottes, wo die größte Billigkeit
und Gerechtigkeit das Scepter führt, Unrecht geschehe,
daß sie weniger, als billig ist, von den Häuptern des
Staats geliebt werden, blos weil ihr unzufriedenes und
stolzes Herz ihnen diese Vorwürfe eingiebt? Wir seuf-
zen über Menschen, und meynen heimlich Gott. Wir
bekennen eine Vorsehung, die alle Geschöpfe umfaßt,
und zweifeln doch an der Güte Gottes. Wir sind ge-
schäftiger, Gott zu tadeln, als ihn zu loben. Würden
wir den Neid, die Mißgunst unter den Menschen ken-
nen, wenn alle ihre ganze Lage und Verbindung mit der
Welt als ein Werk des Höchsten, als die weiseste und
gütigste Einrichtung ansehen, und mit Ehrfurcht betrach-
ten wollten? Was werden dann unsre Klagen, unsre
Geist und Körper zu Boden drückende Sorgen ausrich-
ten? Werden wir den Herrn vom Thron stoßen, und
uns selbst das Regiment der Welt anmaßen können?
Oder werden wir alle verjährte Vorurtheile, alle einge-
wurzelte Thorheiten, alle sinnlose Gewohnheiten, alle
schiefe Verhältnisse, alle mächtige Schutzwehren, die die
Unwissenheit, und der Stolz, der sie gemeiniglich beglei-
tet, schon seit langer Zeit um sich herum gebaut haben,
werden wir diese alle abschaffen, verbessern, umstürzen

können?

Unſre Beruhigung beym Willen Gottes.
ſich ſelber ſetzen, und die Welt um ſie herum der Un-
dankbarkeit beſchuldigen? Denken nicht oft andre Tag
und Nacht an Veränderungen, die ſie erſt nach vielen
Jahren hoffen können, und werden ungeduldig, unge-
nießbar, verdrüßlich, ungeſollig, wenn ſie die Zeit nicht
herbeyrufen, oder die Ordnung in der Welt verkehren
können? Stoßen nicht einige, ſo oft ſie Glücklichere ſe-
hen, unaufhörliche Klagen aus, und wollen uns bereden,
daß ihnen im Staate Gottes, wo die größte Billigkeit
und Gerechtigkeit das Scepter führt, Unrecht geſchehe,
daß ſie weniger, als billig iſt, von den Häuptern des
Staats geliebt werden, blos weil ihr unzufriedenes und
ſtolzes Herz ihnen dieſe Vorwürfe eingiebt? Wir ſeuf-
zen über Menſchen, und meynen heimlich Gott. Wir
bekennen eine Vorſehung, die alle Geſchöpfe umfaßt,
und zweifeln doch an der Güte Gottes. Wir ſind ge-
ſchäftiger, Gott zu tadeln, als ihn zu loben. Würden
wir den Neid, die Mißgunſt unter den Menſchen ken-
nen, wenn alle ihre ganze Lage und Verbindung mit der
Welt als ein Werk des Höchſten, als die weiſeſte und
gütigſte Einrichtung anſehen, und mit Ehrfurcht betrach-
ten wollten? Was werden dann unſre Klagen, unſre
Geiſt und Körper zu Boden drückende Sorgen ausrich-
ten? Werden wir den Herrn vom Thron ſtoßen, und
uns ſelbſt das Regiment der Welt anmaßen können?
Oder werden wir alle verjährte Vorurtheile, alle einge-
wurzelte Thorheiten, alle ſinnloſe Gewohnheiten, alle
ſchiefe Verhältniſſe, alle mächtige Schutzwehren, die die
Unwiſſenheit, und der Stolz, der ſie gemeiniglich beglei-
tet, ſchon ſeit langer Zeit um ſich herum gebaut haben,
werden wir dieſe alle abſchaffen, verbeſſern, umſtürzen

können?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0277" n="271"/><fw place="top" type="header">Un&#x017F;re Beruhigung beym Willen Gottes.</fw><lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elber &#x017F;etzen, und die Welt um &#x017F;ie herum der Un-<lb/>
dankbarkeit be&#x017F;chuldigen? Denken nicht oft andre Tag<lb/>
und Nacht an Veränderungen, die &#x017F;ie er&#x017F;t nach vielen<lb/>
Jahren hoffen können, und werden ungeduldig, unge-<lb/>
nießbar, verdrüßlich, unge&#x017F;ollig, wenn &#x017F;ie die Zeit nicht<lb/>
herbeyrufen, oder die Ordnung in der Welt verkehren<lb/>
können? Stoßen nicht einige, &#x017F;o oft &#x017F;ie Glücklichere &#x017F;e-<lb/>
hen, unaufhörliche Klagen aus, und wollen uns bereden,<lb/>
daß ihnen im Staate Gottes, wo die größte Billigkeit<lb/>
und Gerechtigkeit das Scepter führt, Unrecht ge&#x017F;chehe,<lb/>
daß &#x017F;ie weniger, als billig i&#x017F;t, von den Häuptern des<lb/>
Staats geliebt werden, blos weil ihr unzufriedenes und<lb/>
&#x017F;tolzes Herz ihnen die&#x017F;e Vorwürfe eingiebt? Wir &#x017F;euf-<lb/>
zen über Men&#x017F;chen, und meynen heimlich Gott. Wir<lb/>
bekennen eine Vor&#x017F;ehung, die alle Ge&#x017F;chöpfe umfaßt,<lb/>
und zweifeln doch an der Güte Gottes. Wir &#x017F;ind ge-<lb/>
&#x017F;chäftiger, Gott zu tadeln, als ihn zu loben. Würden<lb/>
wir den Neid, die Mißgun&#x017F;t unter den Men&#x017F;chen ken-<lb/>
nen, wenn alle ihre ganze Lage und Verbindung mit der<lb/>
Welt als ein Werk des Höch&#x017F;ten, als die wei&#x017F;e&#x017F;te und<lb/>
gütig&#x017F;te Einrichtung an&#x017F;ehen, und mit Ehrfurcht betrach-<lb/>
ten wollten? Was werden dann un&#x017F;re Klagen, un&#x017F;re<lb/>
Gei&#x017F;t und Körper zu Boden drückende Sorgen ausrich-<lb/>
ten? Werden wir den Herrn vom Thron &#x017F;toßen, und<lb/>
uns &#x017F;elb&#x017F;t das Regiment der Welt anmaßen können?<lb/>
Oder werden wir alle verjährte Vorurtheile, alle einge-<lb/>
wurzelte Thorheiten, alle &#x017F;innlo&#x017F;e Gewohnheiten, alle<lb/>
&#x017F;chiefe Verhältni&#x017F;&#x017F;e, alle mächtige Schutzwehren, die die<lb/>
Unwi&#x017F;&#x017F;enheit, und der Stolz, der &#x017F;ie gemeiniglich beglei-<lb/>
tet, &#x017F;chon &#x017F;eit langer Zeit um &#x017F;ich herum gebaut haben,<lb/>
werden wir die&#x017F;e alle ab&#x017F;chaffen, verbe&#x017F;&#x017F;ern, um&#x017F;türzen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">können?</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0277] Unſre Beruhigung beym Willen Gottes. ſich ſelber ſetzen, und die Welt um ſie herum der Un- dankbarkeit beſchuldigen? Denken nicht oft andre Tag und Nacht an Veränderungen, die ſie erſt nach vielen Jahren hoffen können, und werden ungeduldig, unge- nießbar, verdrüßlich, ungeſollig, wenn ſie die Zeit nicht herbeyrufen, oder die Ordnung in der Welt verkehren können? Stoßen nicht einige, ſo oft ſie Glücklichere ſe- hen, unaufhörliche Klagen aus, und wollen uns bereden, daß ihnen im Staate Gottes, wo die größte Billigkeit und Gerechtigkeit das Scepter führt, Unrecht geſchehe, daß ſie weniger, als billig iſt, von den Häuptern des Staats geliebt werden, blos weil ihr unzufriedenes und ſtolzes Herz ihnen dieſe Vorwürfe eingiebt? Wir ſeuf- zen über Menſchen, und meynen heimlich Gott. Wir bekennen eine Vorſehung, die alle Geſchöpfe umfaßt, und zweifeln doch an der Güte Gottes. Wir ſind ge- ſchäftiger, Gott zu tadeln, als ihn zu loben. Würden wir den Neid, die Mißgunſt unter den Menſchen ken- nen, wenn alle ihre ganze Lage und Verbindung mit der Welt als ein Werk des Höchſten, als die weiſeſte und gütigſte Einrichtung anſehen, und mit Ehrfurcht betrach- ten wollten? Was werden dann unſre Klagen, unſre Geiſt und Körper zu Boden drückende Sorgen ausrich- ten? Werden wir den Herrn vom Thron ſtoßen, und uns ſelbſt das Regiment der Welt anmaßen können? Oder werden wir alle verjährte Vorurtheile, alle einge- wurzelte Thorheiten, alle ſinnloſe Gewohnheiten, alle ſchiefe Verhältniſſe, alle mächtige Schutzwehren, die die Unwiſſenheit, und der Stolz, der ſie gemeiniglich beglei- tet, ſchon ſeit langer Zeit um ſich herum gebaut haben, werden wir dieſe alle abſchaffen, verbeſſern, umſtürzen können?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/277
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/277>, abgerufen am 23.06.2024.