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Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

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[Spaltenumbruch] Sein Mund gibt Honig dar/ doch wann
sein Zorn entbrennte/

so wird er rasend-wild. Belüget frey
heraus.

Spielt mit dem grausam-seyn/ sein
Haar ist kurtz und krauß/

und frech sein Angesicht; hat zart und klei-
ne Hände/

und kan doch in die fern die schnellen Pfei-
le schicken/

ja gar hin in die Höll. Er ist an Glie-
dern bloß/

doch am Gemüt verkappt. Macht sei-
ne Flügel loß

nach Vogel-Art; bald kan er Mann und
Weib berücken.

Der Bogen ist was klein/ ein Pfeil auf
selbem lieget/

der Pfeil ist auch nicht groß/ doch steigt
er Himmel auf.

Der Rück den Köcher führt/ in dem
der Pfeilen Hauff.

Es sind auch Rohr darinn/ womit er mich
bekrieget/

die ich doch Mutter bin. Es dampfft von
Grausamkeiten

sein gantzes Thun. Sich selbst zerkieft
der Wüterich.

Die Fackel die er hat/ sticht ab der Sonnen
Stich.

Wann du ihn kriegen wirst/ so kanst du
ihn bestreiten/

und wol nach Barbarn Art um sein Ver-
brechen prügeln/

mit Schlägen nur erbarm dich dieses
Leckers nicht.

Hüt dich vor dem Betrug/ wann thrä-
net sein Gesicht.

Will er dir deinen Mund mit einem Kuß
verriegeln/

so flieh' ihn/ dann sein Kuß kan dich in
Unglück bringen;

ihm schwebet Gifft am Mund. Spricht
er vielleicht zu dir:

Nimm hin/ mein Freund! von mir der
zarten Waffen Zier!

So rühr nichts an/ sonst wird diß Schen-
cken dich verschlingen.

Diese Beschreibung deß Amors bildet seine Kräffte und Wirckungen sehr wol aus; dannenhero er nicht unbillig röhtlich und fast feuerfärbig beschrieben wird. Worvon vielleicht auch Franciscus Petrarcha in deß Amors Triumph das Vorbild entlehnet/ da er ihn auf einen feurigen Wagen gesetzet/ mit diesen Worten:

Deß Amors Wagen. Igneus est illi currus, qui nudus, &
infans

Apparet, plenam telis fert ille pha-
retram

[Spaltenumbruch] Ex humeris, arcumque manu idem
in praelia gestat.

Sein Wagen ist von Feur/ er selbsten
ist ein Kind/

und nackend noch darzu; den Köcher führt
der Rucken

mit Pfeilen angefüllt. Die Pfeil und
Sennen sind

in seiner Hand/ die kan er/ wann er will/
abdrucken.

Welches eine Anzeigung der brennenden Begierde bey Liebhabern ist/ die unter der Hoffnung/ das Geliebte zu erlangen/ je länger je mehr entzündet wird/ wie Alexander Aphrodisaeus Gestalts-Veränderung der Verliebten. in einem Problemate bezeugt/ wann er fraget/ warum der Liebhaber äusserste Glieder-Theile bald kalt/ bald wiederum warm zu seyn pflegen? Und ihme selbst hierauf antwortet/ es sey die Hoffnung und Furcht eine Ursache dieser Abwechselung/ weil das Hertz ein Sitz und Urspruch deß Lebens ist/ aus welchem die Geister in den gantzen Leib gehen/ daß sie demselben Stärcke und Kräffte mittheilen; wann es von einigem Schmertzen befallen wird/ kan es nicht allein andern Theilen keine Hülffe thun/ sondern ziehet auch die bereits ausgetheilte Kräfften wieder ein/ damit es wider den Schmertzen zu kämpffen desto stärcker und geschickter seyn möge.

Dieweil dann nun die Liebhaber unter allen den grösten Schmertzen empfinden/ wann sie sich aller Hoffnung/ das Geliebte zu erlangen/ beraubt sehen: Dahero dann kein Wunder ist/ daß ihre äusserliche Glieder-Theile unterweilen erkalten. Eben diese entzünden sich bisweilen/ wann nemlich der Liebhaber Hoffnung bekommt/ das Geliebte dereins zu geniessen: dann das Hertz für Freude einiger massen erweitert wird/ und folgbarlich die empfangene fröliche Bottschafft den übrigen Leibs-Theilen zuschicket: und dieses sind einige Lebens-Geister/ die den gantzen Leib erwärmen/ und ihm eine Röte geben.

Woher die Röte bey den Liebhabern entstehe. Andere aber halten darfür/ es entstehe diese Röte vielmehr von der Schaamhafftigkeit/ weil ein Gemüt/ so den Wollüsten deß Leibes ergeben/ weiß/ daß es von der Erbarkeit abgetretten/ und dannenhero gleichsam das Liecht scheuet/ deßwegen es denselben Theil mit dem Vorhang der Röte bedecket/ welcher insonderheit der Schaamhafftigkeit Sitz ist. Die übrigen Glieder deß Cupido samt dessen Waffen/ werden von dem Servius in Erklärung deß ersten Buchs Aeneidos beschrieben/ welcher also sagt: Dieweil die Begierde zur Schand närrisch ist/ wird er als ein Knab gebildet; ingleichen auch/ weil die Rede der Verliebten/ wie auch der Kinder/ unvollkommen ist/ welches auch Virgilius im

[Spaltenumbruch] Sein Mund gibt Honig dar/ doch wann
sein Zorn entbrennte/

so wird er rasend-wild. Belüget frey
heraus.

Spielt mit dem grausam-seyn/ sein
Haar ist kurtz und krauß/

und frech sein Angesicht; hat zart und klei-
ne Hände/

und kan doch in die fern die schnellen Pfei-
le schicken/

ja gar hin in die Höll. Er ist an Glie-
dern bloß/

doch am Gemüt verkappt. Macht sei-
ne Flügel loß

nach Vogel-Art; bald kan er Mann und
Weib berücken.

Der Bogen ist was klein/ ein Pfeil auf
selbem lieget/

der Pfeil ist auch nicht groß/ doch steigt
er Himmel auf.

Der Rück den Köcher führt/ in dem
der Pfeilen Hauff.

Es sind auch Rohr darinn/ womit er mich
bekrieget/

die ich doch Mutter bin. Es dampfft von
Grausamkeiten

sein gantzes Thun. Sich selbst zerkieft
der Wüterich.

Die Fackel die er hat/ sticht ab der Sonnen
Stich.

Wann du ihn kriegen wirst/ so kanst du
ihn bestreiten/

und wol nach Barbarn Art um sein Ver-
brechen prügeln/

mit Schlägen nur erbarm dich dieses
Leckers nicht.

Hüt dich vor dem Betrug/ wann thrä-
net sein Gesicht.

Will er dir deinen Mund mit einem Kuß
verriegeln/

so flieh’ ihn/ dann sein Kuß kan dich in
Unglück bringen;

ihm schwebet Gifft am Mund. Spricht
er vielleicht zu dir:

Nimm hin/ mein Freund! von mir der
zarten Waffen Zier!

So rühr nichts an/ sonst wird diß Schen-
cken dich verschlingen.

Diese Beschreibung deß Amors bildet seine Kräffte und Wirckungen sehr wol aus; dannenhero er nicht unbillig röhtlich und fast feuerfärbig beschrieben wird. Worvon vielleicht auch Franciscus Petrarcha in deß Amors Triumph das Vorbild entlehnet/ da er ihn auf einen feurigen Wagen gesetzet/ mit diesen Worten:

Deß Amors Wagen. Igneus est illi currus, qui nudus, &
infans

Apparet, plenam telis fert ille pha-
retram

[Spaltenumbruch] Ex humeris, arcumque manu idem
in praelia gestat.

Sein Wagen ist von Feur/ er selbsten
ist ein Kind/

und nackend noch darzu; den Köcher führt
der Rucken

mit Pfeilen angefüllt. Die Pfeil und
Sennen sind

in seiner Hand/ die kan er/ wann er will/
abdrucken.

Welches eine Anzeigung der brennenden Begierde bey Liebhabern ist/ die unter der Hoffnung/ das Geliebte zu erlangen/ je länger je mehr entzündet wird/ wie Alexander Aphrodisaeus Gestalts-Veränderung der Verliebten. in einem Problemate bezeugt/ wann er fraget/ warum der Liebhaber äusserste Glieder-Theile bald kalt/ bald wiederum warm zu seyn pflegen? Und ihme selbst hierauf antwortet/ es sey die Hoffnung und Furcht eine Ursache dieser Abwechselung/ weil das Hertz ein Sitz und Urspruch deß Lebens ist/ aus welchem die Geister in den gantzen Leib gehen/ daß sie demselben Stärcke und Kräffte mittheilen; wann es von einigem Schmertzen befallen wird/ kan es nicht allein andern Theilen keine Hülffe thun/ sondern ziehet auch die bereits ausgetheilte Kräfften wieder ein/ damit es wider den Schmertzen zu kämpffen desto stärcker und geschickter seyn möge.

Dieweil dann nun die Liebhaber unter allen den grösten Schmertzen empfinden/ wann sie sich aller Hoffnung/ das Geliebte zu erlangen/ beraubt sehen: Dahero dann kein Wunder ist/ daß ihre äusserliche Glieder-Theile unterweilen erkalten. Eben diese entzünden sich bisweilen/ wann nemlich der Liebhaber Hoffnung bekommt/ das Geliebte dereins zu geniessen: dann das Hertz für Freude einiger massen erweitert wird/ und folgbarlich die empfangene fröliche Bottschafft den übrigen Leibs-Theilen zuschicket: und dieses sind einige Lebens-Geister/ die den gantzen Leib erwärmen/ und ihm eine Röte geben.

Woher die Röte bey den Liebhabern entstehe. Andere aber halten darfür/ es entstehe diese Röte vielmehr von der Schaamhafftigkeit/ weil ein Gemüt/ so den Wollüsten deß Leibes ergeben/ weiß/ daß es von der Erbarkeit abgetretten/ und dannenhero gleichsam das Liecht scheuet/ deßwegen es denselben Theil mit dem Vorhang der Röte bedecket/ welcher insonderheit der Schaamhafftigkeit Sitz ist. Die übrigen Glieder deß Cupido samt dessen Waffen/ werden von dem Servius in Erklärung deß ersten Buchs Aeneidos beschrieben/ welcher also sagt: Dieweil die Begierde zur Schand närrisch ist/ wird er als ein Knab gebildet; ingleichen auch/ weil die Rede der Verliebten/ wie auch der Kinder/ unvollkommen ist/ welches auch Virgilius im

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[TA 1680, Iconologia Deorum, S. 178/0270] Sein Mund gibt Honig dar/ doch wann sein Zorn entbrennte/ so wird er rasend-wild. Belüget frey heraus. Spielt mit dem grausam-seyn/ sein Haar ist kurtz und krauß/ und frech sein Angesicht; hat zart und klei- ne Hände/ und kan doch in die fern die schnellen Pfei- le schicken/ ja gar hin in die Höll. Er ist an Glie- dern bloß/ doch am Gemüt verkappt. Macht sei- ne Flügel loß nach Vogel-Art; bald kan er Mann und Weib berücken. Der Bogen ist was klein/ ein Pfeil auf selbem lieget/ der Pfeil ist auch nicht groß/ doch steigt er Himmel auf. Der Rück den Köcher führt/ in dem der Pfeilen Hauff. Es sind auch Rohr darinn/ womit er mich bekrieget/ die ich doch Mutter bin. Es dampfft von Grausamkeiten sein gantzes Thun. Sich selbst zerkieft der Wüterich. Die Fackel die er hat/ sticht ab der Sonnen Stich. Wann du ihn kriegen wirst/ so kanst du ihn bestreiten/ und wol nach Barbarn Art um sein Ver- brechen prügeln/ mit Schlägen nur erbarm dich dieses Leckers nicht. Hüt dich vor dem Betrug/ wann thrä- net sein Gesicht. Will er dir deinen Mund mit einem Kuß verriegeln/ so flieh’ ihn/ dann sein Kuß kan dich in Unglück bringen; ihm schwebet Gifft am Mund. Spricht er vielleicht zu dir: Nimm hin/ mein Freund! von mir der zarten Waffen Zier! So rühr nichts an/ sonst wird diß Schen- cken dich verschlingen. Diese Beschreibung deß Amors bildet seine Kräffte und Wirckungen sehr wol aus; dannenhero er nicht unbillig röhtlich und fast feuerfärbig beschrieben wird. Worvon vielleicht auch Franciscus Petrarcha in deß Amors Triumph das Vorbild entlehnet/ da er ihn auf einen feurigen Wagen gesetzet/ mit diesen Worten: Igneus est illi currus, qui nudus, & infans Apparet, plenam telis fert ille pha- retram Ex humeris, arcumque manu idem in praelia gestat. Sein Wagen ist von Feur/ er selbsten ist ein Kind/ und nackend noch darzu; den Köcher führt der Rucken mit Pfeilen angefüllt. Die Pfeil und Sennen sind in seiner Hand/ die kan er/ wann er will/ abdrucken. Welches eine Anzeigung der brennenden Begierde bey Liebhabern ist/ die unter der Hoffnung/ das Geliebte zu erlangen/ je länger je mehr entzündet wird/ wie Alexander Aphrodisaeus in einem Problemate bezeugt/ wann er fraget/ warum der Liebhaber äusserste Glieder-Theile bald kalt/ bald wiederum warm zu seyn pflegen? Und ihme selbst hierauf antwortet/ es sey die Hoffnung und Furcht eine Ursache dieser Abwechselung/ weil das Hertz ein Sitz und Urspruch deß Lebens ist/ aus welchem die Geister in den gantzen Leib gehen/ daß sie demselben Stärcke und Kräffte mittheilen; wann es von einigem Schmertzen befallen wird/ kan es nicht allein andern Theilen keine Hülffe thun/ sondern ziehet auch die bereits ausgetheilte Kräfften wieder ein/ damit es wider den Schmertzen zu kämpffen desto stärcker und geschickter seyn möge. Gestalts-Veränderung der Verliebten.Dieweil dann nun die Liebhaber unter allen den grösten Schmertzen empfinden/ wann sie sich aller Hoffnung/ das Geliebte zu erlangen/ beraubt sehen: Dahero dann kein Wunder ist/ daß ihre äusserliche Glieder-Theile unterweilen erkalten. Eben diese entzünden sich bisweilen/ wann nemlich der Liebhaber Hoffnung bekommt/ das Geliebte dereins zu geniessen: dann das Hertz für Freude einiger massen erweitert wird/ und folgbarlich die empfangene fröliche Bottschafft den übrigen Leibs-Theilen zuschicket: und dieses sind einige Lebens-Geister/ die den gantzen Leib erwärmen/ und ihm eine Röte geben. Andere aber halten darfür/ es entstehe diese Röte vielmehr von der Schaamhafftigkeit/ weil ein Gemüt/ so den Wollüsten deß Leibes ergeben/ weiß/ daß es von der Erbarkeit abgetretten/ und dannenhero gleichsam das Liecht scheuet/ deßwegen es denselben Theil mit dem Vorhang der Röte bedecket/ welcher insonderheit der Schaamhafftigkeit Sitz ist. Die übrigen Glieder deß Cupido samt dessen Waffen/ werden von dem Servius in Erklärung deß ersten Buchs Aeneidos beschrieben/ welcher also sagt: Dieweil die Begierde zur Schand närrisch ist/ wird er als ein Knab gebildet; ingleichen auch/ weil die Rede der Verliebten/ wie auch der Kinder/ unvollkommen ist/ welches auch Virgilius im Woher die Röte bey den Liebhabern entstehe.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/270>, abgerufen am 24.11.2024.