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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686.

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Judas ist nit bey Christi Erklärung/
welche in ein Schlang sich verkehrt: du bist der Fluß Ti-
phon,
so zwar auß dem Paradeyß den Vrsprung nimbt/
aber sich bald widerumb in die Erden verschlieffet. Wer
bist du Mensch? du bist ein Sack/ aber kein solcher Sack/
in welchen der Joseph seinen Brüdern das Gelt geleget/
sondern du bist ein Koth-Sack: du bist ein Speiß/ aber
kein solche Speiß/ wie der Habacuc dem Daniel gebracht/
sondern du bist ein Speiß der Würmen: du bist ein Gru-
ben/ aber kein solche Gruben/ in welche der diebische
Achan Gold vnd Schätz vergraben/ sondern du bist ein
stinckende Sumpff-Gruben: du bist ein Blum/ aber kein
solche Blum/ welche da riechet wie die Rosen zu Jericho,
sondern du bist ein Sau-Blum: du bist ein Kraut/ aber
kein solches Kraut/ wie gewachsen in dem Paradeyß/ son-
dern du bist ein Vnkraut: du bist ein Vogel/ aber kein sol-
cher/ der in das Lager der Israeliter geflogen/ sondern ein
Finck/ vnd zwar ein Mistfinck: du bist ein nichtige Er-
den/ vnd irrdisches Nichts/ vnd wilst dannoch ein GOtt
seyn. Du ein Gott? pfui! ist ein Spott.

GOtt allein ist der jenige/ deme die innerste/ ver-
borgnefte/ gehaimeste Hertzen/ Gedancken vnnd Regun-
gen bekannt seynd. Diser waiß/ wie der Mensch beschaf-
fen/ vnd nicht du elender Erd-Schrollen. Gleichwol ist
fast täglich bey dir das richten/ vnd urthlen über deinen
Neben-Menschen. In dem doch dir dein GOtt so ernstlich
verbietet: Nolite judicare secundum faciem. Rich-
tet nicht nach dem Ansehen.
Dann welcher urtlet
nach dem äusserlichen Schein/ fählt vnd irret offt. Wes-
senthalben der Argwohn billich ein Narrgwohn soll
genennet werden.

Einer geht auff den Marckt/ der Mainung/ vmb sein
paares Gelt etwas einzukauffen/ kombt vngefehr zu einem

Laden

Judas iſt nit bey Chriſti Erklaͤrung/
welche in ein Schlang ſich verkehrt: du biſt der Fluß Ti-
phon,
ſo zwar auß dem Paradeyß den Vrſprung nimbt/
aber ſich bald widerumb in die Erden verſchlieffet. Wer
biſt du Menſch? du biſt ein Sack/ aber kein ſolcher Sack/
in welchen der Joſeph ſeinen Bruͤdern das Gelt geleget/
ſondern du biſt ein Koth-Sack: du biſt ein Speiß/ aber
kein ſolche Speiß/ wie der Habacuc dem Daniel gebracht/
ſondern du biſt ein Speiß der Wuͤrmen: du biſt ein Gru-
ben/ aber kein ſolche Gruben/ in welche der diebiſche
Achan Gold vnd Schaͤtz vergraben/ ſondern du biſt ein
ſtinckende Sumpff-Gruben: du biſt ein Blum/ aber kein
ſolche Blum/ welche da riechet wie die Roſen zu Jericho,
ſondern du biſt ein Sau-Blum: du biſt ein Kraut/ aber
kein ſolches Kraut/ wie gewachſen in dem Paradeyß/ ſon-
dern du biſt ein Vnkraut: du biſt ein Vogel/ aber kein ſol-
cher/ der in das Lager der Iſraeliter geflogen/ ſondern ein
Finck/ vnd zwar ein Miſtfinck: du biſt ein nichtige Er-
den/ vnd irꝛdiſches Nichts/ vnd wilſt dannoch ein GOtt
ſeyn. Du ein Gott? pfui! iſt ein Spott.

GOtt allein iſt der jenige/ deme die innerſte/ ver-
borgnefte/ gehaimeſte Hertzen/ Gedancken vnnd Regun-
gen bekannt ſeynd. Diſer waiß/ wie der Menſch beſchaf-
fen/ vnd nicht du elender Erd-Schrollen. Gleichwol iſt
faſt taͤglich bey dir das richten/ vnd urthlen uͤber deinen
Neben-Menſchen. In dem doch dir dein GOtt ſo ernſtlich
verbietet: Nolite judicare ſecundùm faciem. Rich-
tet nicht nach dem Anſehen.
Dann welcher urtlet
nach dem aͤuſſerlichen Schein/ faͤhlt vnd irret offt. Weſ-
ſenthalben der Argwohn billich ein Narꝛgwohn ſoll
genennet werden.

Einer geht auff den Marckt/ der Mainung/ vmb ſein
paares Gelt etwas einzukauffen/ kombt vngefehr zu einem

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[628/0664] Judas iſt nit bey Chriſti Erklaͤrung/ welche in ein Schlang ſich verkehrt: du biſt der Fluß Ti- phon, ſo zwar auß dem Paradeyß den Vrſprung nimbt/ aber ſich bald widerumb in die Erden verſchlieffet. Wer biſt du Menſch? du biſt ein Sack/ aber kein ſolcher Sack/ in welchen der Joſeph ſeinen Bruͤdern das Gelt geleget/ ſondern du biſt ein Koth-Sack: du biſt ein Speiß/ aber kein ſolche Speiß/ wie der Habacuc dem Daniel gebracht/ ſondern du biſt ein Speiß der Wuͤrmen: du biſt ein Gru- ben/ aber kein ſolche Gruben/ in welche der diebiſche Achan Gold vnd Schaͤtz vergraben/ ſondern du biſt ein ſtinckende Sumpff-Gruben: du biſt ein Blum/ aber kein ſolche Blum/ welche da riechet wie die Roſen zu Jericho, ſondern du biſt ein Sau-Blum: du biſt ein Kraut/ aber kein ſolches Kraut/ wie gewachſen in dem Paradeyß/ ſon- dern du biſt ein Vnkraut: du biſt ein Vogel/ aber kein ſol- cher/ der in das Lager der Iſraeliter geflogen/ ſondern ein Finck/ vnd zwar ein Miſtfinck: du biſt ein nichtige Er- den/ vnd irꝛdiſches Nichts/ vnd wilſt dannoch ein GOtt ſeyn. Du ein Gott? pfui! iſt ein Spott. GOtt allein iſt der jenige/ deme die innerſte/ ver- borgnefte/ gehaimeſte Hertzen/ Gedancken vnnd Regun- gen bekannt ſeynd. Diſer waiß/ wie der Menſch beſchaf- fen/ vnd nicht du elender Erd-Schrollen. Gleichwol iſt faſt taͤglich bey dir das richten/ vnd urthlen uͤber deinen Neben-Menſchen. In dem doch dir dein GOtt ſo ernſtlich verbietet: Nolite judicare ſecundùm faciem. Rich- tet nicht nach dem Anſehen. Dann welcher urtlet nach dem aͤuſſerlichen Schein/ faͤhlt vnd irret offt. Weſ- ſenthalben der Argwohn billich ein Narꝛgwohn ſoll genennet werden. Einer geht auff den Marckt/ der Mainung/ vmb ſein paares Gelt etwas einzukauffen/ kombt vngefehr zu einem Laden

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas01_1686/664>, abgerufen am 24.11.2024.