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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der guten Meinung.
im geheimen Gericht ist beschlossen worden: und/ wiewohl es in einem Au-
genblick alles fürüber gewesen/ so wird doch ordentlich nach einander/ wie es
zugegangen/ fürgestellet werden/ damit du es desto leichter vernehmen könnest:
allda sahe Brigitta den Herrn Jesum im Richter-Stuhl sitzen/ von einer un-
zahlbaren Schaar der Engelen umbgeben: an deß Richters Seiten stund die
Mutter Gottes/ und wolte sehen/ wie das Gericht würde abgehen: vor dem
Richter stunde deß verstorbenen Carls Seel voll Zitterns und Schröckens/
die wartet auff das Urtheil: auff der rechten Seiten der Seelen stund der
Schütz-Engel; auff der Lincken der Ankläger/ der Teuffel; doch rühret we-
der dieser/ noch jener die Seel an: der Ankläger fieng an und sagt: Aller ge-
rechtester Richter/ ich klag ein Unbill: diese Seel wär mein gewesen/ und dar-
umb soll sie von Mund auß in die Höll gefahren seyn: aber dein Mutter hat
mirs hingerissen/ und sie unter ihrem Schutz und Schirm für Gericht ge-
stellt. Auff diese Klag antwortet deß Richters Mutter: gedenck an dein Her-
kommen/ du böser Geist; Gott hat dich dieschönste Creatur erschaffen: aber
dein Bößheit und Schalckheit hat dich aller deiner Schöne und Zierligkeit
beraubt: es stunde dir frey/ ob du dich wollest deinem Schöpffer unterwerf-
fen; du hast aber lieber rebellisch und ungehorsamb seyn wollen/ darumb must
du ewig verdambt/ und vom Himmel außgeschlossen seyn: was recht ist/ ver-
stehest du wol/ bist aber desselben höchster Feind: nun hat mir billiger gebührt/
als dir/ diese Seel vor den Richter zu stellen: dann dieser Mensch hat in sei-
nen Leb-Zeiten mich/ als ein Sohn seine Mutter geliebt/ und offtermahl be-
trachtet/ wie GOtt der Herr mich mit so hoher Glori und Herrligkeit begabt
hat: dahero sein Hertz im Leib dermassen gegen mich gebrennet/ daß er bereit
war/ lieber die höllische Pein zu leiden/ als daß durch seine Schuld von meiner
Ehr etwas solt entzogen werden: und mit diesem Hertzen hat er sein Leben ge-
schlossen. Soll nun diß unrecht seyn/ daß ich ihn in meinen Schutz genommen
hab? Hierauff sagt der Ankläger: ich vermeins nicht. Dieser Mensch hat sei-
nes Richters Mutter mehr/ dann sich selbsten geliebt; man siehe aber andere
seine Werck an/ so wird niemand widersprechen können/ daß er mein seye. De-
rowegen/ O Richter/ appellire ich/ und beruffe mich auff deine Gerechtigkeit:
siehe an dieses Menschen auffgezeichnete Werck; siche das lange Register
seiner Sünden: wohl ein Hauffen böser Gedancken/ auß denen/ wann nur die
unreine oder die hoffärtige sollen gestrafft werden/ so würd er schon mein seyn:
er hat das sechste Gebott wohl gewust/ hat es aber viel hundertmahl übertret-
ten: will anderer Sünden geschweigen: so kan er auch auß diesen daß wenigst
nicht läugnen; er ist überwiesen: sein eigenes Gewissen überweist ihn tausent

mahl.
Z z

Von der guten Meinung.
im geheimen Gericht iſt beſchloſſen worden: und/ wiewohl es in einem Au-
genblick alles fuͤruͤber geweſen/ ſo wird doch ordentlich nach einander/ wie es
zugegangen/ fuͤrgeſtellet werden/ damit du es deſto leichter vernehmen koͤnneſt:
allda ſahe Brigitta den Herrn Jeſum im Richter-Stuhl ſitzen/ von einer un-
zahlbaren Schaar der Engelen umbgeben: an deß Richters Seiten ſtund die
Mutter Gottes/ und wolte ſehen/ wie das Gericht wuͤrde abgehen: vor dem
Richter ſtunde deß verſtorbenen Carls Seel voll Zitterns und Schroͤckens/
die wartet auff das Urtheil: auff der rechten Seiten der Seelen ſtund der
Schuͤtz-Engel; auff der Lincken der Anklaͤger/ der Teuffel; doch ruͤhret we-
der dieſer/ noch jener die Seel an: der Anklaͤger fieng an und ſagt: Aller ge-
rechteſter Richter/ ich klag ein Unbill: dieſe Seel waͤr mein geweſen/ und dar-
umb ſoll ſie von Mund auß in die Hoͤll gefahren ſeyn: aber dein Mutter hat
mirs hingeriſſen/ und ſie unter ihrem Schutz und Schirm fuͤr Gericht ge-
ſtellt. Auff dieſe Klag antwortet deß Richters Mutter: gedenck an dein Her-
kommen/ du boͤſer Geiſt; Gott hat dich dieſchoͤnſte Creatur erſchaffen: aber
dein Boͤßheit und Schalckheit hat dich aller deiner Schoͤne und Zierligkeit
beraubt: es ſtunde dir frey/ ob du dich wolleſt deinem Schoͤpffer unterwerf-
fen; du haſt aber lieber rebelliſch und ungehorſamb ſeyn wollen/ darumb muſt
du ewig verdambt/ und vom Himmel außgeſchloſſen ſeyn: was recht iſt/ ver-
ſteheſt du wol/ biſt aber deſſelben hoͤchſter Feind: nun hat mir billiger gebuͤhrt/
als dir/ dieſe Seel vor den Richter zu ſtellen: dann dieſer Menſch hat in ſei-
nen Leb-Zeiten mich/ als ein Sohn ſeine Mutter geliebt/ und offtermahl be-
trachtet/ wie GOtt der Herr mich mit ſo hoher Glori und Herrligkeit begabt
hat: dahero ſein Hertz im Leib dermaſſen gegen mich gebrennet/ daß er bereit
war/ lieber die hoͤlliſche Pein zu leiden/ als daß durch ſeine Schuld von meiner
Ehr etwas ſolt entzogen werden: und mit dieſem Hertzen hat er ſein Leben ge-
ſchloſſen. Soll nun diß unrecht ſeyn/ daß ich ihn in meinen Schutz genom̃en
hab? Hierauff ſagt der Anklaͤger: ich vermeins nicht. Dieſer Menſch hat ſei-
nes Richters Mutter mehr/ dann ſich ſelbſten geliebt; man ſiehe aber andere
ſeine Werck an/ ſo wird niemand widerſprechen koͤnnen/ daß er mein ſeye. De-
rowegen/ O Richter/ appellire ich/ und beruffe mich auff deine Gerechtigkeit:
ſiehe an dieſes Menſchen auffgezeichnete Werck; ſiche das lange Regiſter
ſeiner Suͤnden: wohl ein Hauffen boͤſer Gedancken/ auß denen/ wann nur die
unreine oder die hoffaͤrtige ſollen geſtrafft werden/ ſo wuͤrd er ſchon mein ſeyn:
er hat das ſechſte Gebott wohl gewuſt/ hat es aber viel hundertmahl uͤbertret-
ten: will anderer Suͤnden geſchweigen: ſo kan er auch auß dieſen daß wenigſt
nicht laͤugnen; er iſt uͤberwieſen: ſein eigenes Gewiſſen uͤberweiſt ihn tauſent

mahl.
Z z
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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/389>, abgerufen am 23.11.2024.