Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Vonder nützlichen Vbung
Eigenschafften; die Wohlthaten/ so dem Menschen von GOtt gegeben und
versprochen worden; und das glorwürdige Leben unsers Heylands und See-
ligmachers. Uber dieses alles wird nun erfordert/ was oben gemeldet wor-
den; daß nemblich die Betrachtung in grosser Auffmercksamkeit/ und wah-
rem auffrichtigem Eiffer/ die Vollkommenheit zu erlangen/ müsse gehal-
ten werden.

Bon dem fernen und nahen Bereiten zur
Betrachtung.

Die ferne Bereitung bestehet sonderlich in dreyen Stücken. Erst-
lich/
daß man das jenige/ was einer fruchtbaren Betrachtung hin-
derlich seyn kan/ auß dem Weeg schaffe/ nemblich diese vier Theil/
nach dem Rath deß heiligen Bernardi: Ein nagendes Gewissen/
die stechende Sorgen/ frembde Geschäfften/ und ver-

In Cant.
Serm.
23.
streute Gedancken. Das nagende Gewissen muß gesäubert
werden durch öfftere Erforschung/ durch widerholte Reu und Leyd/
durch eine rechtschaffene Beicht/ und steiffen Fürsatz/ alle Gele-
genheiten zur Sünde zu meiden. Die stechende Sorgen/ so da auß
übermässigem Zweiffel oder Angst über die begangene Werck/ oder vorfal-
lende Geschäfften sich ereignen/ müssen verhütet werden/ und soll man sich
mit einem kindlichen Vertrauen der Göttlichen Fürsichtigkeit empfehlen/
den menschlichen Respeet verachten/ und umb frembder und unzuge-
höriger Geschäfften
sich zu enteussern/ nur suchen GOtt zu gefallen/
und seinem Neben-Menschen umb GOttes Willen. Schließlich müssen
die verstreuete Gedancken vermittelst einer immerwährenden Ab-
tödtung/ und grossem Ernst zur Vollkommenheit/ auch gehemmet/ und/ so
viel möglich ist/ vernichtiget werden.

Zweytens bestehet die offtgemeldte Bereitung darin/ daß nemblich
die Kräfften der Seelen mit nöthigem Schutz versehen werden; welches
theils durch Lesung geistlicher Bücher geschehen kan; und theils auch/ wann
der Mensch die heylsame Mittel zur vollkommenen Fortschreitung im Gu-
ten/ fleissig überleget; und annebens eine gewisse und sichere Art und Weise
zu betrachten/ sich erwerbet.

Drittens wird erfordert eine gute und gesunde Disposition deß Leibs;
und muß man sich in der Abtödtung so bescheidentlich verhalten/ damit selbi-
ge nicht geschwächet werde.

Die nahe Bereitung geschicht folgender Gestalt. Einige wenige Zeit

vor-

Vonder nuͤtzlichen Vbung
Eigenſchafften; die Wohlthaten/ ſo dem Menſchen von GOtt gegeben und
verſprochen worden; und das glorwuͤrdige Leben unſers Heylands und See-
ligmachers. Uber dieſes alles wird nun erfordert/ was oben gemeldet wor-
den; daß nemblich die Betrachtung in groſſer Auffmerckſamkeit/ und wah-
rem auffrichtigem Eiffer/ die Vollkommenheit zu erlangen/ muͤſſe gehal-
ten werden.

Bon dem fernen und nahen Bereiten zur
Betrachtung.

Die ferne Bereitung beſtehet ſonderlich in dreyen Stuͤcken. Erſt-
lich/
daß man das jenige/ was einer fruchtbaren Betrachtung hin-
derlich ſeyn kan/ auß dem Weeg ſchaffe/ nemblich dieſe vier Theil/
nach dem Rath deß heiligen Bernardi: Ein nagendes Gewiſſen/
die ſtechende Sorgen/ frembde Geſchaͤfften/ und ver-

In Cant.
Serm.
23.
ſtreute Gedancken. Das nagende Gewiſſen muß geſaͤubert
werden durch oͤfftere Erforſchung/ durch widerholte Reu und Leyd/
durch eine rechtſchaffene Beicht/ und ſteiffen Fuͤrſatz/ alle Gele-
genheiten zur Suͤnde zu meiden. Die ſtechende Sorgen/ ſo da auß
uͤbermaͤſſigem Zweiffel oder Angſt uͤber die begangene Werck/ oder vorfal-
lende Geſchaͤfften ſich ereignen/ muͤſſen verhuͤtet werden/ und ſoll man ſich
mit einem kindlichen Vertrauen der Goͤttlichen Fuͤrſichtigkeit empfehlen/
den menſchlichen Reſpeet verachten/ und umb frembder und unzuge-
hoͤriger Geſchaͤfften
ſich zu enteuſſern/ nur ſuchen GOtt zu gefallen/
und ſeinem Neben-Menſchen umb GOttes Willen. Schließlich muͤſſen
die verſtreuete Gedancken vermittelſt einer immerwaͤhrenden Ab-
toͤdtung/ und groſſem Ernſt zur Vollkommenheit/ auch gehemmet/ und/ ſo
viel moͤglich iſt/ vernichtiget werden.

Zweytens beſtehet die offtgemeldte Bereitung darin/ daß nemblich
die Kraͤfften der Seelen mit noͤthigem Schutz verſehen werden; welches
theils durch Leſung geiſtlicher Buͤcher geſchehen kan; und theils auch/ wann
der Menſch die heylſame Mittel zur vollkommenen Fortſchreitung im Gu-
ten/ fleiſſig uͤberleget; und annebens eine gewiſſe und ſichere Art und Weiſe
zu betrachten/ ſich erwerbet.

Drittens wird erfordert eine gute und geſunde Diſpoſition deß Leibs;
und muß man ſich in der Abtoͤdtung ſo beſcheidentlich verhalten/ damit ſelbi-
ge nicht geſchwaͤchet werde.

Die nahe Bereitung geſchicht folgender Geſtalt. Einige wenige Zeit

vor-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0494" n="466"/><fw place="top" type="header">Vonder nu&#x0364;tzlichen Vbung</fw><lb/>
Eigen&#x017F;chafften; die Wohlthaten/ &#x017F;o dem Men&#x017F;chen von GOtt gegeben und<lb/>
ver&#x017F;prochen worden; und das glorwu&#x0364;rdige Leben un&#x017F;ers Heylands und See-<lb/>
ligmachers. Uber die&#x017F;es alles wird nun erfordert/ was oben gemeldet wor-<lb/>
den; daß nemblich die Betrachtung in gro&#x017F;&#x017F;er Auffmerck&#x017F;amkeit/ und wah-<lb/>
rem auffrichtigem Eiffer/ die Vollkommenheit zu erlangen/ mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gehal-<lb/>
ten werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b">Bon dem fernen und nahen Bereiten zur</hi><lb/>
Betrachtung.</head><lb/>
            <p>Die ferne Bereitung be&#x017F;tehet &#x017F;onderlich in dreyen Stu&#x0364;cken. <hi rendition="#fr">Er&#x017F;t-<lb/>
lich/</hi> daß man das jenige/ was einer fruchtbaren Betrachtung hin-<lb/>
derlich &#x017F;eyn kan/ auß dem Weeg &#x017F;chaffe/ nemblich die&#x017F;e vier Theil/<lb/>
nach dem Rath deß heiligen Bernardi: <hi rendition="#fr">Ein nagendes Gewi&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
die &#x017F;techende Sorgen/ frembde Ge&#x017F;cha&#x0364;fften/ und ver-</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">In Cant.<lb/>
Serm.</hi> 23.</note><hi rendition="#fr">&#x017F;treute Gedancken. Das nagende Gewi&#x017F;&#x017F;en</hi> muß ge&#x017F;a&#x0364;ubert<lb/>
werden durch o&#x0364;fftere Erfor&#x017F;chung/ durch widerholte Reu und Leyd/<lb/>
durch eine recht&#x017F;chaffene Beicht/ und &#x017F;teiffen Fu&#x0364;r&#x017F;atz/ alle Gele-<lb/>
genheiten zur Su&#x0364;nde zu meiden. <hi rendition="#fr">Die &#x017F;techende Sorgen/</hi> &#x017F;o da auß<lb/>
u&#x0364;berma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igem Zweiffel oder Ang&#x017F;t u&#x0364;ber die begangene Werck/ oder vorfal-<lb/>
lende Ge&#x017F;cha&#x0364;fften &#x017F;ich ereignen/ mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en verhu&#x0364;tet werden/ und &#x017F;oll man &#x017F;ich<lb/>
mit einem kindlichen Vertrauen der Go&#x0364;ttlichen Fu&#x0364;r&#x017F;ichtigkeit empfehlen/<lb/>
den men&#x017F;chlichen Re&#x017F;peet verachten/ und umb <hi rendition="#fr">frembder und unzuge-<lb/>
ho&#x0364;riger Ge&#x017F;cha&#x0364;fften</hi> &#x017F;ich zu enteu&#x017F;&#x017F;ern/ nur &#x017F;uchen GOtt zu gefallen/<lb/>
und &#x017F;einem Neben-Men&#x017F;chen umb GOttes Willen. Schließlich mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/><hi rendition="#fr">die ver&#x017F;treuete Gedancken</hi> vermittel&#x017F;t einer immerwa&#x0364;hrenden Ab-<lb/>
to&#x0364;dtung/ und gro&#x017F;&#x017F;em Ern&#x017F;t zur Vollkommenheit/ auch gehemmet/ und/ &#x017F;o<lb/>
viel mo&#x0364;glich i&#x017F;t/ vernichtiget werden.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Zweytens</hi> be&#x017F;tehet die offtgemeldte Bereitung darin/ daß nemblich<lb/>
die Kra&#x0364;fften der Seelen mit no&#x0364;thigem Schutz ver&#x017F;ehen werden; welches<lb/>
theils durch Le&#x017F;ung gei&#x017F;tlicher Bu&#x0364;cher ge&#x017F;chehen kan; und theils auch/ wann<lb/>
der Men&#x017F;ch die heyl&#x017F;ame Mittel zur vollkommenen Fort&#x017F;chreitung im Gu-<lb/>
ten/ flei&#x017F;&#x017F;ig u&#x0364;berleget; und annebens eine gewi&#x017F;&#x017F;e und &#x017F;ichere Art und Wei&#x017F;e<lb/>
zu betrachten/ &#x017F;ich erwerbet.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Drittens</hi> wird erfordert eine gute und ge&#x017F;unde Di&#x017F;po&#x017F;ition deß Leibs;<lb/>
und muß man &#x017F;ich in der Abto&#x0364;dtung &#x017F;o be&#x017F;cheidentlich verhalten/ damit &#x017F;elbi-<lb/>
ge nicht ge&#x017F;chwa&#x0364;chet werde.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Die nahe Bereitung</hi> ge&#x017F;chicht folgender Ge&#x017F;talt. Einige wenige Zeit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vor-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[466/0494] Vonder nuͤtzlichen Vbung Eigenſchafften; die Wohlthaten/ ſo dem Menſchen von GOtt gegeben und verſprochen worden; und das glorwuͤrdige Leben unſers Heylands und See- ligmachers. Uber dieſes alles wird nun erfordert/ was oben gemeldet wor- den; daß nemblich die Betrachtung in groſſer Auffmerckſamkeit/ und wah- rem auffrichtigem Eiffer/ die Vollkommenheit zu erlangen/ muͤſſe gehal- ten werden. Bon dem fernen und nahen Bereiten zur Betrachtung. Die ferne Bereitung beſtehet ſonderlich in dreyen Stuͤcken. Erſt- lich/ daß man das jenige/ was einer fruchtbaren Betrachtung hin- derlich ſeyn kan/ auß dem Weeg ſchaffe/ nemblich dieſe vier Theil/ nach dem Rath deß heiligen Bernardi: Ein nagendes Gewiſſen/ die ſtechende Sorgen/ frembde Geſchaͤfften/ und ver- ſtreute Gedancken. Das nagende Gewiſſen muß geſaͤubert werden durch oͤfftere Erforſchung/ durch widerholte Reu und Leyd/ durch eine rechtſchaffene Beicht/ und ſteiffen Fuͤrſatz/ alle Gele- genheiten zur Suͤnde zu meiden. Die ſtechende Sorgen/ ſo da auß uͤbermaͤſſigem Zweiffel oder Angſt uͤber die begangene Werck/ oder vorfal- lende Geſchaͤfften ſich ereignen/ muͤſſen verhuͤtet werden/ und ſoll man ſich mit einem kindlichen Vertrauen der Goͤttlichen Fuͤrſichtigkeit empfehlen/ den menſchlichen Reſpeet verachten/ und umb frembder und unzuge- hoͤriger Geſchaͤfften ſich zu enteuſſern/ nur ſuchen GOtt zu gefallen/ und ſeinem Neben-Menſchen umb GOttes Willen. Schließlich muͤſſen die verſtreuete Gedancken vermittelſt einer immerwaͤhrenden Ab- toͤdtung/ und groſſem Ernſt zur Vollkommenheit/ auch gehemmet/ und/ ſo viel moͤglich iſt/ vernichtiget werden. In Cant. Serm. 23. Zweytens beſtehet die offtgemeldte Bereitung darin/ daß nemblich die Kraͤfften der Seelen mit noͤthigem Schutz verſehen werden; welches theils durch Leſung geiſtlicher Buͤcher geſchehen kan; und theils auch/ wann der Menſch die heylſame Mittel zur vollkommenen Fortſchreitung im Gu- ten/ fleiſſig uͤberleget; und annebens eine gewiſſe und ſichere Art und Weiſe zu betrachten/ ſich erwerbet. Drittens wird erfordert eine gute und geſunde Diſpoſition deß Leibs; und muß man ſich in der Abtoͤdtung ſo beſcheidentlich verhalten/ damit ſelbi- ge nicht geſchwaͤchet werde. Die nahe Bereitung geſchicht folgender Geſtalt. Einige wenige Zeit vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/494
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/494>, abgerufen am 22.11.2024.