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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Sacramentalischen Beicht.
der Sünden abschneide: es ist eine Vermessenheit/ und keine Bußfertig-
keit/ daß man auff einem schlepfferigen Weeg wolle sicher stehen/ da so viele
andere gefallen seynd. Hinge gen sollen die Beicht- Vätter auch zusehen/
daß sie den Beichtenden keine unerträgliche Bürden auffbinden: dann was
nutzet der Artzt/ so die Wunden nicht heilet/ sondern verärgert/ und dem/
der seine Wunden offenbahret/ noch mehrere hinzusetzet? Wer dann mit
den Büssenden vätterlich wilt umbgehen/ der suche an selbigem zu erwe-
cken die Zerknirschung/ und nicht die Verbitterung: dann obschon einige
mit dem Hammer wollen zerknirschet werden; so seynd doch andere/ so durch
scharffe ermahnungen gäntzlich zerspringen: derhalben muß man zu denen
sich mehr deß sanfften Oels/ dann deß scharffen Weins gebrauchen.

10. Dieses soll von den Beichts-Vätteren gnug gesagt seyn; von dem
wir zu unser vorigen Materi widerkehren/ und uns errinneren/ daß die ver-
dambliche Schamhafftigkeit und höchst-schädliches Stillschweigen nicht
allein bey den Weltlichen/ sonderen auch bey denen gefunden werde/ die sich
durch öffentliche Gelübten Gott verbunden haben/ wie auß nachfolgender Histo-
ri zu sehen ist. Den H. Antonium last herkommen/ so erzehlet daß ein WitweHistoria.
gewesen seye/ welche von dem Band der Ehe entlöset/ und mit vielen Reich-
thumben begabet/ im Anfang ihres Widwe-Standts sich löblich verhalten/
habe gleichwol allgemach von diesem guten Anfang nachgelassen. Hier-
über hat sich zugetragen/ daß ein adlicher Jüngling das Hauß derselben vor-
beygangen/ und sie gantz freundlig begrüsset; und ob sie schon darab ein
Wißfallen anfänglich gezeigt; so ist doch derselben Hertz durch dergleichen
öfftere Begrüssungen und Verheissungen vor und nach also erweichet
worden; daß sie den unverschämbten Jüngling ins Hauß gelassen/
und nachgehends mit selbigem gesündiget hat. Nach begangener
Sünd ist die Lust zum Fasten/ Allmussen zu geben/ zu Beich-
ten und zu communiciren verschwunden: dann die Geylheit ist eine Zer-
störerin der Tugenten/ und die/ wie der fromme Job sagt: Alles mit31. 12.
der Wurtzel außreutet. Der listige Sathan hat ihr in zwischen die
Zucht/ so er derselben vorhin zu ihrem Schaden benommen; nun zu dero
Verderben widergegeben; daß sie also auß Schamhafftigkeit das begangene
Laster in allen ihren Beichten verschwiegen. Auff daß sie aber den immer
nagenden Wurm deß Gewissen vertreiben mögte/ hat sie bey sich entschlos-
sen/ die heimliche Missethat durch viele Buß-Werck zu vertilgen: dahero
hat sie widerumb zu fasten/ und sich in allerhand strengem Leben zu üben an-
gefangen; und damit sie ihrem Gottrecht wohl dienen mögte/ hat sie ihren

Stand
T t t

Von der Sacramentaliſchen Beicht.
der Suͤnden abſchneide: es iſt eine Vermeſſenheit/ und keine Bußfertig-
keit/ daß man auff einem ſchlepfferigen Weeg wolle ſicher ſtehen/ da ſo viele
andere gefallen ſeynd. Hinge gen ſollen die Beicht- Vaͤtter auch zuſehen/
daß ſie den Beichtenden keine unertraͤgliche Buͤrden auffbinden: dann was
nutzet der Artzt/ ſo die Wunden nicht heilet/ ſondern veraͤrgert/ und dem/
der ſeine Wunden offenbahret/ noch mehrere hinzuſetzet? Wer dann mit
den Buͤſſenden vaͤtterlich wilt umbgehen/ der ſuche an ſelbigem zu erwe-
cken die Zerknirſchung/ und nicht die Verbitterung: dann obſchon einige
mit dem Hammer wollen zerknirſchet werden; ſo ſeynd doch andere/ ſo durch
ſcharffe ermahnungen gaͤntzlich zerſpringen: derhalben muß man zu denen
ſich mehr deß ſanfften Oels/ dann deß ſcharffen Weins gebrauchen.

10. Dieſes ſoll von den Beichts-Vaͤtteren gnug geſagt ſeyn; von dem
wir zu unſer vorigen Materi widerkehren/ und uns errinneren/ daß die ver-
dambliche Schamhafftigkeit und hoͤchſt-ſchaͤdliches Stillſchweigen nicht
allein bey den Weltlichen/ ſonderen auch bey denen gefunden werde/ die ſich
durch oͤffentliche Geluͤbtẽ Gott verbunden habẽ/ wie auß nachfolgender Hiſto-
ri zu ſehen iſt. Den H. Antonium laſt herkommen/ ſo erzehlet daß ein WitweHiſtoria.
geweſen ſeye/ welche von dem Band der Ehe entloͤſet/ und mit vielen Reich-
thumben begabet/ im Anfang ihres Widwe-Standts ſich loͤblich verhalten/
habe gleichwol allgemach von dieſem guten Anfang nachgelaſſen. Hier-
uͤber hat ſich zugetragen/ daß ein adlicher Juͤngling das Hauß derſelben vor-
beygangen/ und ſie gantz freundlig begruͤſſet; und ob ſie ſchon darab ein
Wißfallen anfaͤnglich gezeigt; ſo iſt doch derſelben Hertz durch dergleichen
oͤfftere Begruͤſſungen und Verheiſſungen vor und nach alſo erweichet
worden; daß ſie den unverſchaͤmbten Juͤngling ins Hauß gelaſſen/
und nachgehends mit ſelbigem geſuͤndiget hat. Nach begangener
Suͤnd iſt die Luſt zum Faſten/ Allmuſſen zu geben/ zu Beich-
ten und zu communiciren verſchwunden: dann die Geylheit iſt eine Zer-
ſtoͤrerin der Tugenten/ und die/ wie der fromme Job ſagt: Alles mit31. 12.
der Wurtzel außreutet. Der liſtige Sathan hat ihr in zwiſchen die
Zucht/ ſo er derſelben vorhin zu ihrem Schaden benommen; nun zu dero
Verderben widergegeben; daß ſie alſo auß Schamhafftigkeit das begangene
Laſter in allen ihren Beichten verſchwiegen. Auff daß ſie aber den immer
nagenden Wurm deß Gewiſſen vertreiben moͤgte/ hat ſie bey ſich entſchloſ-
ſen/ die heimliche Miſſethat durch viele Buß-Werck zu vertilgen: dahero
hat ſie widerumb zu faſten/ und ſich in allerhand ſtrengem Leben zu uͤben an-
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Stand
T t t
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[513/0541] Von der Sacramentaliſchen Beicht. der Suͤnden abſchneide: es iſt eine Vermeſſenheit/ und keine Bußfertig- keit/ daß man auff einem ſchlepfferigen Weeg wolle ſicher ſtehen/ da ſo viele andere gefallen ſeynd. Hinge gen ſollen die Beicht- Vaͤtter auch zuſehen/ daß ſie den Beichtenden keine unertraͤgliche Buͤrden auffbinden: dann was nutzet der Artzt/ ſo die Wunden nicht heilet/ ſondern veraͤrgert/ und dem/ der ſeine Wunden offenbahret/ noch mehrere hinzuſetzet? Wer dann mit den Buͤſſenden vaͤtterlich wilt umbgehen/ der ſuche an ſelbigem zu erwe- cken die Zerknirſchung/ und nicht die Verbitterung: dann obſchon einige mit dem Hammer wollen zerknirſchet werden; ſo ſeynd doch andere/ ſo durch ſcharffe ermahnungen gaͤntzlich zerſpringen: derhalben muß man zu denen ſich mehr deß ſanfften Oels/ dann deß ſcharffen Weins gebrauchen. 10. Dieſes ſoll von den Beichts-Vaͤtteren gnug geſagt ſeyn; von dem wir zu unſer vorigen Materi widerkehren/ und uns errinneren/ daß die ver- dambliche Schamhafftigkeit und hoͤchſt-ſchaͤdliches Stillſchweigen nicht allein bey den Weltlichen/ ſonderen auch bey denen gefunden werde/ die ſich durch oͤffentliche Geluͤbtẽ Gott verbunden habẽ/ wie auß nachfolgender Hiſto- ri zu ſehen iſt. Den H. Antonium laſt herkommen/ ſo erzehlet daß ein Witwe geweſen ſeye/ welche von dem Band der Ehe entloͤſet/ und mit vielen Reich- thumben begabet/ im Anfang ihres Widwe-Standts ſich loͤblich verhalten/ habe gleichwol allgemach von dieſem guten Anfang nachgelaſſen. Hier- uͤber hat ſich zugetragen/ daß ein adlicher Juͤngling das Hauß derſelben vor- beygangen/ und ſie gantz freundlig begruͤſſet; und ob ſie ſchon darab ein Wißfallen anfaͤnglich gezeigt; ſo iſt doch derſelben Hertz durch dergleichen oͤfftere Begruͤſſungen und Verheiſſungen vor und nach alſo erweichet worden; daß ſie den unverſchaͤmbten Juͤngling ins Hauß gelaſſen/ und nachgehends mit ſelbigem geſuͤndiget hat. Nach begangener Suͤnd iſt die Luſt zum Faſten/ Allmuſſen zu geben/ zu Beich- ten und zu communiciren verſchwunden: dann die Geylheit iſt eine Zer- ſtoͤrerin der Tugenten/ und die/ wie der fromme Job ſagt: Alles mit der Wurtzel außreutet. Der liſtige Sathan hat ihr in zwiſchen die Zucht/ ſo er derſelben vorhin zu ihrem Schaden benommen; nun zu dero Verderben widergegeben; daß ſie alſo auß Schamhafftigkeit das begangene Laſter in allen ihren Beichten verſchwiegen. Auff daß ſie aber den immer nagenden Wurm deß Gewiſſen vertreiben moͤgte/ hat ſie bey ſich entſchloſ- ſen/ die heimliche Miſſethat durch viele Buß-Werck zu vertilgen: dahero hat ſie widerumb zu faſten/ und ſich in allerhand ſtrengem Leben zu uͤben an- gefangen; und damit ſie ihrem Gottrecht wohl dienen moͤgte/ hat ſie ihren Stand Hiſtoria. 31. 12. T t t

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/541>, abgerufen am 22.11.2024.