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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von den Peynen deß Feg-Feurs.
befreyet werden: hierauff sagte er mit kläglicher Stimm: Wehe/ wehe/ wehe;
ich weiß/ daß ich vor dem letzten Gerichts-Tag keine Gnad erlangen werde:
Ob ich aber alsdann noch erlöset werde/ bin ich nicht versichert. Ach! ach/
wer solte geglaubt haben/ daß meine Ehr und grosses Ansehen/ welches ich
bey allen auff der Welt gehabt; ein so grosse Verachtung und bitteres Ley-
den hätte sollen verändert werden? Jch hab alldort gesehen/ daß einige die
glühende Kohlen unabläßlich im Maul herumb geworffen/ und also über-
mässig grosse Peyn erlitten/ daß sie die Baum-Früchten und andere Speisen
mehr aus Wollust/ als Nothdurfft genossen hatten.

7. Jch hab auch daselbst einen Soldaten gesehen/ welcher viele und unter-
schiedliche Plagen außstunde/ und unter andern auch einen Vogel/ gleich ei-
ner Faust truge; dessen Hand wurde von dem Schnabel und Klauen deß
Vogels erbärmlich zerfressen/ dieweilen er im Beitzen der Raub-Vögel/
mit denen er andere zu fangen pflegte/ sich gar zu viel ergetzet hatte. Jch
hab auch aldorten Bischöffe in sehr schwehren Peynen gesehen/ deren Straf-
fen täglich vermehret wurden wegen der Sünden der Unterthanen/ die sie übel
beherrschet/ und nicht gebührlich gestraffet hatten. Priester hab ich auch
gefunden/ so ihre Unkeuschheit zwarn gebeichtet/ die Gnug - Thuung aber
nicht erfüllet hatten: diese wurden mit unzahlbaren und gleichsamb uner-
mäßlichen Peynen hergenommen. Jn dem ich nun verwundert ware/
daß so wenige Priester im Feg-Feur zu finden waren/ in Ansehung so vie-
ler/ die fast an allen Orthen mit der Unkeuschheit sich besudlen: ist mir ge-
sagt worden/ daß derhalben so wenige daselbst gefunden würden/ dieweilen
auß selbigen kaum einer oder ander eine wahre Bereuung hat/ und dahero
schier alle ewiglich verdambt werden.

8. Was soll ich weiters von den Straffen der groben Laster sagen/ in dem
ich gesehen hab/ daß auch die gute Geistliche so bittere Tormenten haben auß-
stehen müssen/ dieweilen sie nur über die Sauberkeit und Schönheit ihrer
Hände eitele Gedancken gehabt haben? Jch hab auch einen sehr mächtigen
König daselbst gesehen/ welcher unaußsprechlich grosse Tormenten erlitte.
Annebens selbigem hab ich auch einen Bischoff gesehen/ so da nach dem inner-
lichen Mensehen ein sehr guter Geistlicher und andächtiger Mann gewesen
ware/ und in seinen Leb-Zeiten den Leib mit einem sehr harten Cilicio/ mit
Fasten/ Wachen und andern Buß-Wercken gezüchtiget hatte/ deme auch
ein grosser Lohn im Himmel vorbehalten wurde/ und durch welchen GOtt
nach dessen Absterben einige Miraculn gewirckt hatte; so dannoch diese Pey-
nen hat leyden müssen/ dieweilen er in seinem Ambt durch einige Nachlässig-

keiten
L l l l

Von den Peynen deß Feg-Feurs.
befreyet werden: hierauff ſagte er mit klaͤglicher Stimm: Wehe/ wehe/ wehe;
ich weiß/ daß ich vor dem letzten Gerichts-Tag keine Gnad erlangen werde:
Ob ich aber alsdann noch erloͤſet werde/ bin ich nicht verſichert. Ach! ach/
wer ſolte geglaubt haben/ daß meine Ehr und groſſes Anſehen/ welches ich
bey allen auff der Welt gehabt; ein ſo groſſe Verachtung und bitteres Ley-
den haͤtte ſollen veraͤndert werden? Jch hab alldort geſehen/ daß einige die
gluͤhende Kohlen unablaͤßlich im Maul herumb geworffen/ und alſo uͤber-
maͤſſig groſſe Peyn erlitten/ daß ſie die Baum-Fruͤchten und andere Speiſen
mehr aus Wolluſt/ als Nothdurfft genoſſen hatten.

7. Jch hab auch daſelbſt einen Soldaten geſehen/ welcher viele und unter-
ſchiedliche Plagen außſtunde/ und unter andern auch einen Vogel/ gleich ei-
ner Fauſt truge; deſſen Hand wurde von dem Schnabel und Klauen deß
Vogels erbaͤrmlich zerfreſſen/ dieweilen er im Beitzen der Raub-Voͤgel/
mit denen er andere zu fangen pflegte/ ſich gar zu viel ergetzet hatte. Jch
hab auch aldorten Biſchoͤffe in ſehr ſchwehren Peynen geſehen/ deren Straf-
fen taͤglich vermehret wurden wegen der Suͤnden der Unterthanen/ die ſie uͤbel
beherrſchet/ und nicht gebuͤhrlich geſtraffet hatten. Prieſter hab ich auch
gefunden/ ſo ihre Unkeuſchheit zwarn gebeichtet/ die Gnug - Thuung aber
nicht erfuͤllet hatten: dieſe wurden mit unzahlbaren und gleichſamb uner-
maͤßlichen Peynen hergenommen. Jn dem ich nun verwundert ware/
daß ſo wenige Prieſter im Feg-Feur zu finden waren/ in Anſehung ſo vie-
ler/ die faſt an allen Orthen mit der Unkeuſchheit ſich beſudlen: iſt mir ge-
ſagt worden/ daß derhalben ſo wenige daſelbſt gefunden wuͤrden/ dieweilen
auß ſelbigen kaum einer oder ander eine wahre Bereuung hat/ und dahero
ſchier alle ewiglich verdambt werden.

8. Was ſoll ich weiters von den Straffen der groben Laſter ſagen/ in dem
ich geſehen hab/ daß auch die gute Geiſtliche ſo bittere Tormenten haben auß-
ſtehen muͤſſen/ dieweilen ſie nur uͤber die Sauberkeit und Schoͤnheit ihrer
Haͤnde eitele Gedancken gehabt haben? Jch hab auch einen ſehr maͤchtigen
Koͤnig daſelbſt geſehen/ welcher unaußſprechlich groſſe Tormenten erlitte.
Annebens ſelbigem hab ich auch einen Biſchoff geſehen/ ſo da nach dem inner-
lichen Menſehen ein ſehr guter Geiſtlicher und andaͤchtiger Mann geweſen
ware/ und in ſeinen Leb-Zeiten den Leib mit einem ſehr harten Cilicio/ mit
Faſten/ Wachen und andern Buß-Wercken gezuͤchtiget hatte/ deme auch
ein groſſer Lohn im Himmel vorbehalten wurde/ und durch welchen GOtt
nach deſſen Abſterben einige Miraculn gewirckt hatte; ſo dannoch dieſe Pey-
nen hat leyden muͤſſen/ dieweilen er in ſeinem Ambt durch einige Nachlaͤſſig-

keiten
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[633/0661] Von den Peynen deß Feg-Feurs. befreyet werden: hierauff ſagte er mit klaͤglicher Stimm: Wehe/ wehe/ wehe; ich weiß/ daß ich vor dem letzten Gerichts-Tag keine Gnad erlangen werde: Ob ich aber alsdann noch erloͤſet werde/ bin ich nicht verſichert. Ach! ach/ wer ſolte geglaubt haben/ daß meine Ehr und groſſes Anſehen/ welches ich bey allen auff der Welt gehabt; ein ſo groſſe Verachtung und bitteres Ley- den haͤtte ſollen veraͤndert werden? Jch hab alldort geſehen/ daß einige die gluͤhende Kohlen unablaͤßlich im Maul herumb geworffen/ und alſo uͤber- maͤſſig groſſe Peyn erlitten/ daß ſie die Baum-Fruͤchten und andere Speiſen mehr aus Wolluſt/ als Nothdurfft genoſſen hatten. 7. Jch hab auch daſelbſt einen Soldaten geſehen/ welcher viele und unter- ſchiedliche Plagen außſtunde/ und unter andern auch einen Vogel/ gleich ei- ner Fauſt truge; deſſen Hand wurde von dem Schnabel und Klauen deß Vogels erbaͤrmlich zerfreſſen/ dieweilen er im Beitzen der Raub-Voͤgel/ mit denen er andere zu fangen pflegte/ ſich gar zu viel ergetzet hatte. Jch hab auch aldorten Biſchoͤffe in ſehr ſchwehren Peynen geſehen/ deren Straf- fen taͤglich vermehret wurden wegen der Suͤnden der Unterthanen/ die ſie uͤbel beherrſchet/ und nicht gebuͤhrlich geſtraffet hatten. Prieſter hab ich auch gefunden/ ſo ihre Unkeuſchheit zwarn gebeichtet/ die Gnug - Thuung aber nicht erfuͤllet hatten: dieſe wurden mit unzahlbaren und gleichſamb uner- maͤßlichen Peynen hergenommen. Jn dem ich nun verwundert ware/ daß ſo wenige Prieſter im Feg-Feur zu finden waren/ in Anſehung ſo vie- ler/ die faſt an allen Orthen mit der Unkeuſchheit ſich beſudlen: iſt mir ge- ſagt worden/ daß derhalben ſo wenige daſelbſt gefunden wuͤrden/ dieweilen auß ſelbigen kaum einer oder ander eine wahre Bereuung hat/ und dahero ſchier alle ewiglich verdambt werden. 8. Was ſoll ich weiters von den Straffen der groben Laſter ſagen/ in dem ich geſehen hab/ daß auch die gute Geiſtliche ſo bittere Tormenten haben auß- ſtehen muͤſſen/ dieweilen ſie nur uͤber die Sauberkeit und Schoͤnheit ihrer Haͤnde eitele Gedancken gehabt haben? Jch hab auch einen ſehr maͤchtigen Koͤnig daſelbſt geſehen/ welcher unaußſprechlich groſſe Tormenten erlitte. Annebens ſelbigem hab ich auch einen Biſchoff geſehen/ ſo da nach dem inner- lichen Menſehen ein ſehr guter Geiſtlicher und andaͤchtiger Mann geweſen ware/ und in ſeinen Leb-Zeiten den Leib mit einem ſehr harten Cilicio/ mit Faſten/ Wachen und andern Buß-Wercken gezuͤchtiget hatte/ deme auch ein groſſer Lohn im Himmel vorbehalten wurde/ und durch welchen GOtt nach deſſen Abſterben einige Miraculn gewirckt hatte; ſo dannoch dieſe Pey- nen hat leyden muͤſſen/ dieweilen er in ſeinem Ambt durch einige Nachlaͤſſig- keiten L l l l

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/661>, abgerufen am 16.07.2024.