Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der wenigen Zahl der Außerwählten. muth bey den Jungen! und wie allgemeine Vngerechtig-keit bey allem Volck! Seynd dieß nicht entsetzliche Wort/ mein Christliche Seel? Wann nicht ein so heiliger Mann dieselbe gesprochen hätte/ wer solts glauben können? Und wann zu denen Zeiten/ umb das vier- hunderste Jahr nach der heylsamen Geburt deß Herrn/ da die Christ-Glau- bige noch in ihrem ersten Eiffer waren/ so wenige haben können seelig werden; O mein GOtt! was Raths/ was Raths dann mit unsern Zeiten? was Raths mit unser Welt/ die so voll von Liegen und Betriegen ist/ in der man schier nichts höret/ als Sünden und Laster? Deren Kinder die mehreste und beste Zeit ihres Lebens mehr den eytelen Ehren und augenblicklichen Freuden/ als ihrem GOTE/ ihrem Ersehöpffer/ Erlöser und höchsten Wohlthäter auffopffern. 9. Auff daß du nun über die wenige Zahl der Außerwöhlten weiters 10. Noch P p p p 2
Von der wenigen Zahl der Außerwaͤhlten. muth bey den Jungen! und wie allgemeine Vngerechtig-keit bey allem Volck! Seynd dieß nicht entſetzliche Wort/ mein Chriſtliche Seel? Wann nicht ein ſo heiliger Mann dieſelbe geſprochen haͤtte/ wer ſolts glauben koͤnnen? Und wann zu denen Zeiten/ umb das vier- hunderſte Jahr nach der heylſamen Geburt deß Herrn/ da die Chriſt-Glau- bige noch in ihrem erſten Eiffer waren/ ſo wenige haben koͤnnen ſeelig werden; O mein GOtt! was Raths/ was Raths dann mit unſern Zeiten? was Raths mit unſer Welt/ die ſo voll von Liegen und Betriegen iſt/ in der man ſchier nichts hoͤret/ als Suͤnden und Laſter? Deren Kinder die mehreſte und beſte Zeit ihres Lebens mehr den eytelen Ehren und augenblicklichen Freuden/ als ihrem GOTE/ ihrem Erſehoͤpffer/ Erloͤſer und hoͤchſten Wohlthaͤter auffopffern. 9. Auff daß du nun uͤber die wenige Zahl der Außerwoͤhlten weiters 10. Noch P p p p 2
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Von der wenigen Zahl der Außerwaͤhlten.
muth bey den Jungen! und wie allgemeine Vngerechtig-
keit bey allem Volck! Seynd dieß nicht entſetzliche Wort/ mein
Chriſtliche Seel? Wann nicht ein ſo heiliger Mann dieſelbe geſprochen
haͤtte/ wer ſolts glauben koͤnnen? Und wann zu denen Zeiten/ umb das vier-
hunderſte Jahr nach der heylſamen Geburt deß Herrn/ da die Chriſt-Glau-
bige noch in ihrem erſten Eiffer waren/ ſo wenige haben koͤnnen ſeelig werden;
O mein GOtt! was Raths/ was Raths dann mit unſern Zeiten? was
Raths mit unſer Welt/ die ſo voll von Liegen und Betriegen iſt/ in der man
ſchier nichts hoͤret/ als Suͤnden und Laſter? Deren Kinder die mehreſte
und beſte Zeit ihres Lebens mehr den eytelen Ehren und augenblicklichen
Freuden/ als ihrem GOTE/ ihrem Erſehoͤpffer/ Erloͤſer und hoͤchſten
Wohlthaͤter auffopffern.
9. Auff daß du nun uͤber die wenige Zahl der Außerwoͤhlten weiters
verſichert werdeſt; Als hab ich dir einige Merck- und glaubwuͤrdige Ge-
ſchichten anbeyfuͤgen wollen; Auß denen du mit groſſer Forcht und Zittern/
die Warheit der eingerichteten Meynungen klaͤrlich erſehen kanſt. Jm Leben
deß H. Bernardileſet man von einem Einſiedler/ welcher ein ſehr ſtrenges
Leben gefuͤhret/ vorhin aber Dechant zu Lingonien geweſen war; daß er ſei-
ne feiſte Praͤbend ſambt allem Welt-Pracht auß Forcht Gottes verlaſſen/
und ſich in die Wuͤſten retiriret habe. Nachdeme ſelbiger fuͤnff und zwantzig
Jahr in mehr als gemeiner Heyligkeit hat zugebracht/ iſt er nach ſeinem ſee-
ligen Hinſcheiden dem Biſchoff zu Lingonien/ deme er bey ſeinen Lebzeiten
bekennt geweſen/ erſchienen/ und hat ſelbigen mit dieſen erſchroͤcklichen Wor-
ten angeredet/ und geſagt: Thue Buß/ beſſere dein Leben/ und ſaubere dein
Gewiſſen; Verlaſſe die Hoffart ſambt dem Geitz; Jm widrigen Fall wir-
ſtu der ewigen Seeligkeit nicht theilhafftig werden: Ach/ ach! der arme
Menſch kan ſo leicht nicht ſeelig werden/ wie man vermeynet. Da ich dem
erſchroͤcklichen Gericht-Gottes bin vorgeſtellt worden/ ſeynd mit mir auffm
Gerichts-Platz erſchienen dreiſſig tauſend Seelen; auß welcher Zahl der
fromme Diener GOttes Bernardus und ich ſeynd ſeelig worden: Drey
ſeynd zum Feeg-Fewr/ und der uͤbrige Reſt iſt zur Hoͤllen verdambt wor-
den. Nach dieſem ertheilten Bericht iſt der Einſiedler verſchwunden. Hier-
uͤber laß ich dich mein Chriſtliche Seel urtheilen/ wie es in jener Welt her-
gehen werde: Jch aber lebe inzwiſchen in groſſer Forcht/ und trachte mein
Leben von Tag zu Tag/ von Stund zu Stund; und von einem Augen-
blick zum andern zu beſſern.
Spec.
Exem.
vid.
Damnat.
Exem. 2.
Hiſtoria.
10. Noch
P p p p 2
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