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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Zwey und Fünfftzigste Geistliche Lection
L. 1. de
Bon. stat.
Relig. c.
5.

10. Noch entsetzlicher ist/ was Hieronymus Platus last herkommen/
daß sich zu Straßburg hat zugetragen: dann da der heiligmässige Bertol-
dus auß dem Orden deß heiligen Francisci/ ein fürtrefflicher Prediger/
einsmahls über ein sicheres Laster sonderbahr geeiffert; ist ein Weib/ so mit
selbigem behafftet gewesen/ für grosser Reu und Leyd in währender Predig
urplötzlich nieder gesallen und gestorben. Nach dem nun der Gottseelige
Mann/ sambt allen Zuhörern für das Heyl deß verstorbenen Weibs in-
brünstig gebettet/ ist selbiges zum Leben erweckt worden; und hat die Ursach
ihres so gählingen Todts bekennet/ und gesagt/ daß ihr wäre befohlen wor-
den/ zum Leib wiederzukehren/ umb Buß für ihre Sünden zu wircken. Sel-
bige hat viele Dinge erzehlet/ die sie gesehen/ unter denen sie dieses erschröck-
liche auch gemeldet. Da ich/ sagt sie/ zum Richter-Stuhl GOttes
kommen bin/ seynd auch mit mir sechsig tausent Seelen zum Gericht er-
schienen/ auß welchen allen nur drey zum Feg-Feur seynd verurtheilt wor-
den: einer von den Franciseaner Brüdern hat zwarn auch durchs Feg-Feur
gehen müssen; hat aber in diesem seinem Durch-Zug zwey andere Seelen/
so ihme sonderbahr befreund gewesen/ mit sich gen Himmel genommen: die
übrige seynd alle ewiglich verdambt worden. Ob nun diese alle Christglau-
bige Seelen gewesen seyen/ will ich nicht sagen: Es ist aber der Ehr-wür-
c. 180.dige P. Martinus ein Capuciner im Leben Christi der wahr-
scheinenden Meynung/ daß alle Christen gewesen seynd: welcher Mey-
nung mir sehr hart zu seyn geduncket. Gesetzt aber/ daß selbige nicht alle
Catholisch gewesen/ sondern daß viele unter ihnen Heyden und Ketzer ge-
wesen seyn: so können wir doch nicht läugnen/ daß auß diesen sechszig
tausent gewesen seyn zwantzig tausent oder auffs wenigs zehn tausent wahrer
Glaubigen. Und wann diesem also ist/ wie ich im geringsten nicht zweiffle;
wer will dann für den verborgenen Urtheilen GOttes sich nicht förchten/
und entsetzen/ da er höret/ daß auß 20000. Catholischen nur vier das ewige
Leben erhalten haben!

11. Jm Buch von dem Ursprung deß Carteuser Ordens leset man auch/
daß Jnnocentius der dritte/ da er noch Cardinal gewesen/ einsmahls einen
Einsidler besucht/ und selbigen in einer Verzuckung gefunden habe. Nach-
dem er nun wiederum zu sich kommen/ habe er gar tieff geseuffzet und geruf-
fen; O GOtt/ O GOtt! was grausame Dinge hab ich gesehen! Jch
bin zur Höllen geführt worden/ und hab gesehen/ daß die Seelen gleich
dem häuffigen und dicken Schnee hinunter gefallen seynd: Zum Feg-Feur
aber seynd sie gefallen/ wie der eintzlich und gar dünne Schnee. Zum Him-
mel seynd nur drey gelanget: nemblich die Seel eines Bischoffs; eines Car-

teu-
Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
L. 1. de
Bon. ſtat.
Relig. c.
5.

10. Noch entſetzlicher iſt/ was Hieronymus Platus laſt herkommen/
daß ſich zu Straßburg hat zugetragen: dann da der heiligmaͤſſige Bertol-
dus auß dem Orden deß heiligen Franciſci/ ein fuͤrtrefflicher Prediger/
einsmahls uͤber ein ſicheres Laſter ſonderbahr geeiffert; iſt ein Weib/ ſo mit
ſelbigem behafftet geweſen/ fuͤr groſſer Reu und Leyd in waͤhrender Predig
urploͤtzlich nieder geſallen und geſtorben. Nach dem nun der Gottſeelige
Mann/ ſambt allen Zuhoͤrern fuͤr das Heyl deß verſtorbenen Weibs in-
bruͤnſtig gebettet/ iſt ſelbiges zum Leben erweckt worden; und hat die Urſach
ihres ſo gaͤhlingen Todts bekennet/ und geſagt/ daß ihr waͤre befohlen wor-
den/ zum Leib wiederzukehren/ umb Buß fuͤr ihre Suͤnden zu wircken. Sel-
bige hat viele Dinge erzehlet/ die ſie geſehen/ unter denen ſie dieſes erſchroͤck-
liche auch gemeldet. Da ich/ ſagt ſie/ zum Richter-Stuhl GOttes
kommen bin/ ſeynd auch mit mir ſechſig tauſent Seelen zum Gericht er-
ſchienen/ auß welchen allen nur drey zum Feg-Feur ſeynd verurtheilt wor-
den: einer von den Franciſeaner Bruͤdern hat zwarn auch durchs Feg-Feur
gehen muͤſſen; hat aber in dieſem ſeinem Durch-Zug zwey andere Seelen/
ſo ihme ſonderbahr befreund geweſen/ mit ſich gen Himmel genommen: die
uͤbrige ſeynd alle ewiglich verdambt worden. Ob nun dieſe alle Chriſtglau-
bige Seelen geweſen ſeyen/ will ich nicht ſagen: Es iſt aber der Ehr-wuͤr-
c. 180.dige P. Martinus ein Capuciner im Leben Chriſti der wahr-
ſcheinenden Meynung/ daß alle Chriſten geweſen ſeynd: welcher Mey-
nung mir ſehr hart zu ſeyn geduncket. Geſetzt aber/ daß ſelbige nicht alle
Catholiſch geweſen/ ſondern daß viele unter ihnen Heyden und Ketzer ge-
weſen ſeyn: ſo koͤnnen wir doch nicht laͤugnen/ daß auß dieſen ſechszig
tauſent geweſen ſeyn zwantzig tauſent oder auffs wenigs zehn tauſent wahrer
Glaubigen. Und wann dieſem alſo iſt/ wie ich im geringſten nicht zweiffle;
wer will dann fuͤr den verborgenen Urtheilen GOttes ſich nicht foͤrchten/
und entſetzen/ da er hoͤret/ daß auß 20000. Catholiſchen nur vier das ewige
Leben erhalten haben!

11. Jm Buch von dem Urſprung deß Carteuſer Ordens leſet man auch/
daß Jnnocentius der dritte/ da er noch Cardinal geweſen/ einsmahls einen
Einſidler beſucht/ und ſelbigen in einer Verzuckung gefunden habe. Nach-
dem er nun wiederum zu ſich kommen/ habe er gar tieff geſeuffzet und geruf-
fen; O GOtt/ O GOtt! was grauſame Dinge hab ich geſehen! Jch
bin zur Hoͤllen gefuͤhrt worden/ und hab geſehen/ daß die Seelen gleich
dem haͤuffigen und dicken Schnee hinunter gefallen ſeynd: Zum Feg-Feur
aber ſeynd ſie gefallen/ wie der eintzlich und gar duͤnne Schnee. Zum Him-
mel ſeynd nur drey gelanget: nemblich die Seel eines Biſchoffs; eines Car-

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[668/0696] Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection 10. Noch entſetzlicher iſt/ was Hieronymus Platus laſt herkommen/ daß ſich zu Straßburg hat zugetragen: dann da der heiligmaͤſſige Bertol- dus auß dem Orden deß heiligen Franciſci/ ein fuͤrtrefflicher Prediger/ einsmahls uͤber ein ſicheres Laſter ſonderbahr geeiffert; iſt ein Weib/ ſo mit ſelbigem behafftet geweſen/ fuͤr groſſer Reu und Leyd in waͤhrender Predig urploͤtzlich nieder geſallen und geſtorben. Nach dem nun der Gottſeelige Mann/ ſambt allen Zuhoͤrern fuͤr das Heyl deß verſtorbenen Weibs in- bruͤnſtig gebettet/ iſt ſelbiges zum Leben erweckt worden; und hat die Urſach ihres ſo gaͤhlingen Todts bekennet/ und geſagt/ daß ihr waͤre befohlen wor- den/ zum Leib wiederzukehren/ umb Buß fuͤr ihre Suͤnden zu wircken. Sel- bige hat viele Dinge erzehlet/ die ſie geſehen/ unter denen ſie dieſes erſchroͤck- liche auch gemeldet. Da ich/ ſagt ſie/ zum Richter-Stuhl GOttes kommen bin/ ſeynd auch mit mir ſechſig tauſent Seelen zum Gericht er- ſchienen/ auß welchen allen nur drey zum Feg-Feur ſeynd verurtheilt wor- den: einer von den Franciſeaner Bruͤdern hat zwarn auch durchs Feg-Feur gehen muͤſſen; hat aber in dieſem ſeinem Durch-Zug zwey andere Seelen/ ſo ihme ſonderbahr befreund geweſen/ mit ſich gen Himmel genommen: die uͤbrige ſeynd alle ewiglich verdambt worden. Ob nun dieſe alle Chriſtglau- bige Seelen geweſen ſeyen/ will ich nicht ſagen: Es iſt aber der Ehr-wuͤr- dige P. Martinus ein Capuciner im Leben Chriſti der wahr- ſcheinenden Meynung/ daß alle Chriſten geweſen ſeynd: welcher Mey- nung mir ſehr hart zu ſeyn geduncket. Geſetzt aber/ daß ſelbige nicht alle Catholiſch geweſen/ ſondern daß viele unter ihnen Heyden und Ketzer ge- weſen ſeyn: ſo koͤnnen wir doch nicht laͤugnen/ daß auß dieſen ſechszig tauſent geweſen ſeyn zwantzig tauſent oder auffs wenigs zehn tauſent wahrer Glaubigen. Und wann dieſem alſo iſt/ wie ich im geringſten nicht zweiffle; wer will dann fuͤr den verborgenen Urtheilen GOttes ſich nicht foͤrchten/ und entſetzen/ da er hoͤret/ daß auß 20000. Catholiſchen nur vier das ewige Leben erhalten haben! c. 180. 11. Jm Buch von dem Urſprung deß Carteuſer Ordens leſet man auch/ daß Jnnocentius der dritte/ da er noch Cardinal geweſen/ einsmahls einen Einſidler beſucht/ und ſelbigen in einer Verzuckung gefunden habe. Nach- dem er nun wiederum zu ſich kommen/ habe er gar tieff geſeuffzet und geruf- fen; O GOtt/ O GOtt! was grauſame Dinge hab ich geſehen! Jch bin zur Hoͤllen gefuͤhrt worden/ und hab geſehen/ daß die Seelen gleich dem haͤuffigen und dicken Schnee hinunter gefallen ſeynd: Zum Feg-Feur aber ſeynd ſie gefallen/ wie der eintzlich und gar duͤnne Schnee. Zum Him- mel ſeynd nur drey gelanget: nemblich die Seel eines Biſchoffs; eines Car- teu-

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/696>, abgerufen am 22.11.2024.