Der selige Arnd sagt: das Anschauen GOttes sey so lieb- lich: daß wanns möglich wäre, daß ihn eine Verdammte See- le in seiner wesentlichen Liebe erblicken könte, sie sofort des Augenblicks der Höllenpein ledig, und mit unaussprechli- cher Himmelsfreude übergossen und durchflossen werden müste. Hingegen sagt ein anderer Heiliger, dem der Teuffel in seiner natürlichen Gestalt erschienen: es seye so was entsetzlich scheußliches, daß einer wol in einen glüenden Feuerofen springen möchte, diesem Anblick zu entrinnen. Erwege nun, wohin dich der Mißbrauch deiner Augen frühe oder spat bringen werde!
Was durchs Gesicht erkannt wird, setzt sich gar zu tief ins Gemüth: daher die heilige Schrifft Be- hutsamkeit der Augen gewaltig einschärfet. Keiner wird so hefftig beweget vom Hören als vom Sehen. Wer einen selber ermorden oder hinrichten siehet, der wird weit mehr gerührt, als wann er nur davon hört. Das Auge schöpfet in kurtzer Zeit sehr viel in sich, und das zwar nur allzu klar und allzutieff. Also ward Eva zuerst durch das Anschauen der Frucht so heftig bewegt. Petrus setzt um deßwil- len den Ehebruch in die Augen, daraus ein bestia- lisch oder viehisch Leben entstehe; dadurch ein unkeu- scher wie ein Ochs zur Schlachtbanck und Fesseln kommt, biß ihm ein Pfeil die Leber spaltet; und eilet wie ein Vogel zum Strick, ohne zu wissen oder zu bedencken, daß derselbe wieder sein Leben ist. 2 Petr. 2, 12. 14. Sprüchw.. 7, 22. 23.
Jch habe einen 15. jährigen Knaben gekannt, der etliche monat in wunderbarer, starcker und lebendiger Erwe- ckung zum Reich GOttes gestanden. Weil er aber von fürnehmen Geschlecht war, und den Eltern sothane An- dacht nicht anstehen wolte: so schickten sie ihn zu einem hohen Anverwandten, bey dem es mit Tautzen und al- lerhand weltlichen Ergötzlichkeiten, wie an einem Für- stenhoff zuginge: hier blieb er nur etwa drey Tage lang. Da er aber daselbst eine sehr schöne Tochter im Tantz er- blicket, konte er seine verworrene Fantasie von dem ein- gedruckten Bild auf keine Weise erledigen. Er ward vom Satan auf seinem Grund und Boden erwischt, und ins häßliche Gefängniß der Unkeuschheit eingesperrt; ge-
rieth
C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit.
Der ſelige Arnd ſagt: das Anſchauen GOttes ſey ſo lieb- lich: daß wanns moͤglich waͤre, daß ihn eine Verdam̃te See- le in ſeiner weſentlichen Liebe erblicken koͤnte, ſie ſofort des Augenblicks der Hoͤllenpein ledig, und mit unausſprechli- cher Himmelsfreude uͤbergoſſen und durchfloſſen werden muͤſte. Hingegen ſagt ein anderer Heiliger, dem der Teuffel in ſeiner natuͤrlichen Geſtalt erſchienen: es ſeye ſo was entſetzlich ſcheußliches, daß einer wol in einen gluͤenden Feuerofen ſpringen moͤchte, dieſem Anblick zu entrinnen. Erwege nun, wohin dich der Mißbrauch deiner Augen fruͤhe oder ſpat bringen werde!
Was durchs Geſicht erkannt wird, ſetzt ſich gar zu tief ins Gemuͤth: daher die heilige Schrifft Be- hutſamkeit der Augen gewaltig einſchaͤrfet. Keiner wird ſo hefftig beweget vom Hoͤren als vom Sehen. Wer einen ſelber ermorden oder hinrichten ſiehet, der wird weit mehr geruͤhrt, als wann er nur davon hoͤrt. Das Auge ſchoͤpfet in kurtzer Zeit ſehr viel in ſich, und das zwar nur allzu klar und allzutieff. Alſo ward Eva zuerſt durch das Anſchauen der Frucht ſo heftig bewegt. Petrus ſetzt um deßwil- len den Ehebruch in die Augen, daraus ein beſtia- liſch oder viehiſch Leben entſtehe; dadurch ein unkeu- ſcher wie ein Ochs zur Schlachtbanck und Feſſeln kommt, biß ihm ein Pfeil die Leber ſpaltet; und eilet wie ein Vogel zum Strick, ohne zu wiſſen oder zu bedencken, daß derſelbe wieder ſein Leben iſt. 2 Petr. 2, 12. 14. Spruͤchw.. 7, 22. 23.
Jch habe einen 15. jaͤhrigen Knaben gekannt, der etliche monat in wunderbarer, ſtarcker und lebendiger Erwe- ckung zum Reich GOttes geſtanden. Weil er aber von fuͤrnehmen Geſchlecht war, und den Eltern ſothane An- dacht nicht anſtehen wolte: ſo ſchickten ſie ihn zu einem hohen Anverwandten, bey dem es mit Tautzen und al- lerhand weltlichen Ergoͤtzlichkeiten, wie an einem Fuͤr- ſtenhoff zuginge: hier blieb er nur etwa drey Tage lang. Da er aber daſelbſt eine ſehr ſchoͤne Tochter im Tantz er- blicket, konte er ſeine verworrene Fantaſie von dem ein- gedruckten Bild auf keine Weiſe erledigen. Er ward vom Satan auf ſeinem Grund und Boden erwiſcht, und ins haͤßliche Gefaͤngniß der Unkeuſchheit eingeſperrt; ge-
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C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit.
Der ſelige Arnd ſagt: das Anſchauen GOttes ſey ſo lieb-
lich: daß wanns moͤglich waͤre, daß ihn eine Verdam̃te See-
le in ſeiner weſentlichen Liebe erblicken koͤnte, ſie ſofort des
Augenblicks der Hoͤllenpein ledig, und mit unausſprechli-
cher Himmelsfreude uͤbergoſſen und durchfloſſen werden
muͤſte. Hingegen ſagt ein anderer Heiliger, dem der
Teuffel in ſeiner natuͤrlichen Geſtalt erſchienen: es ſeye ſo
was entſetzlich ſcheußliches, daß einer wol in einen
gluͤenden Feuerofen ſpringen moͤchte, dieſem Anblick
zu entrinnen. Erwege nun, wohin dich der Mißbrauch
deiner Augen fruͤhe oder ſpat bringen werde!
Was durchs Geſicht erkannt wird, ſetzt ſich gar
zu tief ins Gemuͤth: daher die heilige Schrifft Be-
hutſamkeit der Augen gewaltig einſchaͤrfet. Keiner
wird ſo hefftig beweget vom Hoͤren als vom Sehen.
Wer einen ſelber ermorden oder hinrichten ſiehet,
der wird weit mehr geruͤhrt, als wann er nur davon
hoͤrt. Das Auge ſchoͤpfet in kurtzer Zeit ſehr viel
in ſich, und das zwar nur allzu klar und allzutieff.
Alſo ward Eva zuerſt durch das Anſchauen der
Frucht ſo heftig bewegt. Petrus ſetzt um deßwil-
len den Ehebruch in die Augen, daraus ein beſtia-
liſch oder viehiſch Leben entſtehe; dadurch ein unkeu-
ſcher wie ein Ochs zur Schlachtbanck und Feſſeln
kommt, biß ihm ein Pfeil die Leber ſpaltet; und eilet
wie ein Vogel zum Strick, ohne zu wiſſen oder zu
bedencken, daß derſelbe wieder ſein Leben iſt. 2 Petr.
2, 12. 14. Spruͤchw.. 7, 22. 23.
Jch habe einen 15. jaͤhrigen Knaben gekannt, der etliche
monat in wunderbarer, ſtarcker und lebendiger Erwe-
ckung zum Reich GOttes geſtanden. Weil er aber von
fuͤrnehmen Geſchlecht war, und den Eltern ſothane An-
dacht nicht anſtehen wolte: ſo ſchickten ſie ihn zu einem
hohen Anverwandten, bey dem es mit Tautzen und al-
lerhand weltlichen Ergoͤtzlichkeiten, wie an einem Fuͤr-
ſtenhoff zuginge: hier blieb er nur etwa drey Tage lang.
Da er aber daſelbſt eine ſehr ſchoͤne Tochter im Tantz er-
blicket, konte er ſeine verworrene Fantaſie von dem ein-
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vom Satan auf ſeinem Grund und Boden erwiſcht, und
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/689>, abgerufen am 21.11.2024.
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