Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.Bey den Römern beruht alles darauf, daß der Bey den Römern beruht alles darauf, daß der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="90"/> Bey den Römern beruht alles darauf, daß der<lb/> Juriſt durch den lebendigen Beſitz des Rechts-<lb/> ſyſtems in den Stand geſetzt wird, für jeden gegebe-<lb/> nen Fall das Recht zu finden. Dazu führt die ſchar-<lb/> fe, individuelle Anſchauung der einzelnen Rechtsver-<lb/> hältniſſe, ſo wie die ſichere Kenntniß der leitenden<lb/> Grundſätze, ihres Zuſammenhangs und ihrer Unterord-<lb/> nung, und wo wir bey ihnen Rechtsfälle in der be-<lb/> dingteſten Anwendung finden, dienen ſie doch ſtets<lb/> als verkörperter Ausdruck jenes allgemeinen. Dieſen<lb/> Unterſchied wird mir jeder zugeben, der das Land-<lb/> recht unbefangen mit den Pandekten vergleicht, und<lb/> eine ſolche Vergleichung iſt hier gewiß zuläſſig, da ja<lb/> nicht von eigenthümlicher Römiſcher Verfaſſung, ſondern<lb/> von allgemeiner Methode die Rede iſt. Was insbe-<lb/> ſondere die ſcharfe, individuelle Auffaſſung der Be-<lb/> griffe betrifft, ſo iſt der nicht ſeltene Mangel derſel-<lb/> ben im Landrecht weniger auffallend und fühlbar,<lb/> weil eben die materielle Vollſtändigkeit des Details<lb/> ihrer Natur nach dahin ſtrebt, dieſe Lücke auszufül-<lb/> len. Was aber die praktiſchen Regeln ſelbſt, als den<lb/> eigentlichen Zweck jedes Geſetzbuchs anlangt, ſo iſt die<lb/> Folge des hier beſchriebenen Characters, daß die mei-<lb/> ſten Beſtimmungen des Landrechts weder die Höhe<lb/> allgemeiner, leitender Grundſätze, noch die Anſchau-<lb/> lichkeit des individuellen erreichen, ſondern zwiſchen<lb/> beiden Endpunkten in der Mitte ſchweben, während<lb/> die Römer beide in ihrer naturgemäßen Verknüpfung<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0100]
Bey den Römern beruht alles darauf, daß der
Juriſt durch den lebendigen Beſitz des Rechts-
ſyſtems in den Stand geſetzt wird, für jeden gegebe-
nen Fall das Recht zu finden. Dazu führt die ſchar-
fe, individuelle Anſchauung der einzelnen Rechtsver-
hältniſſe, ſo wie die ſichere Kenntniß der leitenden
Grundſätze, ihres Zuſammenhangs und ihrer Unterord-
nung, und wo wir bey ihnen Rechtsfälle in der be-
dingteſten Anwendung finden, dienen ſie doch ſtets
als verkörperter Ausdruck jenes allgemeinen. Dieſen
Unterſchied wird mir jeder zugeben, der das Land-
recht unbefangen mit den Pandekten vergleicht, und
eine ſolche Vergleichung iſt hier gewiß zuläſſig, da ja
nicht von eigenthümlicher Römiſcher Verfaſſung, ſondern
von allgemeiner Methode die Rede iſt. Was insbe-
ſondere die ſcharfe, individuelle Auffaſſung der Be-
griffe betrifft, ſo iſt der nicht ſeltene Mangel derſel-
ben im Landrecht weniger auffallend und fühlbar,
weil eben die materielle Vollſtändigkeit des Details
ihrer Natur nach dahin ſtrebt, dieſe Lücke auszufül-
len. Was aber die praktiſchen Regeln ſelbſt, als den
eigentlichen Zweck jedes Geſetzbuchs anlangt, ſo iſt die
Folge des hier beſchriebenen Characters, daß die mei-
ſten Beſtimmungen des Landrechts weder die Höhe
allgemeiner, leitender Grundſätze, noch die Anſchau-
lichkeit des individuellen erreichen, ſondern zwiſchen
beiden Endpunkten in der Mitte ſchweben, während
die Römer beide in ihrer naturgemäßen Verknüpfung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |