die wahre, ächte Nullität mit lebhaften Farben aus- mahlt. Allein Maleville nimmt die Römische Nul- lität (das non est matrimonium) außer allen die- sen Anfechtungsrechten (mariage qui peut etre casse) und verschieden von denselben an, so daß es dreyerley gäbe: 1. non est matrimonium; 2. ab- solute Nullität des Code; 3. relative Nullität 1). Auch bey N. 2. läßt sich wohl etwas denken, näm- lich es wäre ein Klagerecht auf Vernichtung, was jeder hätte, aber doch ein bloßes Klagerecht, so daß ohne alle Klage, und wenn z. B. ein Ehegatte ge- storben wäre, die Ehe mit allen Folgen gültig blie- be; nur wäre das freylich eine überflüssige Subtili- tät. Aber noch verwickelter ist die Ansicht von Ma- leville in dem speciellen Fall, wenn die Trauungs- form fehlt. Diese Ehe, sagt der Art. 191. peut etre attaque von jedermann; aber Art. 193. läßt mer- ken, es werde Fälle dieser Art geben, in welchen die Ehe nicht werde aufgehoben werden, doch ohne diese Fälle zu nennen. Aus beiden Stellen zieht Maleville folgendes Resultot 2): die Ehe peut etre attaque, d. h. man kann auf Aufhebung kla- gen, das Gesetz verwehrt die Klage nicht, aber was der Richter thun will, ist seine Sache, oder mit an- dern Worten, die Aufhebung der Ehe hangt von der
1)Maleville T. 1. p. 165.
2)Maleville T. 1. p. 206.
die wahre, ächte Nullität mit lebhaften Farben aus- mahlt. Allein Maleville nimmt die Römiſche Nul- lität (das non est matrimonium) außer allen die- ſen Anfechtungsrechten (mariage qui peut être cassé) und verſchieden von denſelben an, ſo daß es dreyerley gäbe: 1. non est matrimonium; 2. ab- ſolute Nullität des Code; 3. relative Nullität 1). Auch bey N. 2. läßt ſich wohl etwas denken, näm- lich es wäre ein Klagerecht auf Vernichtung, was jeder hätte, aber doch ein bloßes Klagerecht, ſo daß ohne alle Klage, und wenn z. B. ein Ehegatte ge- ſtorben wäre, die Ehe mit allen Folgen gültig blie- be; nur wäre das freylich eine überflüſſige Subtili- tät. Aber noch verwickelter iſt die Anſicht von Ma- leville in dem ſpeciellen Fall, wenn die Trauungs- form fehlt. Dieſe Ehe, ſagt der Art. 191. peut être attaqué von jedermann; aber Art. 193. läßt mer- ken, es werde Fälle dieſer Art geben, in welchen die Ehe nicht werde aufgehoben werden, doch ohne dieſe Fälle zu nennen. Aus beiden Stellen zieht Maleville folgendes Reſultot 2): die Ehe peut être attaqué, d. h. man kann auf Aufhebung kla- gen, das Geſetz verwehrt die Klage nicht, aber was der Richter thun will, iſt ſeine Sache, oder mit an- dern Worten, die Aufhebung der Ehe hangt von der
1)Maleville T. 1. p. 165.
2)Maleville T. 1. p. 206.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0080"n="70"/>
die wahre, ächte Nullität mit lebhaften Farben aus-<lb/>
mahlt. Allein <hirendition="#g">Maleville</hi> nimmt die Römiſche Nul-<lb/>
lität (das <hirendition="#aq">non est matrimonium</hi>) außer allen die-<lb/>ſen Anfechtungsrechten (<hirendition="#aq">mariage qui peut être<lb/>
cassé</hi>) und verſchieden von denſelben an, ſo daß es<lb/>
dreyerley gäbe: 1. <hirendition="#aq">non est matrimonium;</hi> 2. ab-<lb/>ſolute Nullität des Code; 3. relative Nullität <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i"><hirendition="#g">Maleville</hi></hi> T. 1. p.</hi> 165.</note>.<lb/>
Auch bey <hirendition="#aq">N.</hi> 2. läßt ſich wohl etwas denken, näm-<lb/>
lich es wäre ein Klagerecht auf Vernichtung, was<lb/>
jeder hätte, aber doch ein bloßes Klagerecht, ſo daß<lb/>
ohne alle Klage, und wenn z. B. ein Ehegatte ge-<lb/>ſtorben wäre, die Ehe mit allen Folgen gültig blie-<lb/>
be; <hirendition="#aq">nur</hi> wäre das freylich eine überflüſſige Subtili-<lb/>
tät. Aber noch verwickelter iſt die Anſicht von <hirendition="#g">Ma-<lb/>
leville</hi> in dem ſpeciellen Fall, wenn die Trauungs-<lb/>
form fehlt. Dieſe Ehe, ſagt der Art. 191. <hirendition="#aq"><hirendition="#i">peut</hi> être<lb/>
attaqué</hi> von jedermann; aber Art. 193. läßt mer-<lb/>
ken, es werde Fälle dieſer Art geben, in welchen<lb/>
die Ehe nicht werde aufgehoben werden, doch ohne<lb/>
dieſe Fälle zu nennen. Aus beiden Stellen zieht<lb/><hirendition="#g">Maleville</hi> folgendes Reſultot <noteplace="foot"n="2)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i"><hirendition="#g">Maleville</hi></hi> T. 1. p.</hi> 206.</note>: die Ehe <hirendition="#aq">peut<lb/>
être attaqué,</hi> d. h. man kann auf Aufhebung kla-<lb/>
gen, das Geſetz verwehrt die Klage nicht, aber was<lb/>
der Richter thun will, iſt ſeine Sache, oder mit an-<lb/>
dern Worten, die Aufhebung der Ehe hangt von der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[70/0080]
die wahre, ächte Nullität mit lebhaften Farben aus-
mahlt. Allein Maleville nimmt die Römiſche Nul-
lität (das non est matrimonium) außer allen die-
ſen Anfechtungsrechten (mariage qui peut être
cassé) und verſchieden von denſelben an, ſo daß es
dreyerley gäbe: 1. non est matrimonium; 2. ab-
ſolute Nullität des Code; 3. relative Nullität 1).
Auch bey N. 2. läßt ſich wohl etwas denken, näm-
lich es wäre ein Klagerecht auf Vernichtung, was
jeder hätte, aber doch ein bloßes Klagerecht, ſo daß
ohne alle Klage, und wenn z. B. ein Ehegatte ge-
ſtorben wäre, die Ehe mit allen Folgen gültig blie-
be; nur wäre das freylich eine überflüſſige Subtili-
tät. Aber noch verwickelter iſt die Anſicht von Ma-
leville in dem ſpeciellen Fall, wenn die Trauungs-
form fehlt. Dieſe Ehe, ſagt der Art. 191. peut être
attaqué von jedermann; aber Art. 193. läßt mer-
ken, es werde Fälle dieſer Art geben, in welchen
die Ehe nicht werde aufgehoben werden, doch ohne
dieſe Fälle zu nennen. Aus beiden Stellen zieht
Maleville folgendes Reſultot 2): die Ehe peut
être attaqué, d. h. man kann auf Aufhebung kla-
gen, das Geſetz verwehrt die Klage nicht, aber was
der Richter thun will, iſt ſeine Sache, oder mit an-
dern Worten, die Aufhebung der Ehe hangt von der
1) Maleville T. 1. p. 165.
2) Maleville T. 1. p. 206.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/80>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.