Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.Willen den rechten Beamten getroffen hat! In jedem 1) Die vergeblichen Bemühungen stehen conference T. 2. p.
79 -- 90. Der Gipfel der Verwirrung ist in der Bemerkung von Tronchet p. 84 que jamais le mariage n'est nul de plein droit; il y a toujours un titre et une apparence qu'il faut detruire. Wenn jemand mein Haus besitzt, so giebt es auch une apparence a detruire, (etwas blos factisches), dazu dient die Vindication; aber sein angebliches Recht des Eigenthums ist dennoch nul de plein droit, d. h. es ist gar nicht da, und dieses aufzuheben brauche ich keine Klage. Bey Testamenten läßt es sich durch den Gegensatz der alten Nullität wegen eines präterirten Sohnes, und der querela inofficiosi, recht deutlich machen. Willen den rechten Beamten getroffen hat! In jedem 1) Die vergeblichen Bemühungen ſtehen conférence T. 2. p.
79 — 90. Der Gipfel der Verwirrung iſt in der Bemerkung von Tronchet p. 84 que jamais le mariage n’est nul de plein droit; il y a toujours un titre et une apparence qu’il faut détruire. Wenn jemand mein Haus beſitzt, ſo giebt es auch une apparence à détruire, (etwas blos factiſches), dazu dient die Vindication; aber ſein angebliches Recht des Eigenthums iſt dennoch nul de plein droit, d. h. es iſt gar nicht da, und dieſes aufzuheben brauche ich keine Klage. Bey Teſtamenten läßt es ſich durch den Gegenſatz der alten Nullität wegen eines präterirten Sohnes, und der querela inofficiosi, recht deutlich machen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0082" n="72"/> Willen den rechten Beamten getroffen hat! In jedem<lb/> Falle dieſer Art aber iſt das ganze Schickſal einer<lb/> Familie der völlig blinden Willkühr eines Gerichts<lb/> überlaſſen, welchem bey keiner möglichen Entſcheidung<lb/> ein Vorwurf gemacht werden kann, da jede Entſchei-<lb/> dung die angeſehenſten Autoritäten für ſich hat. Und<lb/> der erſte Grund dieſes heilloſen Schwankens iſt, daß<lb/> man nicht von einem beſtimmten, entſcheidenden Be-<lb/> griffe ausgegangen iſt, ſondern ſich in ſteter Verwir-<lb/> rung zwiſchen wahrer Nullität und Anfechtungsrecht<lb/> hin und her bewegt hat, ohne jemals aus der Un-<lb/> klarheit heraus kommen zu können <note place="foot" n="1)">Die vergeblichen Bemühungen ſtehen <hi rendition="#aq">conférence T. 2. p.</hi><lb/> 79 — 90. Der Gipfel der Verwirrung iſt in der Bemerkung von<lb/><hi rendition="#g">Tronchet</hi> <hi rendition="#aq">p. 84 que jamais le mariage n’est nul de plein droit;<lb/> il y a toujours un titre et une apparence qu’il faut détruire.</hi><lb/> Wenn jemand mein Haus beſitzt, ſo giebt es auch <hi rendition="#aq">une apparence<lb/> à détruire,</hi> (etwas blos factiſches), dazu dient die Vindication;<lb/> aber ſein angebliches <hi rendition="#g">Recht</hi> des Eigenthums iſt dennoch <hi rendition="#aq">nul de<lb/> plein droit,</hi> d. h. es iſt gar nicht da, und dieſes aufzuheben<lb/> brauche ich keine Klage. Bey Teſtamenten läßt es ſich durch den<lb/> Gegenſatz der alten Nullität wegen eines präterirten Sohnes,<lb/> und der <hi rendition="#aq">querela inofficiosi,</hi> recht deutlich machen.</note>, wodurch die<lb/> gänzliche Unnützlichkeit der Staatsrathsdisruſſionen in<lb/> techniſchen Dingen recht anſchaulich wird. Bey den<lb/> Römern waren ſolche Dinge gar nicht möglich, und<lb/> es war dieſe Unmöglichkeit nicht etwa der Gipfel<lb/> ihrer Kunſt, ſondern der erſte Anfang: das heißt, ſie<lb/> waren Männer vom Fach, während dieſe Redacto-<lb/> ren und Staatsräthe reden und ſchreiben wie Dilet-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0082]
Willen den rechten Beamten getroffen hat! In jedem
Falle dieſer Art aber iſt das ganze Schickſal einer
Familie der völlig blinden Willkühr eines Gerichts
überlaſſen, welchem bey keiner möglichen Entſcheidung
ein Vorwurf gemacht werden kann, da jede Entſchei-
dung die angeſehenſten Autoritäten für ſich hat. Und
der erſte Grund dieſes heilloſen Schwankens iſt, daß
man nicht von einem beſtimmten, entſcheidenden Be-
griffe ausgegangen iſt, ſondern ſich in ſteter Verwir-
rung zwiſchen wahrer Nullität und Anfechtungsrecht
hin und her bewegt hat, ohne jemals aus der Un-
klarheit heraus kommen zu können 1), wodurch die
gänzliche Unnützlichkeit der Staatsrathsdisruſſionen in
techniſchen Dingen recht anſchaulich wird. Bey den
Römern waren ſolche Dinge gar nicht möglich, und
es war dieſe Unmöglichkeit nicht etwa der Gipfel
ihrer Kunſt, ſondern der erſte Anfang: das heißt, ſie
waren Männer vom Fach, während dieſe Redacto-
ren und Staatsräthe reden und ſchreiben wie Dilet-
1) Die vergeblichen Bemühungen ſtehen conférence T. 2. p.
79 — 90. Der Gipfel der Verwirrung iſt in der Bemerkung von
Tronchet p. 84 que jamais le mariage n’est nul de plein droit;
il y a toujours un titre et une apparence qu’il faut détruire.
Wenn jemand mein Haus beſitzt, ſo giebt es auch une apparence
à détruire, (etwas blos factiſches), dazu dient die Vindication;
aber ſein angebliches Recht des Eigenthums iſt dennoch nul de
plein droit, d. h. es iſt gar nicht da, und dieſes aufzuheben
brauche ich keine Klage. Bey Teſtamenten läßt es ſich durch den
Gegenſatz der alten Nullität wegen eines präterirten Sohnes,
und der querela inofficiosi, recht deutlich machen.
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