Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
Erklärung (§ 22), es wirkt nicht nur mit eben so entschiedener Kraft, sondern auch in derselben Weise, wie eine Lex, so daß es durch seine Natur nicht auf einen bestimmten Amtsspren- gel, noch auf bestimmte Zeit, wie das jus honorarium, ein- geschränkt ist. Mit dieser Eigenschaft steht aber die Mög- lichkeit eines partikulären Gewohnheitsrechts keinesweges im Widerspruch, gerade so wie ja auch ein Gesetz für eine einzelne Stadt oder Provinz erlassen werden kann.
Diese Wirkung kann sich auf eine zwiefache Weise äußern. Zuerst als bloße Ergänzung, wenn der Ausdruck des Gesetzes unbestimmt oder zweydeutig ist (o), oder wenn es über eine Rechtsfrage an einer gesetzlichen Bestimmung gänzlich fehlt (p). Dieses letzte kann nun besonders in solchen Fällen des städtischen Verkehrs Bedürfniß seyn, worin es durchaus nöthig ist, irgend eine feste Bestimmung zu haben, während der Inhalt dieser Bestimmung ziem- lich gleichgültig seyn kann. Fehlt es einer Stadt in sol- chen Fällen an einer bestimmten Gewohnheit, so soll die Gewohnheit der Stadt Rom befolgt werden (q), was nicht blos in ihrer Würde als der ersten Stadt des Reichs gegründet war, sondern noch mehr darin, daß sie ursprüng- lich die Nation in sich schloß. In einer Zeit also, worin die Nation als Ganzes, wegen ihrer unbestimmten Aus- breitung, eines gemeinsamen Rechtsbewußtseyns weniger
(o)L. 38 de leg. (1. 3.).
(p)L. 32 pr. L. 33 de leg. (1. 3.). Vgl. PuchtaI. S. 87.
(q)L. 32 pr. de leg. (1. 3.) "si qua in re hoc defecerit ... tunc jus, quo urbs Roma uti- tur, servari oportet."
Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
Erklärung (§ 22), es wirkt nicht nur mit eben ſo entſchiedener Kraft, ſondern auch in derſelben Weiſe, wie eine Lex, ſo daß es durch ſeine Natur nicht auf einen beſtimmten Amtsſpren- gel, noch auf beſtimmte Zeit, wie das jus honorarium, ein- geſchränkt iſt. Mit dieſer Eigenſchaft ſteht aber die Mög- lichkeit eines partikulären Gewohnheitsrechts keinesweges im Widerſpruch, gerade ſo wie ja auch ein Geſetz für eine einzelne Stadt oder Provinz erlaſſen werden kann.
Dieſe Wirkung kann ſich auf eine zwiefache Weiſe äußern. Zuerſt als bloße Ergänzung, wenn der Ausdruck des Geſetzes unbeſtimmt oder zweydeutig iſt (o), oder wenn es über eine Rechtsfrage an einer geſetzlichen Beſtimmung gänzlich fehlt (p). Dieſes letzte kann nun beſonders in ſolchen Fällen des ſtädtiſchen Verkehrs Bedürfniß ſeyn, worin es durchaus nöthig iſt, irgend eine feſte Beſtimmung zu haben, während der Inhalt dieſer Beſtimmung ziem- lich gleichgültig ſeyn kann. Fehlt es einer Stadt in ſol- chen Fällen an einer beſtimmten Gewohnheit, ſo ſoll die Gewohnheit der Stadt Rom befolgt werden (q), was nicht blos in ihrer Würde als der erſten Stadt des Reichs gegründet war, ſondern noch mehr darin, daß ſie urſprüng- lich die Nation in ſich ſchloß. In einer Zeit alſo, worin die Nation als Ganzes, wegen ihrer unbeſtimmten Aus- breitung, eines gemeinſamen Rechtsbewußtſeyns weniger
(o)L. 38 de leg. (1. 3.).
(p)L. 32 pr. L. 33 de leg. (1. 3.). Vgl. PuchtaI. S. 87.
(q)L. 32 pr. de leg. (1. 3.) „si qua in re hoc defecerit … tunc jus, quo urbs Roma uti- tur, servari oportet.”
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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
Erklärung (§ 22), es wirkt nicht nur mit eben ſo entſchiedener
Kraft, ſondern auch in derſelben Weiſe, wie eine Lex, ſo daß
es durch ſeine Natur nicht auf einen beſtimmten Amtsſpren-
gel, noch auf beſtimmte Zeit, wie das jus honorarium, ein-
geſchränkt iſt. Mit dieſer Eigenſchaft ſteht aber die Mög-
lichkeit eines partikulären Gewohnheitsrechts keinesweges
im Widerſpruch, gerade ſo wie ja auch ein Geſetz für
eine einzelne Stadt oder Provinz erlaſſen werden kann.
Dieſe Wirkung kann ſich auf eine zwiefache Weiſe
äußern. Zuerſt als bloße Ergänzung, wenn der Ausdruck
des Geſetzes unbeſtimmt oder zweydeutig iſt (o), oder wenn
es über eine Rechtsfrage an einer geſetzlichen Beſtimmung
gänzlich fehlt (p). Dieſes letzte kann nun beſonders in
ſolchen Fällen des ſtädtiſchen Verkehrs Bedürfniß ſeyn,
worin es durchaus nöthig iſt, irgend eine feſte Beſtimmung
zu haben, während der Inhalt dieſer Beſtimmung ziem-
lich gleichgültig ſeyn kann. Fehlt es einer Stadt in ſol-
chen Fällen an einer beſtimmten Gewohnheit, ſo ſoll die
Gewohnheit der Stadt Rom befolgt werden (q), was nicht
blos in ihrer Würde als der erſten Stadt des Reichs
gegründet war, ſondern noch mehr darin, daß ſie urſprüng-
lich die Nation in ſich ſchloß. In einer Zeit alſo, worin
die Nation als Ganzes, wegen ihrer unbeſtimmten Aus-
breitung, eines gemeinſamen Rechtsbewußtſeyns weniger
(o) L. 38 de leg. (1. 3.).
(p) L. 32 pr. L. 33 de leg.
(1. 3.). Vgl. Puchta I. S. 87.
(q) L. 32 pr. de leg. (1. 3.)
„si qua in re hoc defecerit …
tunc jus, quo urbs Roma uti-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/206>, abgerufen am 16.02.2025.
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