Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. von Preußen im J. 1740. Ein glücklicher Zufall führteihm einige so einsichtsvolle Juristen zu, wie sie seit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr erschienen waren, und ihm selbst fehlte es weder an eigener Rechtskenntniß, noch an Thätigkeit und Ruhmbegierde. Man suchte also dem abzuhelfen, was zunächst als Übel fühlbar wurde, der unbezwinglichen Masse der juristischen Literatur, und den vielen in ihr vorkommenden Widersprüchen. Irgend eine Erfahrung ähnlicher Art, an welcher man das Unterneh- men hätte prüfen können, lag nicht vor, und so konnte man am kaiserlichen Hof ehrlich glauben, auf diesem Wege einen ganz vortrefflichen Zustand hervorzubringen, und nur durch gesetzliche Verbote der Wiederkehr des alten Übels steuern zu müssen. Auch hatte man nicht zu fürch- ten, daß durch diese Verbote ein wirklich vorhandenes geistiges Leben unterdrückt würde, wie etwa, wenn Ha- drian oder Marc Aurel einen ähnlichen Gedanken hätten fassen wollen: denn die Kraft und Bildung der Gegen- wart war ja Jedem ohnehin klar genug, und daran war gewiß wenig zu verderben. Zwar die Drohung der Cri- minalstrafe und der Zerstörung der Bücher, ja selbst das Verbot Bücher zu schreiben, ist unsren Sitten völlig fremd, und neben der Buchdruckerey und dem lebhaften Verkehr so vieler Europäischen Staaten wäre es abentheuerlich, an dergleichen auch nur zu denken. Allein wenn wir von dieser gewaltsamen Ausführung, als dem Zufälligen, ab- sehen, so ist der Grundgedanke dieselbe Selbsttäuschung, Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. von Preußen im J. 1740. Ein glücklicher Zufall führteihm einige ſo einſichtsvolle Juriſten zu, wie ſie ſeit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr erſchienen waren, und ihm ſelbſt fehlte es weder an eigener Rechtskenntniß, noch an Thätigkeit und Ruhmbegierde. Man ſuchte alſo dem abzuhelfen, was zunächſt als Übel fühlbar wurde, der unbezwinglichen Maſſe der juriſtiſchen Literatur, und den vielen in ihr vorkommenden Widerſprüchen. Irgend eine Erfahrung ähnlicher Art, an welcher man das Unterneh- men hätte prüfen können, lag nicht vor, und ſo konnte man am kaiſerlichen Hof ehrlich glauben, auf dieſem Wege einen ganz vortrefflichen Zuſtand hervorzubringen, und nur durch geſetzliche Verbote der Wiederkehr des alten Übels ſteuern zu müſſen. Auch hatte man nicht zu fürch- ten, daß durch dieſe Verbote ein wirklich vorhandenes geiſtiges Leben unterdrückt würde, wie etwa, wenn Ha- drian oder Marc Aurel einen ähnlichen Gedanken hätten faſſen wollen: denn die Kraft und Bildung der Gegen- wart war ja Jedem ohnehin klar genug, und daran war gewiß wenig zu verderben. Zwar die Drohung der Cri- minalſtrafe und der Zerſtörung der Bücher, ja ſelbſt das Verbot Bücher zu ſchreiben, iſt unſren Sitten völlig fremd, und neben der Buchdruckerey und dem lebhaften Verkehr ſo vieler Europäiſchen Staaten wäre es abentheuerlich, an dergleichen auch nur zu denken. Allein wenn wir von dieſer gewaltſamen Ausführung, als dem Zufälligen, ab- ſehen, ſo iſt der Grundgedanke dieſelbe Selbſttäuſchung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0216" n="160"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Quellen des heutigen R. R.</fw><lb/> von Preußen im J. 1740. 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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
von Preußen im J. 1740. Ein glücklicher Zufall führte
ihm einige ſo einſichtsvolle Juriſten zu, wie ſie ſeit mehr
als einem Jahrhundert nicht mehr erſchienen waren, und
ihm ſelbſt fehlte es weder an eigener Rechtskenntniß, noch
an Thätigkeit und Ruhmbegierde. Man ſuchte alſo dem
abzuhelfen, was zunächſt als Übel fühlbar wurde, der
unbezwinglichen Maſſe der juriſtiſchen Literatur, und den
vielen in ihr vorkommenden Widerſprüchen. Irgend eine
Erfahrung ähnlicher Art, an welcher man das Unterneh-
men hätte prüfen können, lag nicht vor, und ſo konnte
man am kaiſerlichen Hof ehrlich glauben, auf dieſem Wege
einen ganz vortrefflichen Zuſtand hervorzubringen, und
nur durch geſetzliche Verbote der Wiederkehr des alten
Übels ſteuern zu müſſen. Auch hatte man nicht zu fürch-
ten, daß durch dieſe Verbote ein wirklich vorhandenes
geiſtiges Leben unterdrückt würde, wie etwa, wenn Ha-
drian oder Marc Aurel einen ähnlichen Gedanken hätten
faſſen wollen: denn die Kraft und Bildung der Gegen-
wart war ja Jedem ohnehin klar genug, und daran war
gewiß wenig zu verderben. Zwar die Drohung der Cri-
minalſtrafe und der Zerſtörung der Bücher, ja ſelbſt das
Verbot Bücher zu ſchreiben, iſt unſren Sitten völlig fremd,
und neben der Buchdruckerey und dem lebhaften Verkehr
ſo vieler Europäiſchen Staaten wäre es abentheuerlich,
an dergleichen auch nur zu denken. Allein wenn wir von
dieſer gewaltſamen Ausführung, als dem Zufälligen, ab-
ſehen, ſo iſt der Grundgedanke dieſelbe Selbſttäuſchung,
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