Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze. zur Erklärung benutzten Gesetze können endlich auch neuereseyn: nur wird dieser Fall seltener in das Gebiet der reinen Auslegung gehören. Denn in den meisten Fällen werden solche neuere Gesetze zu dem mangelhaften in dem Verhältniß einer Abänderung stehen, oder wenigstens einer authentischen Auslegung (§ 32), welche nicht mehr wahre Auslegung ist. Wo dieses Verfahren als reine Ausle- gung vorkommt, beruht es auf der Voraussetzung, daß die Denkweise des früheren Gesetzgebers auch in der spä- teren Gesetzgebung sich erhalten habe (d). B. Der Grund des Gesetzes kann gleichfalls ein Hülfs- leges ad posteriores trahi usi- tatum est, et semper quasi hoc legibus inesse credi oportet, ut ad eas quoque personas et ad eas res pertinerent, quae quandoque similes erunt." (d) L. 28 de leg. (1. 3.) "Sed
et posteriores leges ad prio- res pertinent, nisi contrariae sint." Hier ist blos der Fall der Abänderung, als den Ge- brauch zur Auslegung ausschlie- ßend, bezeichnet. Aber auch im Fall der authentischen Auslegung ist es einleuchtend, daß wir den durch das spätere Gesetz angege- benen Sinn des früheren nicht deswegen annehmen, weil wir ihn für wahr halten, sondern weil ihn das spätere vorschreibt. Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. zur Erklärung benutzten Geſetze können endlich auch neuereſeyn: nur wird dieſer Fall ſeltener in das Gebiet der reinen Auslegung gehören. Denn in den meiſten Fällen werden ſolche neuere Geſetze zu dem mangelhaften in dem Verhältniß einer Abänderung ſtehen, oder wenigſtens einer authentiſchen Auslegung (§ 32), welche nicht mehr wahre Auslegung iſt. Wo dieſes Verfahren als reine Ausle- gung vorkommt, beruht es auf der Vorausſetzung, daß die Denkweiſe des früheren Geſetzgebers auch in der ſpä- teren Geſetzgebung ſich erhalten habe (d). B. Der Grund des Geſetzes kann gleichfalls ein Hülfs- leges ad posteriores trahi usi- tatum est, et semper quasi hoc legibus inesse credi oportet, ut ad eas quoque personas et ad eas res pertinerent, quae quandoque similes erunt.” (d) L. 28 de leg. (1. 3.) „Sed
et posteriores leges ad prio- res pertinent, nisi contrariae sint.” Hier iſt blos der Fall der Abänderung, als den Ge- brauch zur Auslegung ausſchlie- ßend, bezeichnet. Aber auch im Fall der authentiſchen Auslegung iſt es einleuchtend, daß wir den durch das ſpätere Geſetz angege- benen Sinn des früheren nicht deswegen annehmen, weil wir ihn für wahr halten, ſondern weil ihn das ſpätere vorſchreibt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0280" n="224"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Auslegung der Geſetze.</fw><lb/> zur Erklärung benutzten Geſetze können endlich auch neuere<lb/> ſeyn: nur wird dieſer Fall ſeltener in das Gebiet der<lb/> reinen Auslegung gehören. Denn in den meiſten Fällen<lb/> werden ſolche neuere Geſetze zu dem mangelhaften in dem<lb/> Verhältniß einer Abänderung ſtehen, oder wenigſtens einer<lb/> authentiſchen Auslegung (§ 32), welche nicht mehr wahre<lb/> Auslegung iſt. Wo dieſes Verfahren als reine Ausle-<lb/> gung vorkommt, beruht es auf der Vorausſetzung, daß<lb/> die Denkweiſe des früheren Geſetzgebers auch in der ſpä-<lb/> teren Geſetzgebung ſich erhalten habe <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 28 <hi rendition="#i">de leg.</hi> (1. 3.) „Sed<lb/> et posteriores leges ad prio-<lb/> res pertinent, nisi contrariae<lb/> sint.”</hi> Hier iſt blos der Fall<lb/> der Abänderung, als den Ge-<lb/> brauch zur Auslegung ausſchlie-<lb/> ßend, bezeichnet. Aber auch im<lb/> Fall der authentiſchen Auslegung<lb/> iſt es einleuchtend, daß wir den<lb/> durch das ſpätere Geſetz angege-<lb/> benen Sinn des früheren nicht<lb/> deswegen annehmen, weil wir ihn<lb/> für wahr halten, ſondern weil<lb/> ihn das ſpätere vorſchreibt.</note>.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">B.</hi> Der Grund des Geſetzes kann gleichfalls ein Hülfs-<lb/> mittel zur Auslegung des mangelhaften Geſetzes ſeyn,<lb/> jedoch nicht ſo unbedingt, als der Zuſammenhang der<lb/> Geſetzgebung. Vielmehr wird ſeine Anwendbarkeit abhän-<lb/> gen von dem Grade der Gewißheit, womit wir ihn<lb/> erkennen, und von dem Grade ſeiner Verwandtſchaft<lb/> zu dem Inhalt (§ 34). Steht eine dieſer Rückſichten<lb/> entgegen, ſo wird er zwar noch immer auf die Beſeiti-<lb/> gung der erſten Art von Mängeln (der Unbeſtimmtheit)<lb/><note xml:id="seg2pn_28_2" prev="#seg2pn_28_1" place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">leges ad posteriores trahi usi-<lb/> tatum est, et semper quasi hoc<lb/> legibus inesse credi oportet,<lb/> ut ad eas quoque personas et<lb/> ad eas res pertinerent, quae<lb/> quandoque similes erunt.”</hi></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [224/0280]
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
zur Erklärung benutzten Geſetze können endlich auch neuere
ſeyn: nur wird dieſer Fall ſeltener in das Gebiet der
reinen Auslegung gehören. Denn in den meiſten Fällen
werden ſolche neuere Geſetze zu dem mangelhaften in dem
Verhältniß einer Abänderung ſtehen, oder wenigſtens einer
authentiſchen Auslegung (§ 32), welche nicht mehr wahre
Auslegung iſt. Wo dieſes Verfahren als reine Ausle-
gung vorkommt, beruht es auf der Vorausſetzung, daß
die Denkweiſe des früheren Geſetzgebers auch in der ſpä-
teren Geſetzgebung ſich erhalten habe (d).
B. Der Grund des Geſetzes kann gleichfalls ein Hülfs-
mittel zur Auslegung des mangelhaften Geſetzes ſeyn,
jedoch nicht ſo unbedingt, als der Zuſammenhang der
Geſetzgebung. Vielmehr wird ſeine Anwendbarkeit abhän-
gen von dem Grade der Gewißheit, womit wir ihn
erkennen, und von dem Grade ſeiner Verwandtſchaft
zu dem Inhalt (§ 34). Steht eine dieſer Rückſichten
entgegen, ſo wird er zwar noch immer auf die Beſeiti-
gung der erſten Art von Mängeln (der Unbeſtimmtheit)
(c)
(d) L. 28 de leg. (1. 3.) „Sed
et posteriores leges ad prio-
res pertinent, nisi contrariae
sint.” Hier iſt blos der Fall
der Abänderung, als den Ge-
brauch zur Auslegung ausſchlie-
ßend, bezeichnet. Aber auch im
Fall der authentiſchen Auslegung
iſt es einleuchtend, daß wir den
durch das ſpätere Geſetz angege-
benen Sinn des früheren nicht
deswegen annehmen, weil wir ihn
für wahr halten, ſondern weil
ihn das ſpätere vorſchreibt.
(c) leges ad posteriores trahi usi-
tatum est, et semper quasi hoc
legibus inesse credi oportet,
ut ad eas quoque personas et
ad eas res pertinerent, quae
quandoque similes erunt.”
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