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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
in diesen zahlreichen Stellen ist stets schon die prätorische
Restitution mit hinzu zu denken, die ja ohnehin allgemein
und unbedingt ertheilt wurde.

Wie stellt sich nun aber diese ganze Lehre im Justi-
nianischen Recht? Praktische Bedeutung hatte sie ja schon
längst nicht mehr wegen der prätorischen Restitution. Zwar
könnte man einwenden, daß ja in anderen Fällen, z. B.
bey Minderjährigen, ein großer Unterschied sey zwischen
der Gültigkeit (oder Ungültigkeit) eines Rechtsverhältnisses
an sich selbst, oder vermittelst einer Restitution. Allein
die Wichtigkeit dieses Unterschieds lag in zwey Umständen:
erstlich behielt sich gewöhnlich der Prätor ein Handeln
nach freyer Erwägung der Umstände vor (v); zweytens
war gewöhnlich die Restitution an eine kurze Verjährung
gebunden. Beides war hier anders. Denn die Schuld-
klage gegen den capite deminutus war unbedingt, ohne
Vorbehalt individueller Untersuchung, versprochen (w); und
diese zugesagte Klage war an keine Verjährung gebun-
den (x). -- Justinian also fand bereits die alte Rechts-
regel von dem Untergang der Schulden durch die minima
c. d.,
entblöst von aller praktischen Bedeutung vor, und
dieser Zustand der Sache wurde in seiner Gesetzgebung so
wenig verkannt, daß in derselben jene Regel merkwürdiger

(v) L. 1 § 1 de minoribus (4.
4.). ".. uti quaeque res erit,
animadvertam."
(w) L. 2 § 1 de cap. min. (4.
5.). ".. judicium dabo"
ohne
den sonst vorkommenden Zusatz:
causa cognita.
(x) L. 2 § 5 eod. "Hoc ju-
dicium perpetuum est" etc.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
in dieſen zahlreichen Stellen iſt ſtets ſchon die prätoriſche
Reſtitution mit hinzu zu denken, die ja ohnehin allgemein
und unbedingt ertheilt wurde.

Wie ſtellt ſich nun aber dieſe ganze Lehre im Juſti-
nianiſchen Recht? Praktiſche Bedeutung hatte ſie ja ſchon
längſt nicht mehr wegen der prätoriſchen Reſtitution. Zwar
könnte man einwenden, daß ja in anderen Fällen, z. B.
bey Minderjährigen, ein großer Unterſchied ſey zwiſchen
der Gültigkeit (oder Ungültigkeit) eines Rechtsverhältniſſes
an ſich ſelbſt, oder vermittelſt einer Reſtitution. Allein
die Wichtigkeit dieſes Unterſchieds lag in zwey Umſtänden:
erſtlich behielt ſich gewoͤhnlich der Prätor ein Handeln
nach freyer Erwägung der Umſtände vor (v); zweytens
war gewöhnlich die Reſtitution an eine kurze Verjährung
gebunden. Beides war hier anders. Denn die Schuld-
klage gegen den capite deminutus war unbedingt, ohne
Vorbehalt individueller Unterſuchung, verſprochen (w); und
dieſe zugeſagte Klage war an keine Verjährung gebun-
den (x). — Juſtinian alſo fand bereits die alte Rechts-
regel von dem Untergang der Schulden durch die minima
c. d.,
entblöſt von aller praktiſchen Bedeutung vor, und
dieſer Zuſtand der Sache wurde in ſeiner Geſetzgebung ſo
wenig verkannt, daß in derſelben jene Regel merkwürdiger

(v) L. 1 § 1 de minoribus (4.
4.). „.. uti quaeque res erit,
animadvertam.”
(w) L. 2 § 1 de cap. min. (4.
5.). „.. judicium dabo”
ohne
den ſonſt vorkommenden Zuſatz:
causa cognita.
(x) L. 2 § 5 eod. „Hoc ju-
dicium perpetuum est” etc.
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[86/0100] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. in dieſen zahlreichen Stellen iſt ſtets ſchon die prätoriſche Reſtitution mit hinzu zu denken, die ja ohnehin allgemein und unbedingt ertheilt wurde. Wie ſtellt ſich nun aber dieſe ganze Lehre im Juſti- nianiſchen Recht? Praktiſche Bedeutung hatte ſie ja ſchon längſt nicht mehr wegen der prätoriſchen Reſtitution. Zwar könnte man einwenden, daß ja in anderen Fällen, z. B. bey Minderjährigen, ein großer Unterſchied ſey zwiſchen der Gültigkeit (oder Ungültigkeit) eines Rechtsverhältniſſes an ſich ſelbſt, oder vermittelſt einer Reſtitution. Allein die Wichtigkeit dieſes Unterſchieds lag in zwey Umſtänden: erſtlich behielt ſich gewoͤhnlich der Prätor ein Handeln nach freyer Erwägung der Umſtände vor (v); zweytens war gewöhnlich die Reſtitution an eine kurze Verjährung gebunden. Beides war hier anders. Denn die Schuld- klage gegen den capite deminutus war unbedingt, ohne Vorbehalt individueller Unterſuchung, verſprochen (w); und dieſe zugeſagte Klage war an keine Verjährung gebun- den (x). — Juſtinian alſo fand bereits die alte Rechts- regel von dem Untergang der Schulden durch die minima c. d., entblöſt von aller praktiſchen Bedeutung vor, und dieſer Zuſtand der Sache wurde in ſeiner Geſetzgebung ſo wenig verkannt, daß in derſelben jene Regel merkwürdiger (v) L. 1 § 1 de minoribus (4. 4.). „.. uti quaeque res erit, animadvertam.” (w) L. 2 § 1 de cap. min. (4. 5.). „.. judicium dabo” ohne den ſonſt vorkommenden Zuſatz: causa cognita. (x) L. 2 § 5 eod. „Hoc ju- dicium perpetuum est” etc.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/100>, abgerufen am 21.11.2024.