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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 81. Infamie. Juristische Bedeutung. (Fortsetzung.)

Endlich steht damit auch noch im Zusammenhang eine
schon oben erwähnte merkwürdige Stelle des Livius
(XLV. 15). Schon früher waren wiederholt alle Frey-
gelassene in die weniger geachteten vier städtischen Tribus
gesetzt worden. Bald aber wurde diese Einschränkung
durch regelmäßige Ausnahmen gemildert, bald auch durch
bloßen Misbrauch aus den Augen gesetzt, so daß sich
Freygelassene durch alle Tribus zerstreut fanden. Dieses
Ubel von Grund aus zu heben, beschloß endlich der Cen-
sor Gracchus, die Freygelassenen aus allen Tribus zu
streichen, das heißt zu Arariern zu machen, oder des
Stimmrechts zu berauben. Allein sein College Claudius
widersetzte sich dieser Maasregel, die er als gewaltsam
und ungerecht bezeichnete. Endlich einigten sich beide Cen-
soren dahin, daß die Freygelassenen nicht das Stimmrecht
verlieren, aber in die städtischen Tribus zurückgebracht
werden sollten, und zwar nicht in alle Vier vertheilt, son-
dern ausschließend in eine derselben, welche durch das Loos
bestimmt wurde. In der Rede nun, worin Claudius die
gänzliche Ausschließung bekämpft, drückt er sich so aus:
negabat ... suffragii lationem injussu populi censorem
cuiquam homini, nedum ordini universo, adimere posse.
Neque enim, si tribu movere posset, quod sit nihil aliud,
quam mutare jubere tribum, ideo omnibus XXXV tribu-
bus emovere posse, id est civitatem libertatemque eri-
pere
(c). Hier ist deutlich gesagt, die Entziehung des

(c) Hier wird schärfer als irgendwo die bloße Versetzung in
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§. 81. Infamie. Juriſtiſche Bedeutung. (Fortſetzung.)

Endlich ſteht damit auch noch im Zuſammenhang eine
ſchon oben erwähnte merkwürdige Stelle des Livius
(XLV. 15). Schon früher waren wiederholt alle Frey-
gelaſſene in die weniger geachteten vier ſtädtiſchen Tribus
geſetzt worden. Bald aber wurde dieſe Einſchränkung
durch regelmäßige Ausnahmen gemildert, bald auch durch
bloßen Misbrauch aus den Augen geſetzt, ſo daß ſich
Freygelaſſene durch alle Tribus zerſtreut fanden. Dieſes
Ubel von Grund aus zu heben, beſchloß endlich der Cen-
ſor Gracchus, die Freygelaſſenen aus allen Tribus zu
ſtreichen, das heißt zu Arariern zu machen, oder des
Stimmrechts zu berauben. Allein ſein College Claudius
widerſetzte ſich dieſer Maasregel, die er als gewaltſam
und ungerecht bezeichnete. Endlich einigten ſich beide Cen-
ſoren dahin, daß die Freygelaſſenen nicht das Stimmrecht
verlieren, aber in die ſtädtiſchen Tribus zurückgebracht
werden ſollten, und zwar nicht in alle Vier vertheilt, ſon-
dern ausſchließend in eine derſelben, welche durch das Loos
beſtimmt wurde. In der Rede nun, worin Claudius die
gänzliche Ausſchließung bekämpft, drückt er ſich ſo aus:
negabat … suffragii lationem injussu populi censorem
cuiquam homini, nedum ordini universo, adimere posse.
Neque enim, si tribu movere posset, quod sit nihil aliud,
quam mutare jubere tribum, ideo omnibus XXXV tribu-
bus emovere posse, id est civitatem libertatemque eri-
pere
(c). Hier iſt deutlich geſagt, die Entziehung des

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[211/0225] §. 81. Infamie. Juriſtiſche Bedeutung. (Fortſetzung.) Endlich ſteht damit auch noch im Zuſammenhang eine ſchon oben erwähnte merkwürdige Stelle des Livius (XLV. 15). Schon früher waren wiederholt alle Frey- gelaſſene in die weniger geachteten vier ſtädtiſchen Tribus geſetzt worden. Bald aber wurde dieſe Einſchränkung durch regelmäßige Ausnahmen gemildert, bald auch durch bloßen Misbrauch aus den Augen geſetzt, ſo daß ſich Freygelaſſene durch alle Tribus zerſtreut fanden. Dieſes Ubel von Grund aus zu heben, beſchloß endlich der Cen- ſor Gracchus, die Freygelaſſenen aus allen Tribus zu ſtreichen, das heißt zu Arariern zu machen, oder des Stimmrechts zu berauben. Allein ſein College Claudius widerſetzte ſich dieſer Maasregel, die er als gewaltſam und ungerecht bezeichnete. Endlich einigten ſich beide Cen- ſoren dahin, daß die Freygelaſſenen nicht das Stimmrecht verlieren, aber in die ſtädtiſchen Tribus zurückgebracht werden ſollten, und zwar nicht in alle Vier vertheilt, ſon- dern ausſchließend in eine derſelben, welche durch das Loos beſtimmt wurde. In der Rede nun, worin Claudius die gänzliche Ausſchließung bekämpft, drückt er ſich ſo aus: negabat … suffragii lationem injussu populi censorem cuiquam homini, nedum ordini universo, adimere posse. Neque enim, si tribu movere posset, quod sit nihil aliud, quam mutare jubere tribum, ideo omnibus XXXV tribu- bus emovere posse, id est civitatem libertatemque eri- pere (c). Hier iſt deutlich geſagt, die Entziehung des (c) Hier wird ſchärfer als irgendwo die bloße Verſetzung in 14*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/225>, abgerufen am 21.11.2024.